Dankenswerterweise entdeckte im Jahr 1887 der Literaturhistoriker Erich Schmidt im Nachlass des Hoffräuleins Luise von Göchhausen die Abschrift eines Faust-Fragments, das Goethe, aus Frankfurt kommend, in seinem ersten Weimarer Winter 1775/76 am Hofe vorgelesen hatte. Es handelt sich um 22 Szenen, die der junge Goethe mit 23 Jahren niederschrieb, ein ungebändigtes Kaleidoskop in Vers- und Prosaform, das in seinem stürmisch-drängenden Ungestüm noch so gar nicht an den alten Geheimrat gemahnt.
Diese erste Bearbeitung ist ein Faust ohne Prolog im Himmel, ohne Osterspaziergang, Hexenküche und Walpurgisnacht. Der Urfaust konzentriert sich auf die Hauptfiguren: Faust, Margarete und Mephistopheles, und rückt die Gretchentragödie in den Mittelpunkt. Schroffer und schneller als in der späteren Fassung führt die Liebe der unschuldigen Margarete zu dem rastlos suchenden Faust zur Katastrophe, tatkräftig vorangetrieben von Mephistopheles. Böse, witzig, teuflisch blickt er auf das menschliche Treiben, Suchen, Streben – weiter und weiter. Für dieses Weiterkommen schließt man den Pakt mit dem Teufel. Ein Stück des 21. Jahrhunderts?
FAUST: HILF, TEUFEL, MIR DIE ZEIT DER ANGST VERKÜRZEN, / MAGS SCHNELL GESCHEHN, WAS MUß GESCHEHN! / MAG IHR GESCHICK AUF MICH ZUSAMMENSTÜRZEN, / UND SIE MIT MIR ZU GRUNDE GEHN!