Die japanischen Farbholzschnitte Ukiyo-e der Sammlung Buchheim, die zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert werden, vermitteln einen sehr vielfältigen Eindruck von der außereuropäischen grafischen Kunst, die den wohl prägendsten Einfluss auf die europäische Moderne von Impressionismus bis Jugendstil ausgeübt hat.
Neben großen Namen wie Hiroshige hat Lothar-Günther Buchheim seine Sammeltätigkeit besonders auf zwei berühmte Künstler gelenkt, die in ihrem kraftvollen figürlichen Stil große Meisterschaft erreichten: Utagawa Kunisada (1786–1865) mit seiner Serie von Porträts berühmter Kabuki-Schauspieler vor den Stationen der Tōkaidō-Straße und Utagawa Kuniyoshi (1798–1861) als epischen Schilde-rer historischer, legendärer, zeitkritischer und auch humorvoller Szenen vor den Silhouetten des gebirgigen Kisokaidō-Wegs. Neben teilweise sehr blutrünstigen Heldensagen vermitteln Künstlerboheme, Gespenstergrusel, Straßenhändlertum und klösterliche Versuchung einen äußerst lebendigen Eindruck vom damaligen Leben in Japan.
In einem weiteren thematischen Schwerpunkt öffnet sich die Welt der schönen Halbweltdamen und der häufig auch nicht weniger attraktiven Bürgerfrauen. Schließlich geben großformatige Schlachtenszenen aus der Spätzeit dieser Holzschnittkunst einen Eindruck von der Qualität der Zeitungsillustrationen, bevor der Fotoapparat erfunden wurde. Abgerundet wird die Schau durch eine Serie von seltenen Färberschablonen aus Maulbeerbaumpapier, die im vorindustriellen Zeitalter beim Druck feiner Kimonostoffe zum Einsatz kamen.
Entdeckungsreise in japanische Welten
Aus der Gedankenwelt des Buddhismus war der Begriff Ukiyo-e in die Sphäre des aufblühenden Bürgertums gelangt. Die Bedeutung der „fließenden Welt“ sollte in der Religion auf die allgemeine Vergänglichkeit des Irdischen verweisen. In Bezug auf das sich rasch entwickelnde neue Bürgertum wurde sie hier nun eher als eine Aufforderung angesehen, die Freuden der Welt in Theatern, Restaurants, Bordellen und Ringkampfarenen zu genießen, solange sie vorhanden waren. Ukiyo-e war in diesem Sinn eine Manifestierung der Volkskultur der Edo-Zeit (1603–1865) und stand ganz im Gegensatz zur strengen, höfischen Kunst des Yamato-e.
Der Holzschnitt lebte aber von immer neuen Ideen. Dabei hatte er einen eigenen Formenstil entwickelt, besaß aber keine höheren geistigen Ambitionen wie die klassische Malerei. So wechselten die Sujets häufig, und die Drucktechnik entwickelte sich weiter. Während Moronobo noch die Sittengemälde bevorzugte, widmete man sich bald danach der Halbwelt, wie den Kabuki-Schauspielern und den Kurtisanen. Dazu kamen auch immer wieder aktuelle Ereignisse oder Skandale, die die Gemüter erregten und die sofort von den Holzschneidern bildlich umgesetzt wurden. In diesem Sinn wurden die Drucke bisweilen auch wie heutige Boulevardzeitungen verstanden, die man für wenig Geld erstehen konnte.
bis 7. April 2013
Informationen
Buchheim Museum der Phantasie
Am Hirschgarten 1, D-82347 Bernried
Tel. +49 (0) 81 58/99 7 00
April bis Oktober: Di–So und Fei 10–18 Uhr
November bis März: Di–So und Fei 10–17 Uhr
www.buchheimmuseum.de
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