Als sich am 2. Oktober 1974 die Nachricht verbreitete, dass Wassili Schukschin im Alter von 45 Jahren an einem Herzanfall verstorben war, stand für kurze Zeit ganz Moskau still. Kaum ein anderer Künstler hatte in der ost-stalinistischen Sowjetunion mehr Menschen mit seinen Werken erreicht als Schukschin – Sohn eines sibirischen Bauern, Schlosser, Schauspieler, Schriftsteller und Filmemacher.
Der Kollege von Andrej Tarkowski an der Moskauer Filmhochschule wurde mit seinen Kurzgeschichten und bald auch mit seinen Filmen zu einer Zentralfigur der Schestidisiatniki, der Generation der 1960er – kein Dissident, aber einer, der den Tabus und Problemen der sowjetischen Gesellschaft mit großer Respektlosigkeit begegnete. Er war als Schauspieler bei der breiten Bevölkerung so beliebt, dass er daraus (im Gegensatz zu Tarkowski) auch „politischen Rückhalt“ gewinnen konnte. Seine kantigen, lebensdurstigen Helden, die er mit Ironie und großer Zärtlichkeit porträtierte, waren stets einfache Leute: Landarbeiter, Lastwagenfahrer, Studenten. „Sie waren von einer seltsamen Unruhe befallen: Sie hatten ‚einen Igel unter dem Schädel‘ und sahen die Wirklichkeit durch das ‚diamantene Auge der Einbildungskraft‘.“ Ralf Schenk