Der Titel dieser Ausstellung des 1943 geborenen amerikanischen Künstlers James Turrell lässt Großes erahnen. Im Mittelpunkt steht eine Raum-in-Raum-Konstruktion in der Tradition der Ganzfeld Pieces, die sich auf 700 Quadratmetern bis unter die verglaste Museumsdecke ausdehnt. In den zwei ineinander übergehenden Räumen – beide vollkommen leer und erstmals vollständig mit sich langsam änderndem, diffusem Farblicht ausgeflutet – offenbart sich das Licht selbst. Im homogenen Sehfeld heben sich alle architektonischen Gegebenheiten auf und lassen den Betrachter mit all seinen Sinnen in ein „sublimes Lichtbad“ eintauchen. Der Künstler selbst nennt diese Erfahrung „mit den Augen fühlen“.
Das Wolfsburg Project spiegelt die Struktur eines noch viel größeren Projekts des Künstlers wider: des künstlerischen Lichtobservatoriums Roden Crater. 1972 entdeckte der leidenschaftliche Pilot in der Wüste Arizonas bei Flagstaff den 150 Meter aus der Colorado-Hochebene ragenden erloschenen Vulkanberg. Seit 1974 baut Turrell dort an einem komplexen unterirdischen System aus Gängen, fernrohrartigen Tunneln und meditativen Kammern. Durch astronomisch genau berechnete Öffnungen dringt das Licht ins Vulkaninnere. Dort wird es in gestalteten Hohlräumen, den sogenannten Skyspaces, aufgefangen und in seinen verschiedenartigen Qualitäten, in seiner puren Totalität und reinen Erhabenheit gestaltet und wahrnehmbar gemacht.
Wenn der Roden Crater den Himmel auf die Erde holt, so kehrt das Wolfsburg Project im Museumsbau den zum Himmel hin geöffneten Roden Crater gleichsam in einen unendlichen Innenraum oder, wie Rilke sagen würde, in den „Weltinnenraum“ um. Auch die Verbindung „Wolfsburg–Arizona“ handelt von rationaler Technikbegeisterung und mystischer Naturerkenntnis. Mit der vielschichtigen Verknüpfung von Naturwissenschaft, Philosophie, Kunst und Technik knüpft das Wolfsburg Project an das Generalthema des Museums an, das sich „der Zukunft der Moderne im 21. Jahrhundert“ widmet. Die Stadt Wolfsburg selbst, die erst vor gut 70 Jahren in der niedersächsischen Ebene gegründet wurde und einen innovativen Weltkonzern beherbergt, ist ein Modellfall der Moderne, die durch die Globalisierung heute neue Impulse erhält.
Die Ausstellung The Wolfsburg Project
im Ganzen bespricht punktuell über das Hauptwerk hinaus die Werkentwicklung des Lichtvirtuosen. Die ersten Lichtarbeiten, die sogenannten Projection Pieces, die in Form von Druckgrafiken aus der Serie First Light repräsentiert sind, bilden den inhaltlichen Auftakt der Ausstellung. Über eine spezifisch für Wolfsburg entstandene technische Weiterentwicklung der spektralen Keilarbeiten (Wedgeworks) spannt sie den Bogen zu dem 2007 entstandenen Werk Spinther aus der jüngsten Werkgruppe der Tall Glass Pieces. Diese sind großformatige, mit elektrisch gesteuerten Leuchtdioden hinterlegte Glasbilder, deren programmierte Kleinstlichter sich in subtilem Farbverlauf ändern und gleichsam den Himmel über dem majestätisch emporragenden Vulkanberg in den Ausstellungsraum holen.
bis 5. April 2010
The Making of
Der Bau und die Präsentation der Turrell-Arbeiten im Kunstmuseum haben von den Mitarbeitern des Museums und seinen Partnerfirmen erneut Höchstleistungen gefordert. Zum einen sind die technischen und handwerklichen Anforderungen dieser Lichtinstallationen überdurchschnittlich anspruchsvoll, zum anderen ist auch für die Besucher in einem Kunstwerk, das in den Menschen unmittelbar die verschiedensten Reaktionen auslöst, eine sehr umsichtige Begleitung notwendig. Diese besondere Art der Besucherbetreuung und -beaufsichtigung erbringt für das Museum die WWS Kurt Strube GmbH, ein Partner des Kunstmuseum Wolfsburg seit 1994.
Informationen
Kunstmuseum Wolfsburg
Hollerplatz 1, D-38440 Wolfsburg
Tel. (+49-53 61) 26 6 90
Mi–So 11–18 Uhr, Di 11–20 Uhr, Mo geschlossen
[email protected]
www.kunstmuseum-wolfsburg.de
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