Florian Boesch – Artist in residence
Franz Schubert - "Winterreise"
Liederzyklus nach Gedichten von Wilhelm Müller (1827)
Inhalt / Zum Werk
Die schöne Müllerin, Schuberts erster Liederzyklus, ebenfalls nach Wilhelm Müller, lässt noch eine chronologische Handlung erkennen. Die fünf Jahre später entstandene Winterreise ist eine Reihe von Assoziationen, die einem Reisenden auf seiner Wanderung begegnen. Als Schubert im Februar 1827 mit der Vertonung von Müllers Gedichten begann, war er bereits unheilbar an Syphilis erkrankt. Sein Freund und Förderer Joseph von Spaun erlebte Schubert in dieser Zeit düster gestimmt, und körperlich schien er ihm angegriffen. Als Schubert im privaten Kreis seinen Freunden die Winterreise „mit bewegter Stimme“ vorsang, war Spaun „über die düstere Stimmung dieser Lieder ganz verblüfft“. Schubert selbst, der die Winterreise als„einen Zyklus schauerlicher Lieder“ angekündigt hatte, gefielen „diese Lieder mehr als alle, und sie werden euch auch noch gefallen.“ Im weiten Repertoire des Baritons Florian Boesch nimmt das Lied einen ganz besonderen Stellenwert ein, ihm gilt seine persönliche Leidenschaft. Als Artist in residence präsentiert sich Boesch in dieser Saison daher im Theater an der Wien auch als Liedsänger und stellt seinen subtil-persönlichen Zugang zu Schuberts Winterreise vor. Boesch sucht dabei eine individuelle Vergegenwärtigung eines Werkes, das auf erlebter Realität beruht: Als freiwilliger Gardejäger der preußischen Armee wurde der junge Wilhelm Müller rasch zum Leutnant ernannt, und ebenso rasch unehrenhaft entlassen, als er sich in Brüssel in eine jüdische Kaufmannsgattin verliebte. Müller marschierte aller Hoffnung beraubt mitten im Winter allein und zu Fuß von Brüssel nach Berlin zurück. Der todgeweihte Schubert übertrug Müllers Grundstimmung in Musik: Im Herzen des Wanderers herrscht permanenter Winter, nur nächtens erinnert er sich an glücklichere Tage, schwankt zwischen Erstarrung und vergeblicher Sehnsucht nach einem besseren Leben.