Darin richtet ein Europäer einen (durchaus autobiografisch geprägten) Blick auf New York sowie die amerikanische Mentalität. Willers, der bereits im Oktober 2001 eine entkrampfte Lehrstunde in Sachen Avantgarde im Hofapothekenkeller absolvierte, bedient sich dabei unterschiedlicher Stilelemente, die er in seiner ureigenen Art Dominique Pifaréli (Violine), Alain Grange (Cello) und Rudi Fischerlehner (Schlagzeug) auf den Leib komponiert, um daraus einen weiten Bogen zu spannen. Dabei entsteht ein musikalisches Bild in Analogie zur Romanvorlage. Die Musik erzählt den Roman nicht nach, sondern erklärt ihn eigenständig und bleibt so künstlerisch autark. Willers, der sich für moderne Elektronik, verschollene Gitarreneffekte aus den 1960er Jahren und ethnische Musikinstrumente (hier das Banjo) interessiert, schafft jede Menge Freiräume für seine kongenialem Mitspieler und obendrein eine zukunftsweisenden Tonsprache für Kopf und Bauch. Avantgarde mit menschlichem Antlitz, die die Spreu vom Weizen, gute von schlechter Musik, aufmerksame Lauscher von Gelegenheitshörern trennt. Ein Konzertereignis wie ein Sieb.
Dominique Pifaréli (v), Alain Grange (cello), Andreas Willers (g), Rudi Fischerlehner (dr)
Aktuelle CD:
Montauk – Between The Lines BTLCHR 71208/sunny moon
Beide sind regelmäßige und höchst populäre Gäste im „Birdland“, erinnern in ihrer kammermusikalisch ausgerichteten Hommage nicht nur an den genial-schrägen Pianisten, dessen kruder Klavierstil noch heute jeden elektrisiert, sondern auch an den Komponisten Monk, der mit Stücken wie „Round about Midnight“, „Blue Monk“ oder „Ephistrophy“ Jazzgeschichte schrieb. Der Römer Pieranunzi gilt mit seinem rhythmischen Reichtum, seinen geistreichen Improvisationen und seinem gepflegten, klassisch geschulten Anschlag als die europäische Antwort auf Bill Evans. Mehrfach kürten ihn die Journalisten zu Italiens „Musiker des Jahres“. Seinem Partner Giuliani eilt der Ruf als frischester und heißester Saxofonist der aktuellen europäischen Szene voraus. Ein Duo, bei dem der instrumentale Funkenflug unter Garantie zu einer heftigen kreativen Entladung führt.
Rosario Giuliani (as), Enrico Pieranunzi (p)
Aktuelle CD:
Lennie’s Pennies (Giuliani) – Dreyfus FDM 36952/Soulfood
Dream Dance (Pieranunzi) – CamJazz CAMJ 7815-2/ZYX
Zwei Jahre später kreuzte der Berklee-Absolvent bereits mit eigener Band in Neuburg auf. Jetzt, mit 33 Jahren, hat das viel versprechende Talent von einst den Sprung zur allseits geachteten Autorität in der New Yorker Szene geschafft, sechs herausragende CDs vorgelegt und an der Seite von Musikern wie Jimmy Heath, Frank Wess, John Hicks, Ravi Coltrane, Vincent Herring, Ralph Peterson, Cedar Walton oder Roy Hargrove längst seine Feuertaufe bestanden. Auch Pelts aktuelles Quintett mit dem Tenorsaxofonisten JD Allen, dem Pianisten Danny Grissett, dem Bassist Dwayne Burno und dem Schlagzeuger Gerald Cleaver genügt allerhöchsten Ansprüchen. Die Fünf bewegen sich auf den Pfaden von Art Blakeys Jazz Messengers, peppen ihre Performance mit einer gehörigen Prise Hardbop auf, vermeiden es jedoch klug, in der Retrokiste abgelegt zu werden. Es geht ihnen vielmehr um eine eigene Handschrift, um einen unverwechselbaren Code des New Yorker Jazz im 21. Jahrhundert. Für Jeremy Pelt und Co. ganz ohne Zweifel eine Frage der Ehre.
Jeremy Pelt (tp), JD Allen (ts), Danny Grissett (p), Dwayne Burno (b), Gerald Cleaver (dr)
Aktuelle CD: Men Of Honor – High Note HCD 7203/Warner
Die musikalischen Wurzeln der beiden liegen in ihren Familien, auch die Offenheit dem Songmaterial gegenüber, welches sie in ihrer besonderen Art veredeln. So kann ein Konzert von T&P Romantiker, Verliebte, Vokal-Jazz-Fans und Gitarristen gleichermaßen begeistern. Eigentlich gibt es bei T&P nur zwei Möglichkeiten: Entweder, man liebt sie oder man hat sie noch nie gehört.
Ein Zusammenschluss von vier exzellent ausgebildeten, überaus ambitionierten und erfreulich risikobereiten Musikern, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Quadratur des Kreises mit einfachen, nachvollziehbaren Mitteln zu realisieren und den Jazz – „ihren“ Jazz – aus der unverdienten Außenseiterposition wieder zurück in den Mittelpunkt des öffentlichen Musikinteresses zu holen.
Gerade erst bei der Endausscheidung des Zweiten Europäischen Jazzpreises beim Jazzfestival Burghausen gefeiert, gibt das ambitionierte, 2006 gegründete Quartett nun sein mit Spannung erwartetes Debüt im Neuburger „Birdland“. Mit4spiel5 arbeiten fast ausschließlich mit Eigenkompositionen; witzig, spritzig, anregend, ins Ohr gehend, dort aber auch verbleibend. Beim gemeinsamen Arrangieren der Stücke stellt die Gruppe gerne die teils eingängige Schlichtheit der Melodien in den Dialog mit komplex ausgearbeiteten Formen. Ungewöhnliche, aber grandios interpretierte Titel wie das lässig-sonnige „I Remember Jürgen Klinsmann“ dürften nicht nur Bayern-Fans Tränen der Freude in die Augen treiben, ebenso wie zum Beispiel das hochkarätige musikalische Kleinod „Wespenjagd im Schlafzimmer“. Mit4spiel5 liefern den schlagenden Beweis, dass auch anspruchsvoller Jazz allemal großen Spaß machen kann.
Stefan Koschitzki (ss), Fabiano Pereira (g), Martin Meixner (Hammond B3), Jan-Philipp Wiesmann (dr)
Hier ist etwas anders! Wer Paulchen wieder flink in einer der vielen Klischeeschubladen verstecken will, der käme nicht einmal im Entferntesten darauf, dass der Grandseigneur des deutschen Swing die naheliegendste selbst verschlossen hält. Genau zehn Jahre nämlich umging Paul Kuhn das Pianotrio, dazwischen lagen erfolgreiche Projekte mit der Allstarformation The Best, die ihn auch nach Neuburg oder ins Audi Forum Ingolstadt führten, oder dem Filmorchester Babelsberg. Eigentlich kaum vorstellbar für einen Tastenwühler wie ihn. Doch nun, mit 82, besinnt er sich wieder auf das klingende Dreieck und lässt zusammen mit seinem langjährigen Partner Willy Ketzer am Schlagzeug und dem heißt begehrten Bassisten Martin Gjakonovski (Bass) die guten alten Zeiten in neuem Glanz erstrahlen. Das Repertoire: Seine „Unforgettable Golden Jazz Classics“. Titel, die zum ersten Mal überhaupt durch seine erfahrenen Hände fließen wie Irving Berlins „Putting On The Ritz“, Cole Porters „I Love Paris“ oder Django Reinhardts Edelklassiker „Nuages“; unaufgeregt, nonchalant, warm – wie es nun mal seine Art ist. Allemal konsequenter, als all jene Klavier-Heilsbringer, die in einem Akkord gleich die gesamte Jazzgeschichte verstecken wollen.
Paul Kuhn (p, voc), Martin Gjakonovski (b), Willy Ketzer (dr)
Aktuelle CD:
Unforgettable Golden Jazz Classics – In+Out IOR CD 77050-2/Inakustik
Der Hype um zwei enorm begabte Brüder, der freilich auch einige ganz normale Anfangsprobleme gnädigst unter den Tisch kehrte. Dass den Wasserfuhrs viel daran liegt, nicht nur als Modegag wahrgenommen zu werden, belegt schon der Umstand, dass sie sich mit ihrem nächsten Programm mehr als drei Jahre Zeit ließen. Inzwischen sind Julian und Roman eine Spur reifer und nahezu frei von jeglichem Epigonentum. Mehr noch: Die Abgeklärtheit, mit der sich beide inzwischen durch die Landschaft bewegen, dieser bewusste Verzicht auf alles Überflüssige, auf Schnörksel, Verzierungen und Rüschchen beeindruckt in hohem Maße. So steht das Interplay des Wasserfuhr Quartets mit dem superben Rhythmustruppe um den Bassisten Benjamin Garcia und dem Drummer Oliver Rehmann für eine Steigerung der Qualität. Nicht im Sinne von „Höher-Schneller-Weiter“. Die Losung, mit der sie auch im „Birdland“ zu Werke gehen, lautet: Weniger ist viel, viel mehr. Erst in diesem Klima beginnen der warme, flexible Ton Julians und das fantasievoll zeichnende Klavier Romans richtig zu atmen. Großes Jazz-Kino!
Julian Wasserfuhr (tp, flh), Roman Wasserfuhr (p), Benjamin Garcia (b), Oliver Rehmann (dr)
Aktuelle CD:
Upgraded In Gothenburg – ACT 9488-2/edelkultur
Wenn Tim Kliphuis zu seiner Violine greift, dann vereinen sich das Erbe von Stéphane Grappelli, des größten Geigers der Jazzgeschichte, mit dem Feuer des Zigeunerjazz, der Klassik, der Weltmusik, des Tango und des Folk zu einer ebenso ungewöhnlichen wie frisch klingenden Melange. Die funkgetränkte, fluoreszierende, virtuos treibende Bogenführung des niederländischen Bandleaders und das zu jeder Sekunde organische Zusammenspiel seiner kongenialen Partner Nigel Clark (Gitarre) sowie Roy Percy (Kontrabass) begeisterte in den vergangenen Jahren Swingfans von Kanada bis zum Libanon. Nachdem sich Kliphuis in jungen Jahren regelrecht in das Werk Django Reinhardts verbiss, sucht er heute verstärkt das musikalische Duell mit Gleichgesinnten wie dem Rosenberg Trio oder Grenzgängern wie dem Akkordeonisten Richard Galliano, dem Gitarristen Martin Taylor, dem Pianisten David Newton oder der jüngst verstorbenen Saiten-Legende Les Paul. Auch zeichnet der 35-Jährige als Autor für „Stéphane Grappelli Gypsy Jazz Violin“, das angeblich definitive Buch über die Swing-Violine, verantwortlich.
Tim Kliphuis (v), Nigel Clark (g), Roy Percy (b)
Aktuelle CD:
Live In Glasgow – Lowland Records 880992145138
Jenen Wahnsinnsbassisten, der bereits Miles Davis sowie zahlreichen anderen Legenden des Jazz (und auch Pop) seinen Puls lieh und im „Birdland“, im Schlosshof wie im Audi Forum Ingolstadt bereits einige atemberaubende Gastspiele ablieferte. „Sein Lieblingsspruch lautet: ´If you wanna get to the next level . . . `”, plaudert Dinné aus dem Nähkästchen. „Dann gibt er Tipps wie ´You have to work hard` oder Ähnliches. Das prägt.“ Ignaz, der 1994 als erster Saxofonist im „Thelonious Monk Institute Of Jazz Performance“ in Boston Aufnahme fand, ist mit Stars wie Carter, Herbie Hancock, Wayne Shorter, Clark Terry oder Wynton Marsalis seither auf Du und Du. In Neuburg begleiten den längst auf eigenen Füßen stehenden Sohn des bekannten Posaunisten Ed Kröger nach seinem begeisternden Auftritt im Februar 2008 nicht minder hochkarätige Sidemen wie der Pianist Pete Rende, der Bassist Phil Donkin und der exorbitante Drummer Jochen Rückert. Der nächste Entwicklungsschritt des jungen Gipfelstürmers. Und bestimmt nicht sein letzter.
Ignatz Dinné (as), Peter Rende (p), Phil Donkin (b), Joachim Rückert (dr)
Aktuelle CD:
The Next Level – Double Moon DMCHR 71067/sunny moon
Wegen seiner dynamischen Spielweise vergleichen ihn Kritiker oft mit Oscar Peterson, wegen seiner gedämpften Melancholie manchmal auch mit Bill Evans. Anleihen, die dem in New York lebenden Musiker zwar zur Ehre gereichen, aber in eine völlig falsche Richtung führen. Denn der junge Mann besitzt eine ureigene Handschrift, mit der er die Zuhörer gerne auf falsche Fährten lockt. Gemeinsam mit dem Bassisten Joe Sanders und dem Schlagzeuger Justin Brown konstruiert er komplexe Geflechte an Linien, hip-hopesken Beat, streut kurze Gesangseinlagen ein oder knallt ein Solo auf die Klaviatur, das so cool und garstig klingt, wie das Lamento eines Problem-Street-Kids. Wegen seines Mutes zur Verschrobenheit wurde Gerald Clayton schon für einen Grammy in der Kategorie „Best Jazz Solo“ nominiert. Die Nummer 119 wird neue Maßstäbe in der Reihe „Art Of Piano“ setzen. Garantiert.
Aktuelle CD:
Two-Shade – Emarcy 06025 2707144/Universal