Der ehrenamtliche Mesner Firlinger ist verunglückt. An einem Sonntag. Ein herabstürzender Engel hat ihn in der Kirche erschlagen. Firlinger hat sein Lebtag lang streng nach den Zehn Geboten gelebt und die zwölf Aposteln namentlich wiedergeben können. Zum Sündigen blieb bei so viel religiösem Engagement keine Zeit.
Jetzt ist Firlinger tot und wartet auf seine Auferstehung, seine Himmelfahrt, seinen Engel, der ihn an der Hand zum Erlöser führen wird. Doch aus der Sicherheit werden Zweifel und Verzweiflung, schließlich endet sein Warten in Resignation. Er denkt zurück, spult seinen Lebensfilm ab, kommentiert dessen trostlose Stationen und betet. In seiner Bilanz tauchen seine Sünden auf, seine Vergehen. Wut auf die Menschen, die ihn allein gelassen haben, Verbitterung und Hass. Ohne Frau ist er geblieben, ohne Liebe.
Schliesslich fordert er Gott heraus, aber Gott reagiert nicht. Firlinger wartet und merkt nicht, dass dieses Warten schon die Hölle ist. Seine ganz persönliche Hölle. Er, der sein Leben der Kirche geweiht hat, kommt zur bitteren Erkenntnis, in einer Sackgasse sein Leben vertan zu haben. Er hätte es genießen und sündigen sollen.
"Heute, würde ich noch leben, ich würde nichts mehr anbrennen lassen. Würde jeden Tag den Opferstock ausräumen und ins Puff fahren, ich würde gar nicht mehr rauskommen aus den Freudenhäusern, würde begehren des Nächsten Weib, begehren des Nächsten Hab und Gut und lügen, falsche Zeugnisse geben, eins nach dem anderen, und den Sonntag nicht heiligen!"
Alle Figuren spüren intelligent und beredt ihrem Unglück hinterher, alle sehnen sich nach wahrhaftiger Nähe, nach einem Ausbruch aus dem Gewohnten. Doch die Schmerzen, die Explosion, die Katastrophe sind nicht weit entfernt.
Prosperos Insel ist ein Nirgendirgendwo, ein Reich der Phantasie: Shakespeares Theater. Prospero, vor Jahren auf einer Insel gestrandet, inszeniert dort ein Stück der Strafe, Buße und Umkehr, will die Figuren seines Lebens für ihre Verbrechen zur Verantwortung ziehen. Doch sie kommen über ihre alten Rollen, die Wiederholung vergangener Verbrechen und Intrigen, nicht hinaus.
Von heutigen Krisenherden weit entfernt aufgewachsen, werden die Geschwister vom Testament ihrer Mutter Nawal in deren Heimatland geschickt, um Vater und Bruder im Libanon zu suchen.
Regie: Nicholas Ofczarek
Bühne: Peter Loidolt
Premiere: Samstag, 11. Juli 2009, 19:30 Uhr
Theater Reichenau, Neuer Spielraum
Es geht um Spiel, Zufall und Notwendigkeit - um Schein und Wirklichkeit - um Aushöhlung des militärischen Ehrenkodex und des bürgerlichen Liebesideals durch die Macht des Geldes. Die Handlung wird von der Logik des Zufalls bestimmt, der die Menschen wie Marionetten durchs Leben bewegt. Vom Zusammenspiel der Zufälle ist auch das Schicksal der Hauptfigur abhängig. In der kurzen Zeitspanne zwischen Sonntag und Dienstag fällt die Entscheidung über Leben und Tod.
Leutnant Kasda will seinem ehemaligen Kameraden, der wieder in unehrenhaften Geldnöten ist, aushelfen, indem er sich auf ein riskantes Kartenspiel mit einem geheimnisumwitterten Konsul einlässt. Er spielt eine Nacht lang mit wechselndem Glück und hat bis zum Morgengrauen eine Unsumme verloren, die weit über seinen Beschaffungsmöglichkeiten liegt. Der Konsul besteht auf Zahlung der Ehrenschuld binnen kürzester Frist.
Vergebens bittet Kasda seinen Onkel, bei dem er ein Vermögen weiß. Doch dieser Onkel hat sein Geld seiner jungen Frau vermacht, die auch der Leutnant von einer längst vergessenen Liebesnacht kennen müsste.....
Wird sie vielleicht aushelfen?
Nicholas Ofczarek hat sich als großer Schnitzler-Verehrer diesen Autor und diese Geschichte für seine erste Regie ausgesucht. Seit dem Sommer 2008 laufen die Vorbereitungen.
Regie: Beverly Blankenship
Bühne: Peter Loidolt
Premiere: Freitag, 10. Juli 2009, 19:30 Uhr
Theater Reichenau,Großer Saal
Weltfremd, abgehoben von der Realität, erfüllt von ihren Ideen, Plänen und Leidenschaften lebt diese intelligente, schöngeistige Gesellschaft um den Experimental-Chemiker Protasov. Materiell völlig untüchtig, hat er sein Haus schon an einen Wucherer verpfändet, ist aber weiterhin frohgemut auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens, eine imponierende Lichtgestalt für seine Freunde, ebenso wie seine Schwester Liza. Im Gegensatz zu ihrem Bruder sieht sie aber die Welt nicht so idealistisch. Mit ihrer Sensibilität und beinahe seherischen Eigenschaft erkennt sie vielmehr die Grausamkeit und Brutalität des primitiven Volkes, warnt die Freunde vor einer einbrechenden Gefahr, die auch schließlich durch die Ausbreitung der Cholera und damit verbundenen Aufständen eintritt.
Erstaunlich, dass der Dichter vor diesem ernsthaften historischen Hintergrund von 1892 noch so viel an tragikomischen Liebeskonflikten einbauen konnte. Die hohlen Gefühlsduseleien der russischen Intelligenzia werden der Lächerlichkeit preisgegeben. Ihr Streben nach Harmonie und Liebe in dieser aufgewühlten Zeit ist hilflos, kann nicht gelingen.
Gorki schrieb dieses Stück in Gefangenschaft im Zuge der gescheiterten Revolution von 1905. Aus Zensurgründen legte er aber die Handlung in die ähnlich unruhige Zeit der Cholera-Unruhen von 1892, demonstrierte die Realitätsfremdheit der liberal gesinnten Intelligenzschicht, die ohne Kontakt zu dem ihr feindlich gesinnten Volk untätig dahinlebte.
Aktuelle Analogien zu globalen Problemen, die von der wohlhabenden, gebildeten ersten Welt diskutiert werden, ohne die Realitäten ernst zu nehmen, liegen auf der Hand....
Regie: Maria Happel
Bühne: Peter Loidolt
Premiere: Sonntag, 5. Juli 2009, 15:30 Uhr
Die Strudlhofstiege in Wien und auch der Riegelhof in der Prein sind zwei, die Zeiten überdauernde und zugleich verknüpfende Monumente, gewählte oder zufällige Treffpunkte der Figuren.
Es bedarf eines mutigen Kunstgriffs von Dramaturgie und Regie, diesen reichen, vielfältigen Stoff in eine dreistündige Bühnenfassung zu bringen, bei der man zugleich verschiedene Schauplätze im Südbahnhotel durchwandert. Es kann sich nur um ausgewählte Szenen handeln, vor allem solche, die sich auf die Familie Doderer (= Stangeler im Roman) beziehen und auf Major Melzer, der eine Zentralfigur des Romans ist - und Symbol der von Doderer ersehnten, überzeitlichen Aussöhnung.
Und es bedarf einer zusätzlichen finanziellen Anstrengung, die Schauplätze so zu gestalten und einzurichten, dass ein neues "Erlebnis-Theater" entstehen kann, bei dem man geht, manchmal steht (Sonnenterrasse) und in den bekannten Sälen einen fixen Sitzplatz findet. Lassen Sie sich überraschen!
Intendant: Alfons Haider
Georges führt einen beliebten Nachtclub, das "Cage aux Folles" in dem allabendlich eine Truppe tanzender und singender Paradiesvögel das Publikum begeistert. Albin ist in der Rolle der Diseuse "Zaza" der Star der abendlichen Show, ein begnadeter, nicht mehr ganz junger Meister der Travestiekunst. Albin und Georges sind ein Liebespaar, das den gemeinsamen Alltag und die künstlerische Zusammenarbeit mit allen Höhen und Tiefen über 20 Jahre gemeistert hat und das gemeinsam Georges Sohn Jean-Michel - gezeugt von flüchtiger Neugierde - großgezogen hat.
Nun wird ihre Beziehung auf die Probe gestellt: Jean-Michel will die Tochter des konservativen Politikers und Moralapostel Edouard Dindon heiraten. Die Familien sollen sich zur Verlobung kennenlernen. Während die Dindons bereits auf dem Weg sind, muss schnell eine richtige, eine "normale" Familie her. Am Ende aber triumphiert die Liebe über alle Ressentiments und Kleinlichkeiten.
Es sind zwei Künstler, die seit Jahren in ihren Arbeiten, mit ihren unterschiedlichen Mitteln, die Räume der Unschärfe und der Übergänge erforschen und sich der Aufgabe stellen, dem Flüchtigen, Sich-Nicht-Verfestigenden eine Gestaltung zu geben.
Bevor die Glocken den Sonntag einläuten können, den Tag, an dem zurückgeblickt wird auf getane Arbeit, sind noch letzte wichtige Dinge vorzubereiten. Es wird gehämmert, gezimmert, geordnet, umgestellt, ausgelesen, präpariert, der Boden verlegt, damit jedes Ding an seinem rechten Platz ist. Es ist ein prekärer Moment, wenn ein Kunstwerk, ein Musikstück oder ein literarischer Text heraustritt aus dem Schutzraum seines Schöpfers und zum ersten Mal fremden Ohren und Augen preisgegeben wird. Es ist jener Moment, wo das Selbstverständnis und die Existenzberechtigung des Künstlers zur Disposition stehen. Mit einem Mal soll sich erweisen, was es ist, was ihm die Zeit, die Monate und Jahre ausgefüllt hat, also das, was sein Leben war. Es ist entweder alles oder nichts - es kommt darauf an, ob die Luft und das Licht, dem es ausgesetzt wird, diesem zum Eigenleben verhelfen oder es absterben lassen.
Zwei elfjährige Jungen prügeln sich heftig, der eine verliert zwei Schneidezähne. Unter zivilisierten Leuten, wie es die beiden Elternpaare sind, geht man die Sache in aller Ruhe durch, schließlich ist man nicht in den Banlieues, wo die Autos brennen.
Bei Kaffee und Selbstgebackenem soll der pädagogisch korrekte Umgang mit dem Vorfall besprochen werden. Doch unversehens kommen archaischere Impulse auf. Aus Gereiztheiten und Sticheleien werden handfeste Vorwürfe, die Situation läuft aus dem Ruder. Wer war denn nun der Schuldige von den beiden Bengeln? Deutet Ferdinands rabiates Verhalten nicht auf Eheprobleme zwischen Alain und Annette hin? Was ist schlimmer: dass Michel den Hamster seiner Tochter ausgesetzt hat oder dass Alain einen Pharmakonzern mit einem gesundheitsgefährdenden Medikament juristisch vertritt? Die Dämme der Wohlanständigkeit brechen und der Gott des Gemetzels erhebt sein Haupt.
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