Arman_o.T.Lucio Fontana, Concetto spaziale attese, 1966-67, Öl auf LWPresse_GrowePresse_HeilmannPresse_Williams

Aufbruch – Malerei und realer Raum

„Zur Hölle mit den Bildern. […] Unsere Kunst […] sollte ins Auge springen, und dies direkt.“
Museumsplatz 1, D-67657 Kaiserslautern

Der amerikanische Künstler Ellsworth Kelly bringt mit Nachdruck auf den Punkt, was seit den 1950er-Jahren eine Vielzahl von Malern umtrieb. Sie waren auf der Suche nach neuen Ansätzen, um die Geschlossenheit der gerahmten Bildfläche zu überwinden. Ausgehend von 15 Arbeiten, die als Eigentum oder Dauerleihgaben zum Bestand des mpk gehören, ergänzt mit über 60 Leihgaben aus Privatsammlungen und Stiftungen des In- und Auslands, bietet die Ausstellung, die bis 22. April zu sehen ist, in einer enormen Vielfalt Einblick in diese künstlerischen Strategien. Der Fokus liegt auf europäischen und nordamerikanischen Künstlerinnen und Künstlern und auf deren malereispezifischer Entwicklung in die faktisch dritte Dimension.
Anstatt sich wie bisher der Perspektive zu bedienen, stoßen die Arbeiten in den realen Raum vor. Ihre Entgrenzung vollzieht sich als sinnliches Ereignis ohne erzählerische Komponenten. Diese Werke repräsentieren ausschließlich sich selbst und werfen dabei zugleich neu entstandene Fragen von Raum, Zeit und Wahrnehmung auf.
Im Jahr 1949 durchstieß der Italiener Lucio Fontana erstmals mit einem Locheisen die Leinwand und schuf damit einen realen Tiefenraum im Bild. Ellsworth Kelly entwickelte in Paris sein erstes rahmenloses Bildobjekt, das auf die klassisch rechteckige Form verzichtete. 1952 begann der Franzose François Morellet weiß gestrichene, einfache Bildtafeln mit sich wiederholenden Strukturen zu überziehen, „so dass der Blick keinen Abschluss findet“ – so Erich Franz im Katalog. Diese Künstler waren die Ersten, welche die festen Grenzen der gerahmten Bildfläche auflösten und den fiktiven Bildraum durch den Bezug zum realen Umraum ergänzten.
Kontrastierende Farbenergien sprengen bei Günter Fruhtrunk die Fläche. Sie bieten keinen festen Ausgangspunkt, an ihre Stelle treten schwankende und sich ständig ändernde Bewegungen. Emil Schumacher, Arman, Antoni Tàpies und Jürgen Meyer verwandeln den Farbkörper massiv mit konkreten Materialien hin zur Räumlichkeit. Mit dynamischen Attacken überlagert neben Lucio Fontana auch Arnulf Rainer die bildliche Geschlossenheit. François Morellet, Robert Mangold und Sabine Straßburger unterlaufen mit klaren, doch gegensätzlichen formalen Elementen eine einheitliche Bildauffassung.
Ganz gleich, welcher Künstler sich hinter den Werken verbirgt, eins eint sie alle: Sie schaffen für den Besucher besondere sinnliche Erlebnisse – sei es über das Material, indem Farbe wie Spachtelmasse dick aufgetragen wird, sei es über den Einsatz von optischen Effekten, mit denen glatte Flächen eine (optisch) gefühlte Räumlichkeit erzeugen, die mit den gegebenen Flächen nichts gemein hat (Charles Hinman, Ron Gorchov). Last, but not least lässt eine leuchtend blaue Oberfläche bei Yves Klein einen Tiefenraum erleben, der jenseits aller realen Räumlichkeit liegt.
Das mpk stellt an Werken von „Klassikern“, aber auch weniger bekannten und jüngeren Künstlern optische Kräfte und malerische Energien vor, mit denen die Wahrnehmung des Betrachters über die Grenzen des traditionellen Tafelbilds hinausgeführt wird. Zu den weiteren Künstler(inne)n zählen Bram Bogart, John Carter, Ronald Davis, Ger van Elk, Sam Francis, Ulrich Gehret, Rupprecht Geiger, Kuno Gonschior, Gotthard Graubner, Joachim Grommek, Michael Growe, Noriyuki Haraguchi, Mary Heilmann, Eva Hesse, Imi Knoebel, Rob van Konigsbruggen, Harriet Korman, Mischa Kuball, Norvin Leineweber, Jürgen Meyer, Manfred Mohr, Ulrich Moskopp, Alfredo Álvarez Plágaro, Staf Renier, Erich Reusch, Robert Ryman, Emil Schumacher, Henriyk Stazewski, Antoni Tàpies, Claude Viallat, Yvaral, Leon Polk Smith, Frank Stella, Günter Uecker, Lee Ufan, Eisabeth Vary, Jan Wawrzyniak, Neil Williams und Herbert Zangs.
Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog mit Aufsätzen von Erich Franz und Robert Kudielka sowie kurzen Textbeiträgen von Studierenden des Kunstgeschichtlichen Instituts der Ruhr-Universität Bochum sowie Mitarbeitern der beteiligten Museen erschienen (279 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, 24 Euro, erhältlich im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern).

bis 22. April 2012

Informationen

Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern

Museumsplatz 1, D-67657 Kaiserslautern

Tel. +49 (0) 631/36 47-201

Di 11–20 Uhr, Mi–So 10–17 Uhr,

Fei 10–17 Uhr

[email protected]

www.mpk.de