Für das Städel Museum, das selbst eine der bedeutendsten Altniederländersammlungen der Welt besitzt, bedeutet diese Ausstellung einen Meilenstein innerhalb der Altniederländerforschung, die am Haus seit vielen Jahren intensiv betrieben wird.
Neben dem Brüderpaar Hubert und Jan van Eyck sind es vor allem der „Meister von Flémalle“, vielfach mit dem Tournaiser Maler Robert Campin gleichgesetzt, und sein zeitweiliger Mitarbeiter, der spätere Brüssler Stadtmaler Rogier van der Weyden, die für die Entstehung und frühe Entwicklung der altniederländischen Malerei von zentraler Bedeutung sind. Sie stehen für die Entdeckung der sichtbaren Welt, die dank einer raffinierten neuen Maltechnik, der Ölmalerei, in bis dahin ungesehener detailrealistischer Manier geschildert wird: ein kostbarer Brokatstoff oder die Träne auf der Wange einer trauernden Madonna, die Altersspuren im Gesicht einer alten Frau oder die am fernen Horizont sichtbaren schneebedeckten Alpengipfel – die niederländischen Maler des 15. Jahrhunderts machen Motive bildwürdig, welche die europäische Malerei zuvor nicht gekannt hatte. Zugleich werden diese augentäuschend genau wiedergegebenen Details der sichtbaren Welt genutzt, um auf eine transzendente Wirklichkeit jenseits der banalen Alltagsrealität hinzuweisen, ist die Vorstellungswelt der Zeit doch noch zutiefst von religiösen Ideen geprägt.
Auch wenn der „Meister von Flémalle“ alias Robert Campin und Rogier van der Weyden zu den bedeutendsten und innovativsten europäischen Künstlern des 15. Jahrhunderts zählen, auch wenn ihre Gemälde wie der Mérode-Altar aus dem Metropolitan Museum of Art, The Cloisters, oder der Marienaltar aus der Gemäldegalerie in Berlin zu den schönsten und populärsten Werken spätmittelalterlicher Kunst gehören – beide Werke werden in Frankfurt zu sehen sein –, so hat es bis heute doch noch keine monografische Ausstellung gegeben, die sich diesen beiden Malern und ihrem Werk gewidmet hat. Doch der direkte Vergleich der beiden Œuvres – gerade in Fragen der Stilkritik – ist in diesem Fall von besonde-
rer Wichtigkeit. Denn ebenso, wie die Gleichsetzung des Meisters von Flémalle mit Campin bis heute umstritten ist, ist auch sein Œuvre in der Abgrenzung zu dem Rogier van der Weydens Gegenstand der Kontroverse. Allein vier monumentale Buchmonografien sind den beiden Künstlern in den letzten Jahren gewidmet worden, die zu teilweise drastisch divergierenden Antworten auf diese Frage kommen.
In dieser Situation bietet eine Ausstellung, welche die Werke beider Künstler zum Teil seit Jahrhunderten erstmals wiedervereint, die große Chance, auf der Basis des direkten Vergleichs zu neuen überzeugenden Lösungsvorschlägen zu gelangen. Etwa 50 Meisterwerke beider Künstler werden aus diesem Anlass in der Ausstellung Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden zusammengeführt werden. Sie kommen aus den bedeutendsten Museen der Welt, darunter das Museum voor Schone Kunsten in Antwerpen, die Gemäldegalerie in Berlin, das Groeningemuseum in Brügge, das Art Institute of Chicago, das Cleveland Museum of Art, das Musée des Beaux-Arts in Dijon, das Museum der bildenden Künste in Leipzig, das Museu Calouste Gulbenkian in Lissabon, die National Gallery in London, das J. Paul Getty Museum in Los Angeles, das Museo del Prado in Madrid, das Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid, das Metropolitan Museum of Art in New York, das Musée du Louvre in Paris, die Staatliche Eremitage in Sankt Petersburg, die National Gallery of Art in Washington, D. C., und das Kunsthistorische Museum in Wien. Eine Ausstellung des Städel Museums, Frankfurt, und der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin.
21. November 2008 bis 22. Februar 2009
Leserkommentare
Zum Kommentieren kostenfrei registrieren oder anmelden.