Im Weißen Rössl: Immer so, holdrio!
Das Lehár Festival Bad Ischl feiert heuer sein 50-jähriges Bestehen. Intendant Dr. Michael Lakner wählte als Eröffnungspremiere Ralph Benatzkys berühmte Hommage an das Salzkammergut. Im Weißen Rössl wird vom berühmten „Professor Abronsius“, dem Schauspieler, Autor, Musicalstar, Operettenbuffo und Kabarettisten Gernot Kranner, inszeniert.
Im Weißen Rössl ohne Wolfgangsee? Und ohne Musik? Klingt unglaublich, war aber ursprünglich so: Der Bühnenautor Oscar Blumenthal, nebenbei Kritiker und wegen seiner deutlichen Worte als „blutiger Oscar“ bekannt, fand das Vorbild für seine Wirtin im Dorfgasthaus in Lauffen bei Bad Ischl, komplett mit verliebtem Zahlkellner und angeschwärmtem Dauergast. Des Panoramas wegen verlegte er die Handlung an den Wolfgangsee, in das gleichnamige Gasthaus, das seit knapp 20 Jahren bestand. Bei der Premiere 1897 war Im Weißen Rössl nur ein Sprechstück, und Kaiser Franz Joseph I., damals noch keine 70 Jahre alt, gehörte auch noch nicht zum Personal – er ist erst seit 1930 fürs Happy End im Weißen Rössl zuständig.
Zum Jahrhunderterfolg als Revueoperette und erstes deutsches Musical fehlten noch mindestens drei Personen: zunächst der Produzent, Regisseur, Tänzer und Schauspieler Erik Charell, der im Berlin der 1920er-Jahre das Große Schauspielhaus von Max Reinhardt übernommen und mit einer Reihe von modernisierten Operetten zum Erfolg geführt hatte (er brachte die Londoner Tiller Girls nach Berlin und den Jazz in Die lustige Witwe). Dann brauchte es den Schauspieler Emil Jannings, der als (bis heute!) einziger Deutscher den Oscar als bester Hauptdarsteller erhalten hatte und seinen Urlaub bevorzugt im Salzkammergut verbrachte. Er wies Charell auf den Stoff hin, der bereits 1926 mit Liane Haid und Max Hansen stumm verfilmt worden war. Und schließlich den Komponisten, Arrangeur und Texter Ralph Benatzky, den Erik Charell mit der musikalischen Oberaufsicht beauftragte. Leider musste Benatzky bald feststellen, dass Charell auch für die Musik zu seinem Rössl mindestens drei Personen brauchte …
Robert Stolz steuerte die beiden Titel „Die ganze Welt ist himmelblau“ und „Mein Liebeslied muss ein Walzer sein“ bei, von Robert Gilbert nahm Charell kurzfristig das Lied vom „schönen Sigismund“ hinzu (und ließ ihn entgegen seiner Vereinbarung mit Benatzky auch die gesamten Liedertexte schreiben), und Eduard Künneke übernahm die Instrumentation. Sein Lavieren brachte Charell zwar, ganz im Stil einer Revue, ein Musikkaleidoskop der hervorragendsten Komponisten, aber auch rechtliches Ungemach: So prozessierte Robert Stolz angesichts des Welterfolgs noch in den 1950er-Jahren gegen Charell, der ihn für seine beiden Titel mit einer übersichtlichen Einmalzahlung abgefunden hatte.
Und ein Welterfolg war das Weiße Rössl wahrlich: Nach der Berliner Uraufführung am 8. November 1930 trat es seinen Siegeszug durch Deutschland über London, Wien und Paris an den New Yorker Broadway an, nach Sydney und Südafrika – bis nach dem Zweiten Weltkrieg die österreichische Skimannschaft in den USA statt mit der Nationalhymne mit dem Marsch „Im Weißen Rössl am Wolfgangsee“ begrüßt wurde! Nach drei Verfilmungen, mit den Rössl-Wirtinnen Christl Mardayn 1935, Johanna Matz 1952 und Waltraut Haas, gemeinsam mit dem unvergessenen Peter Alexander als Zahlkellner Leopold 1960, erlebt der fidele Fremdenverkehr seit den 1990er-Jahren seine Renaissance auch auf der Theaterbühne. Das Lehár Festival Bad Ischl feiert heuer gar sein 50-jähriges Bestehen im Weißen Rössl: Ulrike Beimpold als Wirtin, Boris Pfeifer als Leopold und Christoph Wagner-Trenkwitz als schöner Sigismund laden ein – kaum 15 Kilometer vom Originalschauplatz. Und bei der letzten Vorstellung am 4. September darf das Publikum mitsingen – „holdrio“!
16. Juli bis 4. September 2011
Informationen
Lehár Festival Bad Ischl
Kurhausstraße 8, A-4820 Bad Ischl
Tel. (+43-61 32) 23 8 39
www.leharfestival.at
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