Fast 120 Jahre später ist die erotische Verwirrung von Melchior und Wendla, von Moritz und Hänschen Rilow kein Skandal mehr, dennoch erweist sich Frühlings Erwachen als eines der kräftigsten Stücke über die Geisterbahn der Pubertät. Mit der spezifisch Wedekindschen Mischung von Groteske und Tragik wird aus der Position der jungen Menschen erzählt, was passiert, wenn Kopf und Unterleib in Konfusion miteinander stehen, was die Folgen sind, wenn eine Gesellschaft ihre Kinder zwar aufklärt – aber nicht darüber, wie das Leben eigentlich gehen soll. Fast folgerichtig entscheidet sich das Schicksal Melchiors auf einem Friedhof, auf dem er einem „Vermummten Herrn“ begegnet. Bei der 1906 durch den berühmten Max Reinhardt erfolgten Uraufführung an den Kammerspielen in Berlin spielte Wedekind selbst diesen geheimnisvollen Herrn, eine Figur, die das Leben verkörpert. Ihm widmete er auch sein Stück.