„Die Arbeit des guten Bildersammlers ist Detektivarbeit, anstrengend, aber spannend, die Unterhaltung des Bilderliebhabers seit vielen Jahrhunderten. Der gute Sammler hat keine Eile, seine Gabe zwingt ihn zur Ruhe, zur Beschäftigung mit den Bildern von Jungen, von Alten, von Unbekannten, von Toten, mit Bildern, die kein Modejournal gedruckt, kein Kritiker gelobt hat.“ So schreibt Josef Mikl in dem 1991 entstandenen Text „Vom guten Bildersammler“. Monsignore Dr. Alfred Sammer hatte keine Eile: Er sammelte seit seiner Gymnasialzeit Kunst vom Barock bis in die unmittelbare Gegenwart. Dabei unterwarf er sich nie dem Diktat einer strikten Sammlungsstrategie – er kaufte, was ihm gefiel. Trotzdem ist seine Sammlung nicht planlos. Unschwer lassen sich thematische Vorlieben erkennen, die in größeren Werkblöcken ihren Niederschlag finden. Blätter religiösen Inhalts nehmen in der Sammlung naturgemäß eine wichtige Stellung ein. Die Grafiken des „Kremser“ Schmidt, der seine eigenen großformatigen Gemälde virtuos in das Medium der Radierung zu übersetzen vermochte, bilden hier zusammen mit einigen barocken Meisterzeichnungen den Ausgangspunkt. Das 20. Jahrhundert bietet viele unterschiedliche Zugänge zum Thema – die Ausstellung regt zum Vergleichen an: Alfred Hagel und Paul Meinke als Vertreter des Art déco um 1920 zeigen sich noch stark dem Symbolismus verpflichtet. Künstler des Expressionismus finden zu kraftvollen Formulierungen religiöser Themen, etwa Herwig Zens mit seinen expressiven Neuinterpretationen des mittelalterlichen Totentanzthemas. Einen eigenen Weg geht Peter Atanasov mit seinem Apostelmartyrium, das ohne menschliche Figuren auskommt.
Überrascht wird man etwa feststellen, wie wichtig das Symbol „Kreuz“ in der modernen Kunst ist.
Landschaft und Stadtvedute sind durch mehrere meisterhafte Beispiele vertreten. Besonders hervorzuheben sind hier die duftigen Aquarelle von Ernst Huber, Gustav Hessing und Hans Wulz. Die Begeisterung des Sammlers für die Kunstschätze Italiens spiegelt sich in mehreren Arbeiten. Den Baudenkmälern Venedigs begegnen wir auf mehreren Blättern von Lois Egg, Karl Kreutzberger und Franz Elsner, dem antiken und barocken Rom auf Arbeiten von Rudolf Hradil, Gerhard Gutruf, Ernst Schrom und anderen. Auch Wien, die Heimatstadt des Sammlers, ist auf zahlreichen Arbeiten präsent. Ein kraftvoll-monumentaler Stephansdom ist auf einem Holzschnitt von Johannes Wanke einer blutroten Sonne gegenübergestellt. Wehmütig stimmt das Aquarell von Ernst Schrom, das die barocke Rauchfangkehrerkirche auf der Wiedner Hauptstraße wenige Wochen vor ihrem Abbruch im Jahr 1965 festgehalten hat.
Die zahlreichen Figurenstudien, die einen eigenen großen Werkblock innerhalb der Sammlung bilden, entspringen dem Interesse des Sammlers für den Akademiebetrieb und dessen Geschichte. So ergibt sich ein faszinierender Blick auf die künstlerische Beschäftigung mit dem menschlichen Körper, ausgehend von Proportionsstudien aus einem französischen Zeichenlehrbuch des 18. Jahrhunderts zu den Studienköpfen eines Jakob Matthias Schmutzer, einer Antikenstudie von Leopold Kupelwieser und einer Charakterstudie von Peter Fendi bis zu Künstlern, die den menschlichen Körper studierten und skizzierten, um ihn letztlich auf seine geometrischen Grundformen zu reduzieren: Cornelius Kolig, Fritz Wotruba und Joannis Avramidis.
Die Beschäftigung mit antiker Mythologie in verschiedensten Stilrichtungen lässt sich in Arbeiten von Josef von Führich, Alexander Rothaug und Daniel Friedemann nachvollziehen.
Maximilian Melcher und Walter Eckert sind zwei Künstler, die jahrzehntelang an der Wiener Akademie lehrten und aus deren Klassen zahlreiche prominente Vertreter der österreichischen Gegenwartskunst hervorgegangen sind, deren eigene künstlerische Arbeiten aber kaum bekannt sind. Hier werden nun Arbeiten dieser verdienstvollen Lehrer denen ihrer Schüler gegenübergestellt.
Zum Plakatmotiv auserkoren wurde eines der formatmäßig größten und kraftvollsten Blätter der Sammlung. Senatus consultum von Markus Prachensky verbindet Kenntnis und Liebe der antiken Architektur Roms mit der impulsiven Kraft des abstrakten Expressionismus und steht programmatisch für die Sammeltätigkeit Alfred Sammers: in den Traditionen der Vergangenheit verwurzelt und doch ganz stark am Heute orientiert.
Informationen
26. April bis 16. November 2009
Stift Klosterneuburg, Stiftsmuseum
täglich 9–18 Uhr
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