Das Stillleben ist eine Bilderfindung, in der Objekte der Natur und des alltäglichen Lebens in verführerischer Schönheit erfasst und wiedergegeben werden. Zugleich beinhaltet das Stillleben eine verschlüsselte Botschaft, die über das Dargestellte hinausweist. Zwischen der dinglichen Opulenz, die Freuden und Genüsse des Lebens vor Augen führt, und dem Hinweis auf ihre Vergänglichkeit liegt die ganze Tragweite des Motivs. Deutlich wird: Natur ist unaufhaltsame Metamorphose, ein ewiger Kreislauf von Werden und Blüte, Vergehen und Tod. So komprimiert das Stillleben auch Motive, die in der rein ikonografisch ausgerichteten Kunstsammlung „Natur und Schöpfung“ der ALTANA Kulturstiftung vertreten sind und denen man seit Bestehen der Sammlung immer wieder neu begegnet.
Die Ausstellung Still bewegt setzt in 21 Filmen von 9 Künstlern die traditionelle Gattung auf unterschiedliche Weise „in Bewegung“. In den vergangenen 13 Jahren entstanden, erweisen sich diese Videos als ein bislang nicht gezeigtes Kompendium von beeindruckender Dichte. Zu sehen sind Arbeiten von Christoph Brech, Gabriella Gerosa, Ori Gersht, Pia Maria Martin, Stefanie Pöllot, Agnieszka Polska, Sam Taylor-Johnson, Wouter Verhoeven und Arnold von Wedemeyer.
Alle Künstler beziehen sich in ihren Filmen letztendlich auf die Stillleben der Alten Meister, also auf die „reinen“ Ursprungsmotive. Entsprechend geschieht dies nicht mittelbar durch einen vergleichenden Blick auf Stillleben des 19. oder 20. Jahrhunderts, sondern durch die Hinzunahme früher Stillleben vor allem des 17. Jahrhunderts, etwa von Gerrit Willemsz. Heda, Frans Snyders, Georg Flegel oder Abraham Mignon. Dabei werden die malerische und die motivische Innovation dieser großen Stilllebenepoche mit den avantgardistischen Ausdrucksformen des Films in Relation gesetzt. Die Gemälde sind mit Blick auf die zeitgenössischen Filme aus verschiedenen Sammlungen ausgewählt. Das hohe Maß künstlerischer Progressivität, das die historischen Stillleben in ihrer Zeit wie die neuen Videointerpretationen unserer Zeit gleichermaßen auszeichnet, wird in dieser Zusammenstellung erstmals konkret fassbar. Noch in anderer Weise profitieren beide Werkgruppen von diesem Miteinander: Die Alten Meister werden ihrer ausschließlich historischen Betrachtungsweise enthoben und gewissermaßen „aktualisiert“.
In diesem Zusammenspiel der Gemälde und Videos öffnet sich ein ganz besonderer „Zeit-Raum“, der grundlegende Fragen nach dem Verhältnis des Menschen zur vergehenden Lebenszeit aufwirft. In den Arbeiten der zeitgenössischen Künstler verwandelt sich das Stillleben in bewegte Tableaus der Vergänglichkeit und entfaltet dabei eine gegenwärtige Poesie.
bis 23. Februar 2014
Informationen
Museum Sinclair-Haus
Löwengasse 15, Eingang Dorotheenstraße
D-61348 Bad Homburg vor der Höhe
Tel. +49 (0) 61 72/404-128
http://www.altana-kulturstiftung.de
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