Eine irische Familiengeschichte: Drei Schwestern, ihr Vater und ihre Großmutter leben zusammen in einer kleinen Provinzstadt. Die Mutter ist vor fünfzehn Jahren weggegangen und noch immer ist die Lücke, die sie hinterlassen hat, groß und für alle schmerzlich. Lily, die Großmutter, sieht mit Vorliebe Filmklassiker im Fernsehen an, stellt dabei aber den Ton aus. Und sie träumt davon, noch einmal einen Liebhaber zu haben. Nach Liebe sehnen sich auch die anderen Familienmitglieder, nach Liebe und nach Anerkennung.
In diesen Haushalt kommt John, ein Schauspieler, der den irischen Schriftsteller William Butler Yeats in einem romantisierenden Film verkörpern soll. Auch John hat seine Mutter verloren und sowohl Lily als auch Rose, die mittlere Schwester, fühlen sich zu dem attraktiven Schauspieler hingezogen. Judith, die älteste und ernsthafteste Tochter, fährt nach London, um ihre Mutter zu besuchen und kehrt bitter enttäuscht zurück. Und Patrick, der Vater, zeigt in seinen Whiskeyräuschen oft überraschend zynischen Scharfsinn.
Die junge britische Schauspielerin und Autorin Rebecca Lenkiewicz hat mit Gezeiten der Nacht ein bezauberndes Stück über das Trauma einer Familie geschrieben, von der Mutter verlassen worden zu sein. Wie sich die unterschiedlichen Gefühlswelten ihrer Figuren, die sich der uneingeschränkten Sympathie des Zuschauers sicher sein können, in ihrer Sprache spiegeln und sich zu einem sensibel portraitierten und fein arrangierten Drama über Abschied, Liebe und Aufbruch verdichten, zeugt vom großen Talent der jungen Autorin, deren erst zweites Stück bereits am Londoner National Theatre uraufgeführt wurde. Das Vorarlberger Landestheater zeigt Gezeiten der Nacht als Österreichische Erstaufführung.
Sein oder Nichtsein – Hamlet. Die vielleicht berühmteste Theaterfigur aller Zeiten. Und eine Geschichte im Staate Dänemark, in der es um mehr geht, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt.
Hamlet wird vom Geist seines Vaters beauftragt, dessen Ermordung zu rächen. Zu rächen an Hamlets Onkel Claudius, jetzigem König von Dänemark und Gatte von Hamlets Mutter. Der Student aus Wittenberg soll die Welt im heimatlichen Helsingör wieder einrenken und mag sie doch eigentlich kaum ertragen. Studienfreund Horatio will ihm Begleiter sein, Ophelia Geliebte – aber immer wieder zieht Hamlet sich in die Einsamkeit seiner Monologe zurück. Und während der Staat sich eigentlich im Krieg befindet, ist ihm die scheinbar größte Freude das Theater, dessen Schauspieler und die Welt des „als-ob“.
William Shakespeare (1564 - 1616) schuf mit Hamlet eines der meistdiskutierten Theaterstücke überhaupt. Zuletzt in der Saison 1982/1983 am Vorarlberger Landestheater.
Paula zieht Bilanz: "Berufliche Erfüllung, irgendeine sinnvolle Tätigkeit von gesellschaftlicher Bedeutung: keine blasse Spur davon in meinem Leben. Aber nicht nur das: Auch Liebe hat es nicht gegeben, Leidenschaft, einen Lebenspartner, nicht einmal einen Orgasmus habe ich gehabt." Und weil die persönliche Bilanz derart negativ ausfällt, sieht sie nur einen Ausweg: Eine Überdosis. Dumm nur, dass die Arztpraxis, die sie überfallen will, um an genügend Schlaftabletten zu kommen, sich als Bank herausstellt und der Schalterbeamte Dietmar ernsthaftes Interesse an Paula zeigt. Also wird das erst mal nichts mit dem Selbstmord und Paula muss sich mit der Tatsache auseinander setzen, dass bei ihr ein Verdacht auf Gehirntumor besteht. Ob er gutartig oder bösartig ist, wird sie erst in einigen Tagen erfahren. Aber wie leben bis dahin - mit der Ungewissheit im Kopf? Paulas Vater, eigentlich vor Jahren an einem Gehirntumor gestorben, ist plötzlich da. Er begleitet seine Tochter bei ihren nächsten Schritten, stellt sich einer Auseinandersetzung, die es zu seinen Lebzeiten nicht gegeben hat. Und Paula beginnt ihr Leben neu zu sortieren, immer den alles entscheidenden Termin beim Arzt fest im Blick. Thomas Jonigk, geboren 1966, ist Dramaturg und Hausautor am Düsseldorfer Schauspielhaus, an dem er auch das Autorenlabor leitet. Für sein Stück Rottweiler wurde er 1994 von Theaterheute zum Nachwuchsautor des Jahres gewählt. Er arbeitet auch als Regisseur, unter anderem an der Volksbühne Berlin und am Schauspielhaus Wien. Am Düsseldorfer Schauspielhaus erlebte Diesseits im Herbst 2007 seine Uraufführung. Das Vorarlberger Landestheater zeigt die Österreichische Erstaufführung des Stückes.
Bruno und Michel sind Halbbrüder und Söhne einer Mutter, die ihr Leben ganz der Entfaltung ihrer eigenen persönlichen Freiheit gewidmet hat. Beide werden getrennt von ihren Großmüttern aufgezogen. Bruno, der Lehrer wird, entwickelt eine lebenslange Sexbesessenheit, hat aber beim anderen Geschlecht kaum Glück. Er ist der Prototyp eines modernen Menschen, der, überfordert vom Kampf um Anerkennung in Beruf und Liebe, seine Erdenzeit zwischen Supermarkt, Arbeitsplatz und Swingerclub verbringt. Der depressiv wirkende Michel, der ein bekannter Forscher auf dem Gebiet der Molekularbiologie wird, zeigt dagegen zeitlebens eher wenig Interesse an Sex und Frauen. Er sucht nach der Formel, die das Leben ohne Leid und Altern ermöglicht. Am Ende steht die bahnbrechende Entdeckung für die Erzeugung einer neuen geschlechtslosen und unsterblichen Menschenrasse: Das Klonen.
Die beiden Helden begegnen in ihrer "lebenslänglichen Höllenfahrt“ jeweils einem möglichen Lebenspartner, der für beide die Möglichkeit zur Überwindung all ihrer Leiden verspricht. In dieser romantischen Setzung erleben sie die Hoffnung auf das große Glück, aber auch das Leid einer Liebe, die sich nicht erfüllen darf in einer Welt, in der selbstdas Private Marktgesetzen unterworfen ist. Die Ausweitung der Kampfzone ins Private als Folge eines nicht mehr zu bremsenden Turbokapitalismus.
„Es gibt keinen anschaulicheren Ausdruck der Macht als die Tätigkeit des Dirigenten“, schreibt Elias Canetti. Das gilt für alle bedeutenden Dirigenten, so natürlich auch für Herbert von Karajan: „Denken Sie an meine Worte: Dieser Mann wird dem Musikleben im nächsten Vierteljahrhundert seinen Stempel aufdrücken“, so Karajans berühmter Kollege Victor de Sabata 1939 über den jungen Dirigenten. Doch war es das nächste halbe Jahrhundert, das Herbert von Karajans Stempel tragen sollte. Das Stück „Maestro“ ist ein Stationendrama: der gealterte Herbert von Karajan zieht sich in sein Haus in Anif zurück und sieht sich im Keller im Ton- und Musikstudio seine Home-Videos an. Die Erinnerung setzt ein. Die Kindheit, der Krieg, die Karriere, Salzburg, Berlin, Frauen, Freunde, Konkurrenten, Kritiker und Träume tauchen auf und wieder ab in das Dunkel der Einsamkeit eines alten Mannes. Der große Dirigent lebt schließlich in seinem Gefängnis der Wünsche. Karajans Wunsch war es zeitlebens, die perfekte Kunst in den Philharmonien der Welt, bei den Salzburger Festspielen, sowie in Einspielungen auf Schallplatte, CD und den Videos eigener Auftritte und Inszenierungen darzubieten. Aber schließen sich Perfektion und Kunst nicht aus? Karajan galt als machtvoller Perfektionist der Musik und ihrer Vermarktung, als unnahbarer Herrscher des selbst erschaffenen Mythos. In „Maestro“ erleben wir seine Triumphe, aber auch Irrtümer zwischen Politik und Kunst noch einmal neu. Am Ende seines Lebens verliert er die Macht über sein Orchester, die Berliner Philharmoniker. Elias Canetti schreibt über den Dirigenten, dass für ihn „während der Aufführung die Welt aus nichts anderem bestehen soll als aus dem Werk“ und der Maestro genauso lange der Herrscher dieser Welt ist.
Wien
Burgtheater
Der Schein trügt
von Thomas Bernhard
Premiere: 3. Januar 2009
Bernhards burleskes Künstlerdrama wird von Nicolas Brieger in Szene gesetzt. Im Zentrum des Stücks stehen die Halbbrüder Karl, der gealterte Artist, und Robert, der gealterte Schauspieler. Sie bilanzieren jeden Dienstag und Donnerstag: Was ist Kunst? Was ist Artistik? Ein zum Ritual erhobenes, leichtes Spiel der Nichtigkeiten, der Selbsttäuschungen, der Missverständnisse, der quälenden Nähe, der zwischenmenschlichen Gemeinheiten, der Vorhaltungen und Selbstvorwürfe: „Wie ich diese Dienstage hasse / Noch mehr hasse ich die Donnerstage.“
Das Leben ein Traum
von Pedro Calderón de la Barca,
Premiere: im Februar 2009
Calderóns 1635 uraufgeführtes Epochendrama speist sich aus zahlreichen Quellen der christlichen und orientalischen Tradition, unter anderem aus einem Märchen aus 1001 Nacht, das im Mittelalter um die christliche Dimension der Nichtigkeit alles Irdischen erweitert wurde. Im Kern wird eine brutale Geschichte erzählt. Das Leben ein Traum? Eher ein Albtraum. Das barocke Spiel um Schein und Sein, Schicksal und Vorbestimmung, Macht und Verführbarkeit wird von Karin Beier (Nestroy-Preis 2006 für die beste Regie von Maxim Gorkis Die Kleinbürger im Akademietheater) inszeniert.
Trilogie des Wiedersehens
von Botho Strauß, Premiere: im März 2009
Mit diesem satirisch-provozierenden Abbild von Kunst- und Lebensverweigerung hatte sich Botho Strauß in den revolutionsnostalgischen 70er-Jahren endgültig international als Dramatiker durchgesetzt. Nun entdeckt Regisseur Stefan Bachmann das Kunstbetriebsstück über eine Adabeigesellschaft in einer Zeit wieder, die sich an so etwas wie Rebellion nicht einmal mehr zu erinnern scheint.
Symmetrien des Abschieds
von Carmen Brucic, Premiere: im März 2009
Carmen Brucic konzipiert eine Art „Abschiedskongress“: In der performativ-interaktiven Reise durch die Welt der Trennungen und Verluste wird etwa Abschied genommen vom Handy, vom Rauchen, von der Pubertät, vom Arbeitsplatz, vom Partner, vom Leben und von der Kunst. Tröstlich: Darin enthalten ist immer auch die spielerische Suche nach dem Neubeginn, dem Aufbruch, dem Selbst.
Kasino
Die Glocken von Innsbruck läuten den Sommer ein
von Ruedi Häusermann/Händl Klaus,
Premiere: im Januar 2009
Bei dieser Uraufführung begegnen einander zwei Künstler, die seit Jahren in ihren Arbeiten die Räume der Unschärfe und der Übergänge erforschen: der vielfach preisgekrönte Dramatiker, Librettist und Prosaautor Händl Klaus und der Komponist, Musiker und Regisseur Ruedi Häusermann. Letzterer hat Ersteren zu diesem Zusammentreffen eingeladen; beide setzen damit ihre Arbeit am Burgtheater fort, finden jedoch das erste Mal hier zusammen.
Vestibül
explodiert
von Andreas Liebmann,
Regie: Cornelia Rainer,
Premiere: 25. Januar 2009
Familiengeschichte, surrealistischer Krimi, Groteske: Andreas Liebmanns explodiert, eine Uraufführung, überschreitet übermütig und humorvoll die Grenzen des Realen und erzählt gleichzeitig mit großer Nüchternheit von der Auflösung einer Familie und den lauernden Depressionen ganz normaler Leben.
Akademietheater
Macbeth
von William Shakespeare,
Premiere: 19. Dezember 2008
„Ich bin einmal so tief in Blut gestiegen, dass, wollt ich nun im Waten stillesteh’n, Rückkehr so schwierig wär, als durchzugehen“ (Macbeth). Stefan Kimmig, der sich mit den Rosenkriegen als erstklassiger Shakespeare-Deuter empfohlen hat, inszeniert den mörderischen Abschluss des in der Direktion von Klaus Bachler initiierten Shakespeare-Zyklus. Als tyrannischer Macbeth steht Dietmar König auf der Bühne, die ehrgeizige Lady Macbeth wird von Birgit Minichmayr verkörpert.
Theater in der Josefstadt
Die Wirtin
von Peter Turrini nach Carlo Goldoni,
Premiere: 29. Januar 2009
„Wer die Macht hat, hat die Möglichkeit. Kurz: Mein Stück zeigt den Zusammenhang zwischen Liebe und Ökonomie“, sagt Peter Turrini über sein Stück rund um eine emanzipierte Wirtin. Die Inszenierung obliegt Janusz Kica, auf der Bühne stehen unter anderen Sandra Cervik (als Wirtin Mirandolina), Xaver Hutter, Ulrich Reinthaller, Fritz Muliar und Florian Teichtmeister.
Aus dem Leben der Marionetten
von Ingmar Bergman, Regie: Philip Tiedemann, Premiere: 5. März 2009
Ingmar Bergman, der große Psychologe des europäischen Kinos, erzählt mit seinem 1980 verfilmten Stoff die Geschichte eines Mordes inmitten der bürgerlichen Gesellschaft und stößt in ihren Mechanismen auf eine quälend-schwelende Mixtur aus Einsamkeit, Lebensüberdruss, Ängsten und albtraumhaften Fantasien. Alle Figuren spüren intelligent und beredt ihrem Unglück hinterher, alle sehnen sich nach wahrhaftiger Nähe, nach einem Ausbruch aus dem Gewohnten. Doch die Schmerzen, die Explosion, die Katastrophe sind nicht weit entfernt.
Der Talisman
von Johann Nestroy, Premiere: 21. Mai 2009
Michael Gampe führt Regie bei diesem vor 168 Jahren geschaffenen Lehrstück über Vorurteile und Ausgrenzung, Karrierestreben und Überbewertung von Äußerlichkeiten – eine der reizvollsten und aktuellsten Nestroy-Satiren. Unter den Darsteller(inne)n finden sich Florian Teichtmeister, Gerti Drassl, Marianne Nentwich, Eva Mayer und Otto Schenk.
Kammerspiele
Butterbrot
von Gabriel Barylli,
Premiere: 15. Januar 2009
Martin, Peter und Stefan verbindet eine „richtige“ Männerfreundschaft. Gemeinsam sind ihnen die Ratlosigkeit und die Enttäuschungen, die sie auf der Suche nach einer Möglichkeit des Zusammenlebens zwischen Mann und Frau erfah-ren haben. Autor Gabriel Barylli selbst inszeniert sein Erfolgsstück, es spielen Michael Dangl, Alfons Haider und Martin Zauner.
Eine etwas sonderbare Dame
von John Patrick, Regie: Wolf-Dietrich Sprenger, Premiere: 19. März 2009
In eine psychiatrische Privatklinik in der Nähe von New York wird Mistress Ethel Savage (Elfriede Ott), eine der reichsten Witwen Amerikas und seit Kurzem dank ihrer drei Stiefkinder entmündigt, eingeliefert. Zu dumm nur, dass Ethel 100 Millionen Dollar an einem Ort versteckt hat, den nur sie allein kennt.
Gut gegen Nordwind
von Daniel Glattauer,
Premiere: 7. Mai 2009
Die von Glattauer selbst erarbeitete Bühnenfassung seines Erfolgsromans kreist um Kommunikation im Internetzeitalter: Ein einziger falscher Buchstabe lässt Emmi Rothners E-Mail irrtümlich bei Leo Leike landen. Leike antwortet, und es beginnt eine nette Plauderei zwischen den beiden. Mit jeder weiteren E-Mail kommen Emmi und Leo einander näher … Kann das Liebe sein?
Volkstheater
Die Reifeprüfung
von Terry Johnson (Bühnenfassung),
Premiere: 6. Februar 2009
1967 wurde die Verfilmung von Mike Nichols mit Dustin Hoffman (als 20-jährigem Ben) und Anne Bancroft (als verführerischer Ehefrau Mistress Robinson) zu einem Schlüsselwerk des Kinos der 60er-Jahre. Felix Prader inszeniert als österreichische Erstaufführung (mit Susa Meyer als Mistress Robinson) nun die Bühnenversion, die im Jahr 2000 am Londoner Gielgud Theatre mit Jerry Hall erfolgreich uraufgeführt wurde.
Drei Schwestern
von Anton Tschechow,
Premiere: 27. Februar 2009
Tschechow schuf mit diesem kammermusikalisch komponierten Stück über das Vergehen der Zeit und der Hoffnungen genaue Seelenporträts: Die Schwestern Olga, Mascha und Irina – aufgewachsen in Moskau – leben seit über zehn Jahren in der Provinz, wo ihr verstorbener Vater ein Regiment übernommen hatte. „Moskau“ bleibt ein Synonym für die Sehnsüchte der drei Schwestern nach einem anderen Leben.
Im Zeichen der Kunst – The Pitmen Painters
von Lee Hall, Premiere: 30. April 2009
1934 besucht eine Gruppe von Bergleuten Abendkurse für Kunstgeschichte. In der Folge beginnen sie selbst zu malen und werden erfolgreiche Künstler. Sie sind befreundet mit der Avantgarde ihrer Zeit, herausragende Sammlungen kaufen ihre Werke an – und jeden Tag, so wie immer, fahren sie in die Grube. Eine wahre Geschichte, die von Max Roberts als deutschsprachige Erstaufführung auf die Bühne gebracht wird.
Volkstheater in den Außenbezirken
Der Bär & Der Heiratsantrag
von Anton Tschechow,
Premiere: 21. Januar 2009
Silvia Armbruster inszeniert die beiden Stücke, die wie alle der tschechowschen Einakter zu den komischsten Bühnenwerken der russischen Literatur zählen – sie bestechen durch Humor und Schärfe und gewähren Einblicke auch in die dunklen Seiten der russischen Seele.
California Suite
von Neil Simon, Regie: Doris Weiner,
Premiere: 11. März 2009
In der Suite 203 im Beverly Hills Hotel in Los Angeles treffen die unterschiedlichsten Menschen aufeinander: die smarte New Yorker Journalistin, die mit ihrem Gatten um das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter streitet; der biedere Ehemann, der eine betrunkene Blondine in seinem Hotelbett findet; die für den Oscar nominierte Schauspielerin und die beiden befreundeten Ehepaare, die einander nicht mehr ertragen.
Here We Are! The Andrew Sisters
von Andy Hallwaxx, Premiere: 29. April 2009
Die Andrew Sisters brachten es zwischen 1938 und 1951 auf über 100 Charts-Hits wie „Bei mir bist du schön“, „Boogie Woogie Bugle Boy“ und „Rum And Coca-Cola“. In dieser Uraufführung, die von Autor Andy Hallwaxx auch inszeniert wird, erfahren wir: In der Küche der Mutter lernten die Andrew Sisters alles über das Leben, die Musik und das Kochen. Und genau dort treffen wir sie nun zum perfekten „Promidinner“ wieder.
Schwarzweißer Salon
Bagdad brennt
von Riverbend/John von Düffel,
Premiere: 22. Januar 2009
Im August 2003 beginnt eine 24-jährige Irakerin, unter dem Pseudonym Riverbend in einem Internetblog von ihrem Leben in Bagdad unter der amerikanischen Besatzung zu berichten. John und Peter von Düffel richteten den bemerkenswerten Augenzeugenbericht für die Bühne ein. Das Volkstheater präsentiert in seinem Schwarzweißen Salon (wo spannende junge Autoren und Regisseure zu Wort kommen) dieses eindringliche und politisch brisante Zeugnis über ein Zuhause, das zur Kampfzone wurde, nur zwei Tage nach der Angelobung des neuen amerikanischen Präsidenten zum ersten Mal in Österreich.
Schauspielhaus Wien
Diesseits des Lustprinzips: Freud und die Folgen (10)
Premiere: 10. Januar 2009
Nach dem großen Erfolg von Die Strudlhofstiege in der letzten Spielzeit setzt das Schauspielhaus das Regieprojekt in dieser Saison fort: Sigmund Freuds Leben und Werk gehen in Serie. Jede Woche werden sich in der Schneiderei nacheinander 10 Regisseurinnen und Regisseure mit dem berühmtesten Anrainer des 9. Bezirks beschäftigen. Spielstätte: Schneiderei.
Der Tag des Opritschniks
nach dem gleichnamigen Roman von
Vladimir Sorokin, Premiere: 23. Januar 2009
Sorokin schuf eine grimmige Satire, die von Kai Ohrem als Uraufführung auf die Bühne gebracht wird: Im Jahr 2027 hat sich Russland vom Westen abgeschottet, ist technisch zwar auf dem neuesten Stand, gesellschaftlich aber in die dunkle Zeit Iwans des Schrecklichen zurückgefallen und wird vom „Gossudar“, einem absoluten Alleinherrscher, regiert. Seine Macht übt er mithilfe einer korrupten Schar
von „Auserwählten“ – den „Opritschniks“ – aus.
Herr mit Sonnenbrille
von Gerhild Steinbuch,
Premiere: 5. Februar 2009
„Es geht also um eine Wut, für die man eine Sprache sucht, weil Sprache das einzig wirksame Mittel wäre, sie aus sich rauszukriegen, diese Wut, eine eigene Sprache, die hernach aufgeladen wird, um zu schießen, schießen, schießen, bis sonst nichts mehr übrig ist“, sagt Gerhild Steinbuch über ihr Stück. Die Uraufführung wird Sebastian Schug inszenieren.
faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete
von Ewald Palmetshofer,
Premiere: 26. März 2009
Über sein neues Stück, dessen Uraufführung Felicitas Brucker in Szene setzt, meint Ewald Palmetshofer unter anderem: „Wenn das vergangene Jahrhundert das der Raserei nach dem Totalen war, so rasen wir noch immer, ohne Politik und schön privat, von einem Produkt zum nächsten, bis nur noch eines zu konsumieren bleibt: der Nebenmensch.“
Ein Schwejk-Projekt in sieben Bildern
von Dusˇan David Parizek,
Premiere: im Mai 2009
Parizeks Projekt, eine Zusammenarbeit mit dem Prager Kammertheater, bietet einen Abstecher in die jüngere tschechische Geschichte – es soll nicht nur eine Entmythologisierung des legendären Soldaten Schwejk leisten, sondern stellt auch die Frage nach der Bedeutung historischer Stoffe in der Gegenwart.
Triptychon – ein Josef-Winkler-Projekt
nach Josef Winkler, Premiere: im Mai 2009
In dieser Uraufführung treffen die Sprachbilder des österreichischen Dichters Josef Winkler auf die bildhafte Theatersprache des italienischen Regisseurs Antonio Latella. Zu erleben sind ein Schriftsteller, ein Transvestit und ein Priester – so unterschiedlich und doch einem Geist entsprungen. Sie verkörpern die drei Kreuze, die Winkler zu tragen hat, die drei roten Fäden, die sein literarisches Werk durchziehen: das Schreiben, die Homoerotik und die römisch-katholische Kirche.
Theater Drachengasse
Der Zuschließer
von Ronald Pohl, Regie: Stephan Bruckmeier, Premiere: 12. Januar 2009
Am Anfang war das Wort, heißt es. Und so könnte diese Uraufführung auch untertitelt sein mit „ein Wortfilm von Ronald Pohl“. Pohls Sprache ist universal im Sinn von Universen schaffen. Sie ist wollüstig, breit, surrealistisch, musikalisch, intensiv, erfinderisch, bildhaft, kämpferisch, sensibel, wild, modern, zeitlos, üppig, unaufhörlich. Sie benötigt nichts als einen Mund und ein Ohr. Und schon entsteht in dieser Spanne das ganze große Kino einer Welt.
Libera me
von Joshua Sobol, Premiere: 19. Januar 2009
Jede Nacht dieselben hohlen Talkshows, ein leeres verwildertes Haus und Enkelkinder, die sich vor dem Tod in seinen Augen fürchten. So beschließt der Vater, sich dem unausweichlichen Tod in Ruhe hinzugeben, doch der Sohn erträgt diese Entscheidung nicht und versucht, ihn mit aller Gewalt daran zu hindern. Günther Treptow inszeniert diese deutschsprachige Erstaufführung von Erfolgsdramatiker Sobol (Alma – A Showbiz ans Ende).
Der Mann des Zufalls
von Yasmina Reza, Regie: Peter Kaizar,
Premiere: 9. Februar 2009
Ein Mann, Schriftsteller, und eine Frau, seine ambitionierte Leserin. Ein Zugabteil. Die beiden sprechen nicht miteinander. Aber ihre Neigungen, Träume, Sehnsüchte und Verzweiflungen kreisen um den anderen, der unerreichbar bleiben soll. Zwei miteinander spielende, ebenso komische wie todtraurige Monologe münden in einen Dialog der Hoffnung, erfüllt von der Sehnsucht nach dem, was sich nicht abspielt.
Lieblingsmenschen
von Laura de Weck, Premiere: 16. März 2009
Margit Mezgolich inszeniert Laura de Wecks Stück um fünf Studenten. Diese quatschen sich durch Prüfungsängste, abgestürzte Laptops und Sexverstrickungen, navigieren sich per SMS durch abgefahrene Partys, romantikfreie Nächte und kommunikationslose Wohngemeinschaften und meinen am Ende: „Öhm. Schon gut. Macht Spaß.“
The English Lovers present:
The Road Not Taken
Premiere: 23. März 2009
1997 traten The English Lovers erstmals im Theater Drachengasse in Erscheinung. Seit damals zählt die Truppe mit ihren Impros und Sketches zu den beliebtesten Gästen der Bühne. Ihre neue Show kreist um die Frage, wie das Leben wohl weitergegangen wäre, wenn man andere Entscheidungen getroffen hätte.
Rum und Wodka
von Conor McPherson,
Premiere: 16. April 2009
Der namenlose Protagonist und seine Eckdaten, wie wir sie in Holger Schobers Inszenierung erleben werden: 24 Jahre alt, zwei Kinder, eine Ehefrau, null Liebe. Auf den One-Night-Stand folgt die Hochzeit, dann kommen die Kinder, dann der tödlich langweilige Job. Das Leben ist vorbei, bevor es richtig angefangen hat. Das Glas ist natürlich immer halb leer. Eines Tages wirft er seinen Computer aus dem Fenster und den Job hin. Was folgt, ist ein typisch irisches Wochenende: Frauen, Songs, Fußball und jede Menge Whiskey.
Genannt Gospodin
von Philipp Löhle, Premiere: 18. Mai 2009
Gospodin hat ein Dogma: Geld darf zum Leben nicht nötig sein. Doch als er eine Tasche voll Kohle in seiner Wohnung findet, erlebt er das kapitalistische System in so manch neuer Facette. Österreichische Erstaufführung, in Szene gesetzt von Katrin Schurich.
Vienna’s English Theatre
Soirée Romantique
Premiere: 8. Januar 2009
Ein Abend mit den schönsten Gedichten der französischen Romantik, vorgetragen von Mijou Kovacs und begleitet auf dem Klavier von Luca Monti. Der erste Teil beschäftigt sich mit George Sand und Chopin, der zweite Teil bringt Lyrik von Villon bis Verlaine. Auf Französisch.
The Price
von Arthur Miller, Premiere: 26. Januar 2009
Millers Drama kreist um zwei Brüder – einen Polizisten und einen berühmten Arzt –, die nach 16 Jahren aufeinandertreffen, weil ihr Elternhaus abgerissen und der übrig gebliebene Hausstand verkauft werden soll. Nun werden die beiden gezwungen, ihren bisherigen Lebensweg unter die Lupe zu nehmen. Und auch den Preis, den jeder dafür zu bezahlen hatte.
The Second City – Comedy Club Chicago
Premiere: 9. März 2009
Amerikas berühmteste Comedytruppe, der Second City Comedy Club aus Chicago, kehrt mit einem neuen Programm zu den Wiener Fans zurück und präsentiert im diesjährigen „Best of“ witzige Sketches zu Politik, Medien und Entertainment.
I do! I do!
von Tom Jones und Harvey Schmid,
Premiere: 30. März 2009
Der Klassiker des US-Musicals ist eine musikalische Reise durch 50 Jahre Ehe von Agnes und Michael Snow. In Solosongs, Duetten und schlagfertigen Dialogen wird von den Höhen und Tiefen des langjährigen Zusammenlebens erzählt – Zufriedenheit und Frust, Euphorie und Ehemüdigkeit sowie Turbulenzen und Langeweile wechseln einander ab.
Out of Order
von Ray Cooney, Premiere: 25. Mai 2009
1990 in London uraufgeführt, wurde das Stück im folgenden Jahr mit dem Olivier Award zur besten englischen Komödie gekürt. In seinem Zentrum steht Richard Willey, Minister einer konservativen Regierungspartei, der eine Sekretärin der Opposition verführen möchte. Bei sei-
nen halsbrecherischen Versuchen, den schließlich doch nicht zustande gekommenen Seitensprung zu verbergen, geraten die Dinge in dieser irrwitzigen Komödie völlig außer Kontrolle.
Niederösterreich
Landestheater Niederösterreich
Großes Haus
Gretchens Faust
von Johann Wolfgang von Goethe,
Premiere: 22. Januar 2009
Die Inszenierung von Martin Wuttke kommt als Gastspiel des Berliner Ensembles nach Sankt Pölten. „Martin Wuttke fällt mit seinen Gehilfinnen wie ein Kobold über Goethes Dichtung her … Schwarz gekleidet, mit blonder Perücke tobt Wuttke durch den Text und hat seine Freude dran. Selbstverständlich spielt er sie alle, Faust, Mephisto, Wagner oder Frau Marthe, turnt neben und auf der Tafel, senkt die Stimme, lässt sie hochschnellen, hat hellen Spaß an allem, was der Goethe da hingeschrieben und sich ausgedacht hat“, meinte der Tagesspiegel dazu.
Der Gott des Gemetzels
von Yasmina Reza,
Premiere: 13. Februar 2009
Mit diabolischem Humor spießt Yasmina Reza hier die bürgerliche Gesellschaft auf und legt auf unterhaltsamste Weise die Abgründe unter der dünnen Schicht von Kultiviertheit offen. Gerhard Stadelmaier, Theaterkritiker der FAZ: „Um es in drei Worten zu sagen: ein geniales Stück. Ein einfaches Stück. Zwei Damen, zwei Herren, eine Dekoration. Aber tausend Pointen.“ Gastspiel des Schauspielhauses Bochum.
Die Ortlieb’schen Frauen
nach dem Roman von Franz Nabl,
Premiere: 12. März 2009
Franz Nabls beklemmendes Psychogramm einer nach außen unauffällig erscheinenden Durchschnittsfamilie wird von Isabella Suppanz unter anderem mit Gundula Rapsch inszeniert: Nach dem Tod des Inspektors Ortlieb zieht sich die Witwe gemeinsam mit ihren Töchtern Josefine und Anna und dem mit einem Klumpfuß geborenen Sohn Walter immer mehr in eine selbst gewählte Isolation zurück, aus der es für keines der Kinder ein Entrinnen gibt.
Eine neue Produktion von René Pollesch
Premiere: 8. Mai 2009
Nach dem erfolgreichen Gastspiel von L’affaire Martin! etc. wird eine mit Spannung für April 2009 an der Volksbühne Berlin geplante Uraufführung von René Pollesch nur wenige Wochen später ebenfalls am Landestheater Niederösterreich zu sehen sein.
Theaterwerkstatt
Ein Teil der Gans
von Martin Heckmanns, Regie: Hans-Peter Kellner, Premiere: 24. Januar 2009,
österreichische Erstaufführung
Der mehrfach preisgekrönte deutsche Dramatiker Martin Heckmanns entwarf hier eine rasante Komödie über Lügen und Intrigen, die einem bitterbösen Ende zusteuert. Die Handlung kreist um Bettina, die zum Abendessen Amin und dessen Freundin eingeladen hat. Von Amin erhofft sie sich einen Job als Empfangsdame in dessen Hotel. Als ein merkwürdiger Fremder vor der Tür steht und um Hilfe bittet, da sein Auto eine Panne habe, will sich Bettina den Abend nicht durch die Anwesenheit eines ungebetenen Gasts verderben lassen – sie besteht darauf, dass dieser trotz der Kälte im Freien auf den Mechaniker wartet.
Autobahn
von Neil LaBute, Regie: Antje Hochholdinger, Premiere: 21. Februar 2009
Sieben Szenen, sieben Situationen: Menschen im Auto. Im Dahinziehen von Gedanken und Landschaften entblättern sich sieben Begegnungen, in denen Komik und Tragik ineinandergreifen. Autor Neil LaBute: „Ich erinnere mich, wie ich – im Auto sitzend – verstanden habe, was ein Drama ist. Dafür haben mein Vater und meine Mutter hinreichend gesorgt. Auf dem Rücksitz unseres Sedans wurde mir schnell klar, wie tief die Kluft im Innern eines gewöhnlichen Familienwagens sein kann.“
Abflug
von Thomas Richter, Premiere: 25. April 2009
Richters musikalische Farce kreist um die Themen Weltflucht, Alltagsmüdigkeit und Sehnsucht nach Veränderung. Schauplatz ist ein kleiner Flughafen irgendwo am anderen Ende der Welt. Touristen warten dort auf ihren Heimflug, der von Stunde zu Stunde verschoben wird. In der geteilten Frustration über das unschöne Ende ihres Urlaubs kommen die doch sehr unterschiedlichen Reisenden einander näher und entdecken eine Gemeinsamkeit: den dringlichen Wunsch, nicht mehr in den Alltag zurückkehren zu müssen. Die Inszenierung übernimmt Autor Richter selbst.
Kindertheater
Aladdin
Nach den Märchen aus 1001 Nacht von Clemens Handler und Gernot Kogler, Regie: Clemens Handler, Premiere: 27. März 2009
Der junge Aladdin lebt mit seiner Mutter im märchenhaften Agrabah, einer prächtigen Stadt des Orients. Das bunte Treiben auf dem Basar, die Händler mit ihren Waren aus aller Herren Ländern, die Teppiche, die wertvollen Stoffe: All das hat für den Jungen eine große Anziehungskraft und lockt ihn immer wieder von zu Hause fort. Eines Tages trifft er den finsteren Zauberer Dschafar, der ihn beauftragt, eine besondere Öllampe aus einer Höhle zu holen …
In einer Zeit, da die öffentlichen Mittel der Kunstfinanzierung immer mehr gekürzt, ja für einzelne Institutionen ganz gestrichen werden, ist nicht nur der Staat gefordert, die „zeitgenössische Kunst, ihre geistigen Wandlungen und ihre Vielfalt im Geiste von Freiheit und Toleranz“ zu fördern. Immer mehr autonome Strukturen, auch Ableger der großen öffentlichen oder privaten Institutionen, kommen der Aufgabe nach.
Die Situation der Nachwuchsautoren für das Theater in Österreich hat in den letzten Jahren allen drohenden oder reellen Streichungen zum Trotz eine substanzielle Verbesserung der Subventionierung – sei es im finanziellen oder ideellen Sinn – erfahren. Viele der jungen Dramatiker haben ihr Handwerk in der Grazer Dramawerkstatt uniT gelernt, die schon beachtliche Erfolge verzeichnen konnte. Geschützte Werkstätten wie text an text des Schauspielhauses Wien, die Werkstatttage am Kasino im Burgtheater oder die Wiener Wortstaetten bieten den jungen Talenten die Chance, sich im Blickfeld und im Dialog mit anderen Auto-
ren zu messen, zu entwickeln und zu befruchten, avantgardistische Foren wie brut bieten willkommene Experimentierfelder außerhalb der vorgefertigten Produktionsrahmen und fixen Strukturen. Viele der Dramatikertalente haben die dreißig noch kaum überschritten und bereits eine Vielzahl an Literaturpreisen und Stipendien erhalten, die das ökonomische Überleben, wenn schon nicht sichern, so doch um einiges erleichtern.
Stückewettbewerbe, Autorenlesungen und Theaterwerkstätten sind eine Chance, aber auch die Gefahr, vorzeitig auf eine Rolle festgelegt zu werden. Welche ästhetischen, welche ideologischen Positionen nehmen sie ein? Sind sie revolutionär oder konservativ? Gibt es durchgängige Leitmotive? Was bedeutet Theater heute, welche substanziellen Ansätze oder Entwürfe sind noch möglich, jetzt, da alles schon gesagt, vieles schon geschrieben, einiges bereits wiederholt worden ist?
Was und worüber kann man schreiben, was soll man sagen, wie darf man erzählen? Als gemeinsamer Nenner der Stücke kristallisieren sich drei immer wiederkehrende Aspekte heraus: die Schatten der Vergangenheit, die Suche nach Identität und die Schwierigkeit, sich in einer uniformisierten Gesellschaft und globalisierten Welt zu orientieren.
Ewald Palmetshofer, Gerhild Steinbuch, Volker Schmidt und Johannes Schrettle repräsentieren als mithin prominenteste Vertreter diese neue Autorengeneration im Aufbruch zwischen Anpassung und Avantgarde.
Gerhild Steinbuch
Was sie am Theater in Atem hält, ist die Entwicklungsvielfalt der Möglichkeiten, „weil es nie fertig ist“. Als Kind schon fiel Gerhild Steinbuch durch sowohl inhaltlich wie sprachlich außergewöhnliche Texte auf, besuchte bereits mit elf Jah-
ren die Literaturjugendwerkstatt. Danach ging es in die Grazer Dramatikerwerkstätte uniT für szenisches Schreiben, wo etwa Thomas Ostermeier und Marius von Mayenburg unterrichteten; sie war gerade mal 19, da hatte sie schon angefangen, ein eigenes Stück zu entwickeln, und endlich Theaterluft geschnuppert. Ihr erstes Stück, kopftot, eine Inzestgeschichte zwischen Vater und Tochter mit einer sehr lyrischen Sprache, verschaffte ihr bereits mit 20 den Durchbruch. Sie gewann da-mit den Stückewettbewerb der Berliner Schaubühne und wurde bald darauf von Rowohlt unter Vertrag genommen. Ihr viertes Stück, Verschwinden oder die Nacht wird abgeschafft, eine Referenz auf den klassischen Antigone-Mythos, war ein Auftragswerk des steirischen herbsts. Dieses Jahr erhielt sie für ihr Stück Menschen in Kindergrößen, das aus Motiven des klassischen Märchens die tragischen Ereignisse der Gegenwart beleuchtet, den mit 3000 Euro dotierten Autorenpreis der Deutsch-Französischen Tage in Karlsruhe. Ausschlaggebende Kriterien waren für die Jury neben der Theatralität des Manuskripts seine Fähigkeit, „die Feuerprobe der Bühne und der Inszenierung zu bestehen“, und ein Stück zu prämieren, „das Theater als Institution befragt und reflektiert“.
Die junge, bereits vielfach ausgezeichnete Dramatikerin las schon als Kind viel – „Ich habe sehr früh damit begonnen, wollte schon immer etwas mit Sprache machen“ –, zunächst Prosa, danach Strindberg, Büchner; weiteres Dramafutter waren Martin Heckmans, Sarah Kane und, natürlich, Elfriede Jelinek: „Was sie macht, hat Konsequenz und Geradlinigkeit.“ Strindberg fühle sich, weil nicht so vorhersehbar, „dunkel, fast feucht an – es lebt“; Rainald Goetz beeindruckt sie durch eine „so starke Sprache, dass es fast schon die Form kaputtreißt“, und last, but not least Werner Schwab. Ihre eigene Sprache ist ebenso eigenständig: poetisch, eindringlich und gleichzeitig experimentell und kein Satz ohne Bedeutung.
In der Spielsaison 2008/09 ist die 1983 in Mödling geborene Gerhild Steinbuch Hausautorin am Wiener Schauspielhaus, wo sie ihre innovative Sprachgewalt zu Papier und ans Publikum bringen kann. Sie habe sich Leute gesucht, mit denen sie arbeiten will und kann, „aber es gab damals in Österreich keine Möglichkeiten, das zu vertiefen“. Jetzt kann sie das am Schauspielhaus in Wien „gemeinsam mit den Schauspielern weiterentwickeln, was etwa wie bei Verschwinden oder die Nacht wird abgeschafft toll geklappt hat. Man kann sich gegenseitig immer wieder beeinflussen und Dinge kritisieren und verbessern.“ Im Zuge ihrer Hausautorenschaft wird ihr neuestes Stück, Herr mit Sonnenbrille, aufgeführt.
Das nunmehrige Jusstudium fungiert als Exitstrategie: „Mit dem Auftragsgeld für mein erstes Stück wäre ich ein halbes Jahr ausgekommen.“ Die Situation hat sich grundlegend gewandelt: Die erst 25-jährige Steinbuch ist nunmehr eine international beachtete Dramatikerin, ihre Stücke sind gefragt: „Bis jetzt geht’s ganz gut, dass die immer jemanden haben möchten.“ Und ihr Verlag – Rowohlt in Hamburg – kümmere sich „sehr gut“ um sie. Wie schätzt sie die Situation des zeitgenössischen Theaters, die Unterstützung junger Autorenkollegen ein? „Gott sei Dank gibt es nun seit einigen Jahren alternative Werkstätten wie das brut oder auch Institutionen wie das Schauspielhaus, die junges Theater fördern, was für die Szene wichtig ist, damit sie lebendig bleibt; das sind Werkstätten, die auf ganz unterschiedliche Weise auf junge Leute setzen – es gibt sehr spannende Konstellationen.“
Ist ihre Präferenz Prosa oder Theater? Sie will beides: Das eine bereichere das andere; „es befruchtet sich gegenseitig“. Mit ihrer Sprache macht sie die innersten Vorgänge ihrer Figuren sicht- und erfahrbar: „Die Sprache ist immer zuerst da“, danach entstehe dann der „Film“ im Kopf, „und dem schreibe ich hinterher“. Die Themen, die sie als eines der pronociertesten Talente der jüngsten Autorengeneration beschäftigen, treten „in meinen Stücken in Variationen immer wieder auf – aber an einem solchen Thema arbeitet man sich ja auch ab“. Jenes der Macht etwa: „Die meisten Beziehungen funktionieren ja so, dass immer einer der beiden über mehr Macht verfügt.“ Steinbuch glaubt nicht an die gelebte gleichberechtigte Beziehung auf Dauer, generell nicht und auch nicht an jene zwischen Mann und Frau: „Weil immer einer der Stärkere ist und diese Macht ausnutzt.“
Wie findet sie ihre Themen? Gerhild Steinbuch sammelt: Gehörtes, Gesehenes, Beobachtetes, Erzähltes, Zufallsbegebenheiten, „das alles stopfe ich in meinen persönlichen Zettelkasten“. Eine Überschneidung beginnt zu existieren. „Manchmal sieht man auch etwas und kriegt eine Wut.“ Die Themenführung mündet in die Ideenentwicklung: „Das ergibt sich von Stück zu Stück und passiert Schritt für Schritt, sodass es, hoffentlich, immer mehr in die Tiefe und Breite geht.“
„Ich mag Theater, das sich nicht nur aus persönlichen Erfahrungen speist, sondern aus dem persönlichen an einen größeren Kosmos anknüpft.“ Problematisch findet sie dagegen, wenn „nur das Ich verhandelt wird“, sowie „klein gehaltene Frauenrollen“. Sie selbst versuche dezidiert, das Schwarzweiß zu vermeiden, die reine „Täter-Opfer“-Zeichnung sei eine zu einseitige Sichtweise. „Wenn man das konsequent macht, erzählt man etwas anderes – das ist mein Weg.“ Wenn man versuche, etwas abzubilden, dann sollte man auch die Kehrseiten zeigen, die Realität eben so, wie sie ist: „Ich finde, dass man die Schattenseiten nicht ohne das Schöne zeigen kann, eine Person nicht ohne ihre Sehnsucht nach Liebe und ihre Liebesfähigkeit; nicht nur den gebrochenen Menschen, sondern den Weg davor. Da, wo kein Kampf ist, laufen sich für mich die Figuren tot.“
Steinbuchs größtes Schreckgespenst aber ist wohl der Kitsch, „billige positive Emotionalität, ohne den Dingen auf den Grund zu gehen. Dort, wo man es sich einfach macht, entstehen Dinge, die einen nicht angreifen, nicht tangieren. Auch Schönes kann wehtun.“ Denn Theater soll vor allem eines: angreifen, anpacken. Gerhild Steinbuch arbeitet daran.
Ewald Palmetshofer
Texte mit Körpern vernähen, das ist die Antriebsfeder Ewald Palmetshofers, einer der großen Hoffnungen des österreichischen Gegenwartstheaters und des Hausautors am Wiener Schauspielhaus in der vergangenen Spielsaison 2007/08; das Begehren nach einer anderen Existenz der Rahmen, in denen seine Figuren verortet sind; der Wille einer Generation, an etwas teilzunehmen, mitzuwirken, es zu gestalten. Aber es stellt sich, wie etwa in hamlet ist tot. keine schwerkraft oder in wohnen. unter glas das Bewusstsein ein, „dass sie zu spät dran sind, um noch etwas zu verändern; eine Generation, die erkennen muss, dass hier nichts mehr zu holen, nicht mehr viel zu erwarten ist“, sinniert der Oberösterreicher nachdenklich. Der 30-Jährige verwandelt Philosophie in Theater, seine Stücke sind weder eindimensional zu deuten noch einfach zugänglich. Was ist aber nun Ursache, Antrieb, Motiv, Handlungsgrund, Grund seiner Figuren? In wohnen. unter glas ziehen die drei Protagonisten, die einst eine WG gebildet haben, die Bilanz ihrer verlustig gegangenen Ideale von einst. Ewald Palmetshofer verwahrt sich gegen den einseitigen Blickwinkel eines resignierten Fatalismus. „Es ist nicht nur eine Stagnation. Was man an den Figuren beziehungsweise Texten sieht, ist, dass es ein Begehren, einen Willen, durchaus einen Antrieb gibt. Zum Problem wird allerdings das Objekt dieses Wollens.“
Für einen präziseren Umriss des Gegenwärtigen sammelt Palmetshofer, dessen Fantasie sich an den theoretischen Exkursen der Philosophie und Theologie nährt – er nennt als Vorbild Jacques Lacan, den Philosophen des Begehrens als Mangel –, „Elemente, die für eine Befragung der Gegenwart relevant scheinen, die von Fraglichkeiten ausgehen“, die er thematisieren will. Dies zeige sich nicht nur im Sprechen der Figuren, sondern „in Konstellationen zwischen ihnen, der Antinomie von Lebenskonzepten“. Palmetshofers Konzeption des Theaters heute: Es gehe um Brüchigkeit, „aber nicht darum, Lösungen abendfüllend zu thematisieren; ich glaube, dass man die Befragung intensivieren muss“. Theater setzt für ihn einen Kontrapunkt zur uniformisierten Welt der Geschäfte da draußen, wo alles gnadenlos glattlaufen muss.
Der Text aber, das Denken benötigen „das Sprechen und die Körper von Schauspielern“. Weitere Ebenen erschließen sich dann wie von selbst. Seine Sprache – ein ständiges Oszillieren zwischen zwei Polen, zwei Tendenzen. „Zwischen Überschuss und Mangel. Einerseits rast das Denken, überbordendes Material, viel zu schnell für das Sprechen, eine Denkbewegung schneller als der Mund. Andererseits beginnen sie immer wieder neu, fangen noch vor dem Ende einer Sinneinheit wieder von vorn an.“ Man sucht das Innehalten, „um das Denken in seiner Rastlosigkeit kurz zu sich kommen zu lassen“. Wichtig seien aber „die Pole selber und nicht die Skala dazwischen“ – das Stück beziehe an diesen Seiten Stellung. Der Autor glaubt nicht mehr an die alte Form des Dialogs: Der Mensch „dieses jungen Jahrhunderts ist ein Mensch immer auf der Schwelle“. Man müsse die Arbeit leisten, aufeinander zuzugehen, für Palmetshofer ein Wagnis, eine fast unmögliche Begegnung – bevor sich der Sinn herstelle, merke man schon, dass man absinke und abwinke. „Wie der Frosch im Milchglas, der sich abstrampelt – aber keine Butter wird erzeugt.“
Sein Parcours hat sich bereits früh abgezeichnet: „Ich habe anfangs Kurzgeschichten geschrieben und gern selber vorgelesen und gemerkt, dass es eigentlich den Akt des Sprechens braucht, eine Stimme, einen Körper: Die Rezeption im Theater zwingt mich, diese am Körper festzumachen – im Vergleich zur Prosa als konzentriertem geistigem Vollzug, die das auf diese Weise nicht benötigt.“
Das Spannende am Theater sei, „dass es möglich ist, Sprechen und Körper-
lichkeit als Akt zu thematisieren“. Sei-
ne Hausautorenschaft in der Spielsaison 2007/08 am Wiener Schauspielhaus war eine wichtige Erfahrung: das Einbezogensein in den Probenprozess, die Arbeit mit der Regisseurin Felicitas Brucker – „Sie hat erfinden können, dass die Schauspieler wissen, wie man diesen Text nimmt. Sonst kommt man für gewöhnlich nur bei den Endproben herein. Das ist zu spät, um noch etwas anzubieten für die szenische Fassung.“ Das sei das Spannende daran – „so nah dran zu sein und etwas anbieten zu können, gegenseitig einwirken und eingreifen zu können; mit größerer Selbstverständlichkeit am Text zu arbeiten und sich gleichzeitig gegenseitig freizulassen, unterschiedliche Arbeitsfelder zu sehen, das Eingebundensein in einem Haus und die Nähe zum Haus zu erleben – um die Arbeit da hinzutreiben, wo man allein vielleicht gar nicht hingekommen wäre“. Am Schauspielhaus nimmt Ewald Palmetshofer als Gastdramaturg auch an Dramaturgiesitzungen teil – aufregend hier die Möglichkeit, „konzeptuell eine Stimme zu haben“. Aber: „Ich kann naturgemäß die Autorenposition nicht ausklammern.“
Zu seiner eigenen Anfangszeit „wäre es gar nicht denkbar gewesen“, überhaupt einen Fuß in eine der großen Theaterpforten zu bekommen. Da war das Gefühl vorherrschend, dass es zu schwierig sei, sich überhaupt in einer der vorhandenen, übermächtigen Institutionen zu positionieren, das Gefühl, „nicht zu genügen“. Damals habe es noch nicht viele Möglichkeiten gegeben, sich zu erproben und zu entfalten. Das sei heute anders. 1998 kam Palmetshofer im Zuge seines Studiums nach Wien – eine Entwicklung fängt mit dem Schreiben an: „Es hat schon so eine Faszination über das Spielen, eine Sehnsucht danach gegeben, eine Affinität war selbstverständlich da, ich habe quer durch die Bank viel gelesen“; im ländlichen Bereich, wo er aufgewachsen ist, war Theater jedoch kaum „sozial kodiert“. Sein „Trigger“-Erlebnis, eine Produktion des Festivals der Regionen, brachte ihn wiederum von Wien, wo er schon ansässig war, wieder aufs Land, nur um die Aufführung zu sehen, die ihn so beeindruckte. „Das heißt aber nicht, dass der erste Anstoß, ein Stück zu schreiben, fiel und dass dann der Ablauf linear war.“ Es war immer wieder mit Abweichungen verbunden. „Ich habe immer wieder von vorn angefangen.“
Heute steigt das Interesse an seinen eher hermeneutischen Stücken stetig: Der renommierte Fischer Verlag hat den nachdenklichen Provokateur unter Vertrag genommen; Palmetshofer denke klug und fordere das Theater auf eigene Weise heraus, betonte Andreas Beck die Innovationskraft seines Protegés, als er ihn für seine erste Saison am Schauspielhaus zum Hausautor ernannte.
Welches ist nun seine ganz eigene Anmutung an das Theater? „Ich hätte gern, dass Theater den Finger auf die Fraglichkeiten legt und unseren gewohnten Blick auf die Wirklichkeit bewegt. Es ist die Hoffnung, dass sich die Dinge nach dem Theaterbesuch nicht mehr so leicht an ihren ursprünglichen, gewohnten Platz stellen lassen.“
Volker Schmidt
Volker Schmidt ist Autor, Regisseur, Schauspieler. „Ich war auf der Suche nach Stücken, die ich inszenieren wollte, und das, was ich gefunden habe, hat mich nicht befriedigt; da habe ich mir gedacht: Warum nicht einfach selbst ein Stück schreiben?“ Vornehmlich Zeitgenössisches, weil „es mit unserer Zeit zu tun hat“ – sein jüngstes Stück, Mountainbiker, das in dieser Spielsaison in einer „schnellen, einfachen, starken“ Inszenierung von Alexander Charim am Wiener Schauspielhaus zu sehen ist, handelt von den Beziehungsdesastern übersättigter Wohlstandsbürger: „Um eine Wohlstandsgesellschaft geht es auf alle Fälle, aber in Relation zu den wirklichen Fragen des Menschen; die Hauptfigur Anna zerstört alles, was sie erlangt hat: Familie, gesellschaftliches Ansehen, Sicherheit. Weil sie merkt, dass ihr etwas fehlt; durch das wahl- und ziellose Zerstören versucht sie, draufzukommen, was es ist.“
„Die Schatten zerstören, um die Dinge, die dahinterliegen, freizulegen“, ist die Hauptidee, die dahintersteht und auf die er kam, „als ich die Sonntagsradfahrer in Perchtoldsdorf beobachtet habe, diese Ausrüstungsfetischisten bei ihren Ausreißversuchen aus dem bürgerlichen Speckgürtel der Stadt“. Das Stück wurde für den Heidelberger Stückemarkt nominiert, eines der bedeutendsten Foren für junge Theaterautoren. Beim Berliner Theatertreffen konnte sich der Text gegen 494 Stücke aus 30 europäischen Ländern durchsetzen.
Der gerade 30 Jahre alte Theaterautor, Regisseur und Schauspieler kann auf eine beachtliche Karriere zurückblicken. Zehn seiner Stücke wurden bereits realisiert – vom Linzer Theater Phönix bis zum Theater der Jugend in Wien. Regie führte er an den Vereinigten Bühnen Graz ebenso wie am Wiener Schauspielhaus oder in Kopenhagen. Als Schauspieler agierte er in der Josefstadt, am Landestheater Salzburg und am Volkstheater, auch im Film wie in Antels Bockerer III. Der vielseitige Theatermann hat sich auch an die Klassiker getraut. Für das Theater der Jugend erzählte er Homers Ilias nach sowie die Geschichte der Jugend von Richard III. als Ritchy 3, aus Shakespeares Sturm produzierte er ein Hip-Hop-Sprechtheater. Shakespeare – das ist einer seiner Orientierungspunkte, sagt Volker Schmidt. Von den neueren Autoren sprechen ihn Simon Stephens und bei osteuropäischen Autoren die Nähe von Tragik und Ironie an.
Zu schreiben begonnen hat der Umtriebige bald nach dem Ende seiner Schauspielausbildung am Konservatorium der Stadt Wien. Auf den ersten Erfolg musste er nicht lange warten. Bereits sein Debüt, Unter den Fischen, wurde 2003 mit dem ersten Preis für „das junge, radikale Volksstück“ des Theaters Phönix in Linz ausgezeichnet – vier junge Menschen unter der perfekt gestylten Fassade ihres Lebens auf der Suche nach Wahrhaftigkeit. Die Themen: Lebenslügen, Identitätskrisen – und Sinnfragen. Politische, kulturelle, philosophische Fragen – Theater ist für ihn ein weites gesellschaftliches Feld; vieles im Theater sei sehr eng eingegrenzt; er hingegen findet es wichtig, nicht nur Zustände abzubilden, welche die eigenen, persönlichen Lebensumstände betreffen. Er moniert scharf das Theater, das „keine Menschen und keine Schicksale mehr duldet, sondern sich selbstreferenziell damit begnügt, Kommentare zu liefern“. Für ihn selbst ist „die Sinnfrage sicher immer wieder ein Punkt, wobei ich nicht versuche, sie in meinen Stücken zu beantworten, aber zu umkreisen“: Dabei beschäftigen ihn ebenso wirtschaftspolitische Themen, „inwieweit Ethik und Kapitalismus kompatibel sind“, wie die gesellschaftlichen Deformationen, persönlichen Befindlichkeiten oder generellen Paradigmen unserer Gegenwart. Etwa der Rassismus, wovon sein Stück Schwarzweißlila, das 2007 den Berliner Preis für das beste Kindertheater erhielt, zwar auch und vordergründig handle, aber als Anhaltspunkt universalerer Tragweite: „Der Mensch will so gesehen werden, wie er ist, und nicht, wie die anderen ihn sehen – das zeigt, wie sehr wir von Bildern und durch die ganze Mediengesellschaft geprägt sind und den Blick verlieren, weil wir uns nur an Bildern orientieren“, die aber alles verfälschen, „weil sie nicht die Wahrheit abbilden, sondern selbst nur Projektionen sind“.
In Pflugversuche geht es um Gegensätze: zwischen Stadt und Land, Kunst und Natur. Wenn man sich „von allem Natürlichen verfremdet wie wir heute“, gewinne die Erkundung der Impulse, Sehnsüchte, Triebe des Menschen an Aktualität, die Frage nach der bestimmenden gesellschaftlichen Kraft. Für ihn heute unter anderem „der Kapitalismus, der Materialismus“. Sein Lebensmittelpunkt ist derzeit Berlin, wo er die Theaterszene abwechslungsreicher, inspirierender findet: „In Wien ist alles abgeschlossener, es fehlt der Mut. Ich war auf der Suche nach neuen Impulsen.“ Derzeit inszeniert er sein Stück Stormy Love inna Beatbox in Hannover neu. Er habe auf jeden Fall vor, weiterhin sein eigener Regisseur zu sein. Von einem „fremden“ Regisseur, der seine Stücke inszeniert, wünscht er sich, dieser möge mit ebenso viel Humor wie Ernsthaftigkeit an seine Figuren herangehen.
Das Theater ist für ihn der Ort, wo gesellschaftliche Phänomene verhandelt werden könnten, ein „Denklabor, wo man Fragen stellen und Leben entstehen lassen kann“. Auch zeitgenössische Stücke sollten sich „an die großen Fragen herantrauen, Inhalte auf die Bühne stellen“, sagte Schmidt in seiner Dankesrede anläss-lich der Verleihung des Nestroys für sein Schulprojekt komA – „neue Welten schaffen, Fragen stellen, die alle Menschen betreffen – und dies mit Nachhaltigkeit“.
Johannes Schrettle
Das Theater im Bahnhof Graz versteht sich als „zeitgenössisches Volkstheater zwischen Tradition und Pop“. Da fühlt sich der junge steirische Autor Johannes Schrettle, der mit dem schrägsten Ensemble Österreichs sein Stück über das vertrackte System von Arbeits- und Freizeit, Lisa D. auf Zeitausgleich, auf die Beine stellte, durchaus wohl. Zeitausgleich heiße, mit seinem Körper und seinen Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen, ihn mit Energien aufzuladen, um – und das ist die Ironie – bei der Arbeit umso produktiver sein zu können. Mit seinem Stück Dein Projekt liebt Dich ironisiert Schrettle die beklemmenden Weiten der Beliebigkeit in einer undurchschaubar gewordenen Welt, den viel zitierten „Relativismus“ unserer heutigen Generation, in der alles ein Projekt und nichts auf Dauer ist – und man sein Leben nur noch als „unverbindliches Projekt planen kann“. Auch sein Stück wie ein leben zieht mein koffer an mir vorüber – sechs Menschen auf der Suche nach Arbeit, Wohnraum und ihrer eigenen Biografie – stellt zeitgemäße Fragen: Wie leben, wie wohnen wir heute? Gibt es so etwas wie ein Zuhause überhaupt noch? Inwieweit ist Individualität längst zum Anachronismus und Identitätssuche zum Slogan geworden?
Zum Theater ist Schrettle zufällig gekommen, über eine Kooperation mit dem Theater im Bahnhof in Graz, wo er mit dem Autorenprojekt Eigenbau an freien Projekten tüftelte. Er habe schnell gemerkt, dass seine Art des Schreibens sich besser für das Theater eigne als das Buch. Er brauche „beim Schreiben ein Gegenüber, bei dem ich merke, was passiert, und wo sich das, was ich schreibe, widerspiegelt“. Ihm liegt der Text als offene Fläche am Herzen: „Es geht darum, was sich daraus ergibt.“ Quasi eine Dynamik des Schreibens, die in der Offenheit des Dialogs entsteht; sein Text zu Dein Projekt liebt Dich wurde im Ursprung in Form einer Improvisation mit dem Regisseur und den Schauspielern entwickelt und als szenische Lesung beim steirischen herbst gezeigt – für das Schreiben für das und am Theater sei ein Gegenüber unabdingbar. „Mir ist wichtig zu wissen, was mit dem Text passiert, und gleichzeitig in einen Prozess eingebunden zu sein“, erklärt der 28-Jährige seine Arbeitsweise. Deshalb bevorzugt er das Modell eines freien, selbst organisierten Kollektivs und warnt davor, „das Schreiben als isolierte Kunstform zu transportieren“. Als Theaterautor beschäftigt ihn dabei die Frage, wie sich Text im Verhältnis zum Publikum herstellt: Schreiben funktioniert für ihn auf jeden Fall nicht nur am Schreibtisch. Auf die Förderung junger Autoren angesprochen, meint er, „es ist immer die Frage, worauf ich als Förderer abziele“; kritisch sieht er bei vielen seiner Alterskollegen einen allzu „pragmatischen Umgang mit dem Literaturbetrieb und seinen Institutionen“ und findet „das Wort Autorenpflege ziemlich perfide“. Eher, als durch das Nadelöhr der staatlichen Repräsentationstheaters zu gehen, plädiert er dafür, „die selbstständigen Kollektive zu fördern, denn um die ist es nicht so gut bestellt“.
Schrettle vertritt die Auffassung, dass es keinen „universalen Kern“ gibt. Es fehle, so seine Bestandsaufnahme, auch an Sprache, um das wiederzugeben, zu reproduzieren, was sich mehr und mehr in Bildern abspiele. Überlegungen, insbesondere die am Theater angestellten, könnten dazu führen, über die Gegenwart nachzudenken und „Kontraste sichtbar zu machen“, „eine transzendente Wahrheit“ aber scheint verloren. Auch die geradlinige Zeichnung der Figuren und eine kontinuierliche Form der Narration haben ausgedient. Wiewohl ihn diese Skepsis nicht daran hindert, Shakespeare weiterhin „super“ zu finden – was aber nicht bedeute, „dass es nur in der Vergangenheit Übersichtlichkeit und Klarheit gibt“; ein fundamentaler Ansatz seiner Arbeit besteht jedenfalls im Erkenntnisstrang, dass „Probleme, die mich jetzt beschäftigen, nur jetzt gültig und möglich sind“. Etwa die in seinem Stück Lisa D. aufgegriffene Segregation von Arbeit und Freizeit oder das, was heute unter dem Schlagwort „Politikverdrossenheit“ subsumiert wird. Boat People™ – das Label ist schön sei ursprünglich ein reines Modeprojekt gewesen. Johannes Schrettle spricht quer durch die Bank alles an und verweist dann auf jene Kategorien, von denen er überzeugt ist, „dass sich hier die größten Änderungen vollziehen“. Mit dem Künstlerkollektiv Zweite Liga für Kunst & Kultur am Grazer Theater im Bahnhof verhandelt er derzeit in formaler wie konzeptioneller Freiheit all diese Fragen.
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Am Theater der Hansestadt Bremen an dem George Tabori 1976 das Theaterlabor gründete, erprobte Tabori Szenen nach Seminarprotokollen des Psychiaters Frederick ("Fritz") Perls. Klaus Fischer (Foto), der damals als Schauspieler an dieser Produktion mitgewirkt hat, stellt nun eine Neumontage dieser Seminarprotokolle auf die Bühne. Dabei werden die verschiedenen Vorstellungsabende zwar identisch aber nie gleich sein.
Martin, Peter und Stefan verbindet eine „richtige“ Männerfreundschaft. Gemeinsam sind ihnen die Ratlosigkeit und die Enttäuschungen, die sie auf der Suche nach einer Möglichkeit des Zusammenlebens zwischen Mann und Frau erfahren haben.
Gabriel Baryllis Erfolgsstück über die Sehnsucht nach Glück und Verlässlichkeit startete 1988 seinen Siegeszug: Es wurde an über 100 Bühnen gespielt und in mehrere Sprachen übersetzt. Dem Stück folgte der Roman, der schnell zum Bestseller wurde und Gabriel Barylli ein breites Publikum sicherte. Bereits ein Jahr später führte er selbst Regie für die dazu adaptierte Filmversion, die ihm 1991 den Bayerischen Filmpreis einbrachte.
„Beziehungsgeschichten sind mein Lebensthema, weil ich der Meinung bin, dass sich alles davon ableiten lässt: Das Glück, das wir in einer Beziehung erleben, aber auch das Scheitern färben auf unseren Alltag, den Beruf, unsere Gesundheit - und in Summe auf unsere Gesellschaft ab.“ Gabriel Barylli
Am Anfang steht eine Beerdigung, und am Ende vielleicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Joseph Halpern hat nach über fünfzig Jahren Ehe seine Frau Flo verloren. Einsam steht er an ihrem Grab und sieht irritiert, wie ein Fremder mit einem Blumenstrauß an ihn herantritt. Der Mann stellt sich als Dennis Johnson vor, Buchprüfer im Ruhestand, und fremd ist er nur für Halpern…
Ein klassisches „Well-made Play“ für ein älteres Schauspielerduo geschrieben, das in pointierten Dialogen gekonnt die Balance zwischen Drama und Komödie hält: „Feelgood“-Theater, ganz in der Tradition von Stücken wie Ich bin nicht Rappaport oder Besuch bei Mr. Green.
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