KakaofruchtKakaofruchtSchokoladetafel

Schokolade – Geschichte einer Versuchung

Schokolade ist ein göttliches, ein himmlisches Getränk, Schweiß der Sterne, Lebenssamen, göttlicher Nektar, Trank der Götter, Wunder- und Allheilmittel“ (Antonio Lavedán, Chirurg in der spanischen Armee, in seinem Traktat über Kaffee, Tee und Schokolade von 1796).
Museumgasse 2, A-9021 Klagenfurt am Wörthersee

Die Zeiten, in denen die Kakaobohne ihr Dasein als einfache Tafelschokolade fristen musste, sind längst vorbei. Moderne Pharma- und Kosmetikkonzerne machen sich die anregenden und wohltuenden Kräfte der kleinen Bohne zu eigen. Die pflegenden Substanzen der Kakaobutter finden sich in Körperlotionen, Seifen oder Lippenstiften und zaubern ein seidig-weiches Gefühl auf die Haut. Peelings aus zerriebenen Kakaoschalen rubbeln Hautschüppchen ab, und Kakaobutterbalsam soll Verspannungen lösen. Aber nicht nur die Kosmetikindustrie profitiert, auch im medizinischen Bereich macht der Kakao viel her. Besonders die Schutzwirkung der in der Schokolade enthaltenen Flavonoide beschäftigte die Wissenschaft in den letzten Jahren. Hierbei erregte der Bitterstoff Epicatechin vermehrt das Interesse der Medizin, da ihm nachgesagt wird, dass er die vier häufigsten Krankheiten der westlichen Welt (Hirnschlag, Herzinfarkt, Krebs und Diabetes) auf weniger als zehn Prozent senken kann. Wer jetzt in Versuchung gerät, sich zu Hause mit ­einer täglichen Pralinendosis selbst zu therapieren, sei aber gewarnt: Die gesundheitsfördernden Stoffe in der Kakaobohne sind Untersuchungsgegenstand aktueller Forschungen und somit noch nicht der Wahrheit letzter Schluss. Daher erspart die Schokolade zwar nicht den Gang zum Arzt, versüßt aber bittere Medizin.

Bereits zu Beginn der neuen Sonderausstellung des Landesmuseums Kärnten wird klar, dass Schokolade immer mehr als reiner Genuss gewesen ist. So verwendeten bereits die präkolumbianischen Hochkulturen die Kakaobohnen als Opfergabe an die Götter. Im berühmten Dresden-Kodex findet man zum Beispiel Abbildungen sitzender Mayagötter, die Kakaobohnen in der Hand halten, die als „Götterspeise“ bezeichnet werden. Viele Jahrhunderte später gab der schwedische Naturforscher Carl von Linné dem Kakaobaum genau diesen poetischen Namen, nämlich Theobroma cacao. Verschiedene Darstellungen im Madrid-Kodex heben daneben eine starke symbolische Assoziation zwischen Kakao und menschlichem Blut hervor. Ne­ben dieser religiösen Seite stellt die Bohne aber auch einen absoluten Wirtschaftsfaktor dar. So dienten die Samen der Kakaofrucht als Zahlungsmittel: Der berühmte Aztekenkönig Montezuma hortete rund eine Milliarde davon in seiner Schatzkammer – ein unermessliches Vermögen, wenn man bedenkt, dass man mit nur 100 Kakaobohnen einen Sklaven kaufen konnte

Eine andere Seite der Kakaobohne ist ihr Ruf in Liebesdingen. So wusste der spanische Chronist Bernal Díaz del Castillo von einem gewissen, aus Kakao bereiteten Getränk, „das gut für den Erfolg bei Frauen sei“ zu berichten. Bereits von Kolumbus entdeckt, aber fälschlicherweise für Mandeln gehalten, erkannte erst der spanische Eroberer Hernán Cortés den wahren Wert der Kakaofrucht. Für ihn war das Getränk aus der bitteren Bohne ein wunderbares Stärkungsmittel, das seine Soldaten den ganzen Tag marschieren ließ. Die Spanier verfeinerten das ursprünglich ungesüßte Kakaowasser der Azteken mit Rohrzucker und verschiedenen Gewürzen; so dem er­lesenen Gaumen angepasst, eroberte die „heiße Schokolade“, ausgehend von der Iberischen Halbinsel, die gesamte europäische Welt. Der exklusive Charakter sowie die hohen Beschaffungskosten ließen die Schokolade auch hier – so wie in ihrem ­Ursprungsland – zu einem Luxusgut der gesellschaftlichen Oberschicht werden.

Anders als Kaffee, der durch seine aufmunternde Wirkung vom aufstrebenden Bürgertum geschätzt wurde, ist Schokolade mit dem müßiggängerischen Adel gleichgesetzt worden. Berühmte Schokoladenliebhaber wie Casanova oder der Marquis de Sade trugen zum frivolen Charakter dieses Heißgetränks bei. So soll der berühmteste Lieb­haber aus der Serenissima niemals ohne Schokoladenkanne außer Haus gegangen sein, da sich seiner Meinung nach das süße Getränk besser dazu eignete, Frauen zu verführen, als Champagner.

Dieser erotische Beigeschmack sorgte auch in klerikalen Kreisen für heftige Diskussion. Der Wiener Mediziner Johann Michael Haider bezeichnet in seiner „Disputatio medico diaetetica“ Schokolade als „Venusspeise“, daher sollte diese für die im Zölibat lebende Geistlichkeit verboten sein. Diese Aussage sorgte für so großen Unmut, dass es zur Verbrennung der Dissertationsschrift und zur Amtsenthebung des Doktorvaters kam. Aber darf ein tugendsamer Mönch von diesem erhitzenden Getränk kosten? Ist Schokolade überhaupt als Getränk zu werten, oder nährt sie auch den Körper? Rund zweieinhalb Jahrhunderte beschäftigten sich Laien sowie Geistliche mit der Streitfrage. Natürlich waren die Jesuiten aufgrund ihres regen Kakaohandels nicht der Meinung, dass Schokolade das Fasten breche. Die puritanischen Dominikaner als deren Widersacher schlossen sich dieser Meinung selbstverständlich nicht an. Man einigte sich schließlich darauf, dass die Zubereitungsart der Schokolade ausschlaggebend ist. Wenn man der Schokolade, so, wie es in Spanien üblich war, Brotkrumen zufügte, galt sie als Nahrungsmittel, dagegen ging sie nur mit Wasser vermischt als Getränk durch.

Im Lauf des 19. Jahrhunderts verringerten technische Innovationen und billigere Rohstoffe die Kosten der Schokoladenproduktion. Sie wurde so einer breiteren Bevölkerungsschicht zugänglich, zur echten Massenware entwickelte sich die Schokolade aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Neben dem klassischen Kakaogetränk war Schokolade nun auch in den verschiedensten festen Formen erhältlich. Schokohase und Co sorgten für große Beliebtheit bei Kindern, die bis heute eine wichtige Zielgruppe der Industrie bilden.
Welche Schritte notwendig sind, um aus der einfachen Kakaobohne eine erlesene Praline oder einen Schokonikolo zu fertigen, erfährt der Besucher im zweiten Teil der Ausstellung, und spätestens hier sollte Groß und Klein das Wasser im Mund zusammenlaufen. Im Zuge diverser Veranstaltungen gibt es deswegen die Möglichkeit, exklusive Schokolade gleich vor Ort zu verkosten.

In diesem Sinn: Lassen Sie sich die Ausstellung auf der Zunge zergehen …

Informationen
bis 10. Januar 2010
Neu! Schokoshop im Landesmuseum Rudolfinum
Landesmuseum Kärnten, Museumgasse 2
A-9021 Klagenfurt am Wörthersee
Tel. (+43) 050 536-30599
Di–Fr 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr,
Sa, So, Fei 10–17 Uhr
[email protected]
www.landesmuseum-ktn.at
www.kultur.kaernten.at

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