Noch heute verbindet sich die gängige Vorstellung vom Bauhaus mit der Ära der Schule nach 1925, mit dem Bauhaus-Gebäude in Dessau, einer Inkunabel der modernen Architektur, mit Designklassikern wie dem Wassily Chair von Marcel Breuer, mit angeblich rein weißer Architektur und der Vorherrschaft des rechten Winkels. Insbesondere die Frühzeit des Bauhauses in Weimar ist nach wie vor im öffentlichen Bewusstsein weniger präsent, trotz maßgeblicher Ausstellungen zu diesem Thema, von denen eine bereits 1994 in Weimar in der ehemaligen Kunsthalle auf dem Theaterplatz, dem heutigen Bauhaus-Museum Weimar, stattgefunden hat.
Wenig bekannt sind auch die vielen Bezüge, die das Bauhaus zum Ort seiner Gründung knüpfen sollte. Walter Gropius selbst schrieb am 14. April 1919 in einem Brief an den damaligen Intendanten des Weimarer Nationaltheaters, Ernst Hardt: „Ich glaube bestimmt, dass Weimar gerade um seiner Weltbekanntheit willen der geeignetste Boden ist, um dort den Grundstein einer Republik der Geister zu legen. Schaffen wir doch zunächst eine Idee, die wir mit allen Mitteln in der Öffentlichkeit propagieren, so wird die Ausführung nach und nach folgen. […]“ Weder Berlin noch eine andere große Stadt waren für Gropius der angemessene Ort, wo er seine Vorstellung von einer Schule realisieren wollte, deren Lehrprogramm die Zusammenführung aller Künste unter den „großen Flügeln der neuen Architektur“ beinhaltete. Es war vielmehr Weimar als Stadt des Geists, der Literatur und der Künste, eine Stadt, die gemäß den Vorstellungen der Avantgarde jener Zeit gerade deshalb ideengeschichtlich ausgezeichnet war, weil ihre Kulturgeschichte nationale wie europäische Dimensionen aufwies. Weimar war für die Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem die Stadt, in der wichtige Protagonisten der Moderne wie Franz Liszt, Friedrich Nietzsche, Harry Graf Kessler oder Henry van de Velde gelebt und gewirkt hatten. Weimar als Sitz der Nationalversammlung, als Ort neuen demokratischen Bewusstseins, war darüber hinaus auch insofern für einen Neubeginn kulturellen Lebens nach dem Ersten Weltkrieg prädestiniert, als die Vorstellungen der damaligen Avantgarde nicht nur in Richtung auf eine Reform der Künste, sondern umfassend auch auf eine Reform der Gesellschaft zielten. Bald jedoch sollte auch Gropius erkennen, dass sich in Weimar insbesondere ein traditionelles, bildungsbürgerliches Verständnis von Klassik und eine neue Sichtweise auf kulturelle Entwicklungen unversöhnt gegenüberstanden. Es herrsche ein „Kampf zwischen der alten zerbröckelnden klassischen Bildung, für die Weimar ein Hauptbollwerk ist, mit der eruptiv neu aufbrechenden, sagen
wir neuen gotischen Weltanschauung“, schrieb Gropius am 13. Januar 1920 an Edwin Redslob.
Die Ausstellung der Klassik Stiftung Weimar wird sich ausführlich diesen Kontinuitäten und Brüchen in der Geschichte des Bauhauses in Weimar widmen, dabei aber auch Ausblicke auf die Entwicklungen in Dessau geben.
Das Bauhaus kommt aus Weimar bis 5. Juli 2009
Eine Ausstellung im Bauhaus-Museum, im Neuen Museum Weimar, im Schiller-Museum, im Goethe-Nationalmuseum und im Haus am Horn
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