Heiner Goebbels, der vielseitige Grenzgänger der zeitgenössischen Musik- und Theaterszene, war zuletzt mit Eraritjaritjaka bei den Wiener Festwochen 2006 zu erleben. Nun darf man sich auf ein neues Musiktheaterstück von ihm freuen, ein wundersames „szenisches Konzert in drei Bildern“, das beim Edinburgh Festival 2008 höchst erfolgreich uraufgeführt wurde und auch zuletzt in den USA begeisterte Reaktionen hervorrief.
In I went to the house but did not enter, von Goebbels für das exzellente britische Hilliard Ensemble geschrieben, verknüpft der 56-jährige Komponist Texte von vier großen Dichtern des 20. Jahrhunderts – Maurice Blanchot, Samuel Beckett, Franz Kafka und T. S. Eliot –, die, so unterschiedlich
sie auch sind, doch eines im Blick haben: einem fragmentierten anonymen Ich viele Stimmen und Facetten zu verleihen. Allen Texten ist das Misstrauen gegenüber linearen Erzählformen gemeinsam, auch wenn sie voller Geschichten sind. Der oft paradoxe Sinn erschließt sich durch die Fantasie des Publikums, das, auch dank Klaus Grünbergs an Traumlandschaften erinnerndes Bühnenbild, bei dieser musikalisch-literarischen Kostbarkeit auf eine faszinierende Reise in drei Zeiten und drei Räume geschickt wird. Zu erleben ist ein Gesamtkunstwerk subtiler Komplexität zwischen den Genres, dessen Umsetzung durch die eindringliche Interpretation und szenische Darstellung der vier herausragenden Vokalsolisten einzigartig ist. Für die Süddeutsche Zeitung ist dieses wunderbare Musiktheaterstück „ein dramatisches Kunstwerk … Wer sich Goebbels’ Sprach- und Klangmeditation über zerstückelte Identität und die Unzulänglichkeit selbst der großartigsten Sprache hingibt, die das Hilliard Ensemble mit mönchischer Konzentration und einem bewundernswerten Gespür für die komischen Untiefen der Inszenierung ausagiert, der erkennt, wie überaus gelungen ein Abend sein kann, an dem es vordergründig nur ums Versagen geht.“
Der britische Guardian freute sich ebenfalls über die makellose Performance der Vokalisten des Hilliard Ensemble und über eine „immens starke Atmosphäre“, die im Lauf der 90-minütigen Aufführung geschaffen wird: „Die Musik von Goebbels ist sparsam eingesetzt, wird nur abgerufen, wenn sie absolut wesentlich ist: zur Überhöhung der Stimmung von Eliots großem Poem ‚The Love Song of J. Alfred Prufrock‘ – ein wunderschöner A-cappella-Satz, der jede sprachliche Hebung und Nuance perfekt einfängt – oder um Becketts Prosastück ‚Worstward Ho‘ wie einen metrischen Psalm zu sprechen, die Stimmen durchweg vereint in rhythmischem Unisono.“
Es ist eine spannende Story, aus der die Stadt gemeinsam mit Theater & Philharmonie Thüringen, Landestheater Altenburg, eine Erfolgsgeschichte schmiedete. Diese Festspiele wurden zum Publikumsmagneten, der die 1000-jährige Residenzstadt weit über die Region hinaus ins Gespräch brachte. Seit dem Premierenjahr 2005 erlebten mehr als 45000 Besucher die 54 Aufführungen der Altenburger Prinzenraub-Festspiele am Originalschauplatz im Hof des Residenzschlosses.
Natürlich geht es um sächsisch-thüringische Geschichte, um das Fürstengeschlecht der Wettiner, um die albertinische und die ernestinische Linie. Und es geht um einen bis heute ungelösten spannenden Kriminalfall, um politische Intrigen, die sogar internationale Dimensionen annahmen. Opfer war in jedem Fall der Kriegsmann Kunz von Kauffungen, einer der besten und klügsten Ritter im Reich. Es ist die Zeit des Niedergangs des Spätmittelalters, und es zeichnet sich die beginnende Renaissance ab. Alles ist im Wandel – alte Werte scheinen nicht mehr gültig zu sein, die neuen haben sich noch nicht durchgesetzt.
Kunz hatte sich aufseiten des Kurfürsten Friedrich II. im sogenannten Bruderkrieg befunden, geriet in Kriegsgefangenschaft, aus der er sich mit 4000 Gulden freikaufte. Das Geld und Sachwerte will er vom Kurfürsten zurück. Er bekommt nichts und klagt vergebens. Im Gegenteil, er wird des Landesverrats beschuldigt. Von Kauffungen ist empört. Mit Gleichgesinnten entschließt er sich zu gewaltsamen Gegenmaßnahmen – er raubt die Prinzen Ernst (14) und Albrecht (12) bei Nacht und Nebel aus dem Altenburger Schloss. Dieses Kidnapping ist ein zu dieser Zeit völlig erlaubtes und probates Mittel der Fehde. Er wird mehrere Tage gejagt, gefangen genommen und ohne Prozess am 14. Juli 1455 in Freiberg (Sachsen) auf dem Marktplatz hingerichtet. Die seinerzeitigen Umstände, jene seiner Gefangennahme und die intrigenhaften politischen Hintergründe waren stets und sind bis heute Anlass zu Spekulationen, beschäftigen Rechtsgelehrte wie Historiker gleichermaßen. Das sehr traditionell angelegte Stück von Ralph Oehme wurde nun drei Jahre überaus erfolgreich gespielt.
Zeit nun für neue Erkenntnisse und Sichtweisen. Diese Wettiner Prinzen waren eigentlich längst schon keine kleinen Kinder mehr, als sie in diesen Zwischenfall gerieten. Der 14-jährige Prinz Ernst hätte die Macht im Staat übernehmen können, er hatte die ersten Lehrgänge in Waffenkunde und diversen Kampfarten überaus erfolgreich bestanden und wurde trotzdem im Schlaf überrascht und geraubt …? Was war in der Nacht vom 7. zum 8. Juli 1455 wirklich los? Und wieso entdeckte man den Überfall erst am nächsten Morgen? Welche Rolle spielt das berühmte Königsschloss der Böhmen – der Hradschin in Prag? Hinter all dem steckt ein großes Abenteuer von Flucht und Sehnsüchten …
Nun wird es wieder ein Premierenjahr, die Bühne wurde gedreht, Stoppok, der tolle deutsche Rockpoet, schreibt mittelalterliche Musik zum neuen Stück der renommierten Autorin Dr. Kathrin Lange. Nur so viel: Artisten, Schauspieler, Stuntleute, Musiker und Tier-Acts! Darunter wieder über 200 ehrenamtliche Bürger der Region. Sie spielen neben den Schauspielern des Theaters, und insgesamt agieren über 300 Mitwirkende vor, auf und hinter den Bühnen, die für ein Theaterspektakel der Extraklasse mit einer herzerwärmenden Story sorgen. Wirklich aufregend!
Das erfolgreiche Rahmenprogramm der letzten Jahre wird selbstverständlich beibehalten! Der Hofnarr, Marketenderinnen, Wegelagerer, Kämpfer mit ihren Spießgesellen, der stärkste Mann der Welt, die Rabenbrüder freuen sich ebenso auf die Festspiele wie die Händler aus dem Altenburger Raum, die für die Versorgung mit Speis und Trank oder das eine oder andere Andenken zuständig sind. An allen drei Festspielsonntagen beginnt das Rahmenprogramm für alle interessierten Gäste bereits um 14 Uhr.
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Der tödliche Konflikt zwischen den verfeindeten Familien der Montagues und Capulets wird vom mittelalterlichen Verona nach New York verlegt und anhand des Bandenkriegs zwischen den Jets und den Sharks erzählt. Obwohl sich die Gangs der Amerikaner und Puertoricaner feindlich gegenüber stehen, entwickelt sich über diese Kluft hinweg zwischen Tony und Maria eine innige Liebesbeziehung.
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Dem Alten Testament ist die Geschichte von Nebukadnezar, dem König der Babylonier, entnommen: Nabucco hat Jerusalem eingenommen, den Tempel zerstört und das Volk Israel nach Babylonien deportieren lassen. In seinem Machtrausch und aus Selbstüberhebung ruft sich Nabucco zum Gott aus. Da schleudert Jehova einen rächenden Blitzstrahl herab und straft Nabucco mit Wahnsinn. Nun glaubt Abigail, die für Nabuccos Erstgeborene gehalten wird, die aber tatsächlich nur die Tochter einer Sklavin ist, ihre Stunde sei gekommen, denn sie greift nach der Herrscherkrone und lässt Nabucco verhaften. Sie zwingt Nabucco, das Todesurteil über ihre Halbschwester Fenena und die Hebräer zu verhängen. Da wendet sich Nabucco verzweifelt an Jehova, der ihm den Verstand zurückgibt und das Götzenbild der Babylonier zerstört. Nabucco entlässt die Hebräer in die Freiheit.
Es finden sich 3 Sänger auf der Bühne wieder, alle in dem Bewusstsein, ein Soloprogramm zu gestalten. Aus der Eigendynamik dieser absurden Grundsituation entwickelt sich ein Feuerwerk von humoristischen und musikalischen Überraschungen, wobei die 25 wichtigsten Operetten dabei in nur 2 Stunden auf die Bühne gestellt werden. Ob Musikkabarett, ein quietschender Klavierhocker, Medleys, a cappella Ensembles, sing a long oder ein ganzer Operettenabend in zehn Minuten, ....
Die Oper basiert auf Witold Gombrowiczs gleichnamigem Stück und zeigt eine Hofgesellschaft, die durch die Verlobung des Prinzen mit dem Mädchen Yvonne völlig aus dem Gleichgewicht gerät. Yvonnes Anderssein löst allgemeine Verstörung aus. Dieser unerträgliche Zustand kann nur durch den gewaltsamen Tod Yvonnes beendet werden.
Über Yvonne schreibt der einflussreiche Literaturkritiker François Bondy, der entscheidend zur Entdeckung des polnischen Autors beigetragen hat, im Vorwort: „Yvonne ist die Parodie eines Shakespeareschen Königsdramas, doch so, wie Gombrowicz von sich sagte, er sei die Parodie einer Person, sein Geist die Parodie eines Geistes. Parodie hat nichts mit Kabarett, mit Satire, mit Witzigkeit zu tun, sondern mit einem bewußteren Verhältnis des Menschen zu sich als Rollenspieler, der nicht nur ist, sondern sich vortäuscht.“
Bereits mit seiner legendären Theaterinszenierung von Yvonne 1980 am Schauspiel Köln trug Luc Bondy maßgeblich zur späten Anerkennung von Gombrowicz (1904-1969) im deutschsprachigen Raum bei. Zu seiner Komposition sagt Boesmans: „Einmal klingt es wie Offenbach, dann wie Wiener Operette, manchmal nach imitierten Zigeunermelodien. Genauso gibt es Momente der Stille oder der Verrücktheit.“ Bei den Festwochen 2005 war Luc Bondys Uraufführungsinszenierung von Boesmans’ Oper Julie zu sehen.
Las puertas del Cielo / Die Türen zum Himmel
„Am 12. September 1998 steigt der 27-jährige Mohamed Hajjami im Hafen von Casablanca heimlich in einen Transportcontainer der Firma Transpor-Fat. Für die illegale Überfahrt nach Marseille zahlt er 11 500 Dirham – ein Vermögen.“ Die Türen zum Himmel bleiben ihm – wie so vielen anderen täglich auch – verschlossen. Im Container des katalanischen Theaters La Invenció werden die Zuschauer zu „Clandestinos“ (Flüchtlingen): auf der Suche nach einem besseren Leben, auf der Flucht vor dem sicheren Tod. Abgeschlossen von der Welt, auf der Reise in das imaginierte Paradies Europa überlagern sich Angst und Wut. Man sucht Antworten auf die Frage: Wer hat wo und wie das Recht auf Leben?
Paradise 2, El sonido incesante de un árbol caído / Das unablässige Geräusch eines gefällten Baumes
Auf der Suche nach dem Paradies: Die junge Spanierin Rosa Casado lädt auf zwei sehr unterschiedliche Reisen ein. Einerseits fährt der Zuschauer mit ihr auf Urlaub nach Mali, andererseits emigriert er gemeinsam mit einem Senegalesen aus Afrika nach Barcelona. Die Performance ermöglicht es, frei die eigene Perspektive im Raum zwischen Europa und Afrika zu suchen. Tourismus und Migration werden zum Muster für Annahmen über Geld und Konsum, Freiheit und Verantwortung. Dabei „entführt“ Rosa Casado die mitreisenden Zuschauer immer wieder auch auf eine Schokoladeninsel. Während sie diese isst, erzählt sie und „erschafft“ die Erde und das gesamte Universum neu.
Ein wundersamer, wunderreicher Abend: Für sein neues, beim Edinburgh Festival 2008 uraufgeführtes Musiktheaterstück "I went to the house but did not enter" vertonte Heiner Goebbels Texte von vier großen Dichtern des 20. Jahrhunderts – Maurice Blanchot, Samuel Beckett, Franz Kafka und T. S. Eliot. So unterschiedlich die Texte sind, haben sie doch Eines im Blick: einem fragmentierten anonymen Ich viele Stimmen und Facetten zu verleihen. Allen Texten ist das Misstrauen gegenüber linearen Erzählformen gemeinsam, auch wenn sie voller Geschichten sind. Der oft paradoxe Sinn erschließt sich durch die Phantasie des Publikums, das bei dieser musikalisch-literarischen Kostbarkeit auf eine faszinierende Reise in drei Zeiten und drei Räume geschickt wird.
Goebbels entwickelte sein „Szenisches Konzert in drei Bildern“ gemeinsam mit dem britischen Hilliard Ensemble und seinem bewährten Team und schuf ein Gesamtkunstwerk subtiler Komplexität zwischen den Genres. Die Umsetzung durch die eindringliche Interpretation und szenische Darstellung der vier herausragenden Vokalsolisten ist einzigartig.
Um eine Schlägerei - wie bei der Aufführung von Hugos Schauspiel 1832 - und ein damit verbundenes Verbot zu vermeiden, forderte die Zensur von Verdi und seinem Librettisten einige Änderungen. So wurde der Schauplatz von Paris nach Mantua verlegt, die historischen Figuren verwandelte man in fiktive, um die Darstellung königlichen Fehlverhaltens zu umgehen, und machte den Hofnarren Rigoletto zur Titelfigur.
Dieser steht in den Diensten des skrupellosen Herzogs von Mantua. Rigolettos ganze Sorge gilt seiner Tochter Gilda, die er vor den Avancen des Herzogs bewahren will. Als er jedoch miterlebt, wie sie dessen berechnenden Liebesschwüren erliegt, schwört er Rache und engagiert den Auftragsmörder Sparafucile. Gilda erfährt von seinem Plan und opfert ihr Leben für ihre Liebe.
Die Musik wechselt effektvoll zwischen Pathos und Einfachheit, musikalischer Virtuosität und Schlichtheit. Dabei wird die Or¬chestersprache differenzierter als in den früheren Opern und die formalen Strukturen erfahren eine Auflösung. Es entsteht ein fließender Übergang zwischen Rezitativ und traditioneller Musiknummer, was den Reiz der Oper ausmacht. Rigoletto, bis heute eine der meistgespielten Opern Verdis, ist die erste der „trilogia populare“ - zusammen mit Il Trovatore und La Traviata -, in denen Außenseiter im Mittelpunkt stehen. Die Premiere 1851 in Venedig wurde enthusiastisch gefeiert und begründete Verdis Weltruhm.
Der souveräne Künstler ist alles, was ihn betrifft, selbst, zumindest ist er für alles selbst verantwortlich. Wenn er krank wird, kann er, anders als normal Sterbliche, nicht fremden Mächten oder gar dem Zufall die Schuld geben, das würde seine Souveränität verletzen. Er kann höchstens Gott die Schuld geben, aber auch das nur dann, wenn er sich vollkommen mit Gott identifiziert. Der französische Kunsttheoretiker Jean Luc Nancy, der vor acht Jahren ein fremdes Herz erhielt, das Herz einer schwarzen Frau, und wenig später an Krebs erkrankte, sagte unlängst: "Ich bin die Krankheit und die Medizin, ich bin die kanzeröse Zelle und das verpflanzte Organ, ich bin die das Immunsystem schwächenden Kräfte und deren Palliative". Damit verweist er nicht nur auf die fließenden Grenzen des Ich in Extremsituationen, sondern auch auf den Souveränitätsanspruch des Künstlers.
Auch für Christoph Schlingensief, den Künstler, Film-, Theater- und Wagner-Opernregisseur, ist dies ein vertrautes Thema. Seit seiner Parsifal-Inszenierung in Bayreuth 2004 lässt ihn Wagners fragwürdige Gleichung: "Liebe plus Tod gleich Erlösung" nicht mehr los. Nun versucht er in den drei Akten seiner eigenen Oper für sich und das Publikum verschiedene Facetten des Dionysischen zu präsentieren: wirkungslose, krankmachende, erlösende; zwischen Ayurveda-Technologie, magisch-sexueller Voodoo-Entgrenzung und Schlingensiefs eigenem Plan, ein Welten und Zeiten verbindendes Festspielhaus in Afrika zu bauen, wo die aufsteigende schwarze Kultur Afrikas und die absteigende Zivilisation Europas sich verbinden sollen zu einem Spiel der Entgrenzung (und gleichzeitig der Heilung, Bildung, Forschung).
Das Ende der Alltäglichkeit, Läuterung, Schuld und Buße, kleine Dinge und große Verwandlungen markieren die Bewegung der drei Akte dieser Stationenoper, die eine Gruppe schuldlos schuldig gewordener Menschen auf ihrem Weg zur endgültigen Heilung zeigt.
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