Die Tragödien des Aischylos gehören zu den ältesten literarischen Werken der Menschheit. Wie ein Jahrtausende alter Quell von Charakteren und ideellen Vorstellungen beeinflussen ihre kraftvolle Poesie und spannungsreiche Dramatik die europäische Kultur bis heute. Salvatore Sciarrino, einer der meistaufgeführten MusiktheaterkomponistInnen der Gegenwart, schöpft für seine neueste Oper, die am Stadttheater Klagenfurt ihre Uraufführung erlebt, ebenfalls aus diesem Quell. Grundlage des von ihm selbst geschriebenen Librettos ist insbesondere die Orestie, jene Tragödientrilogie, in der Aischylos den Übergang von archaischen Sitten wie Blutopfern und Familienfehden zur demokratischen Gesellschaft der attischen Polis beschreibt. So wie Aischylos seinen Blick auf die Gegenwart durch die Abgrenzung zur mythischen Vergangenheit schärft, stellt Sciarrino in seiner Oper die Frage, wie unser Blick auf die Vergangenheit unser Verhältnis zur Gegenwart charakterisiert.