Mit den 1970er-Jahren erreicht das MUSA nun das dritte Jahrzehnt des Rundgangs durch die eigene Sammlungsgeschichte. Seit 1951, dem Geburtsjahr der Sammlung, war die Förderung der bildenden Künste durch die Stadt Wien vor allem auf Ankäufe von Kunstwerken konzentriert gewesen, sodass zu Beginn des Jahres 1970 der Bestand bereits auf etwa 6000 Objekte angewachsen war. Aus dieser Förderungspraxis entstand eine einzigartige Sammlung zeitgenössischer Kunst, die heute ungefähr 30 000 Werke von 4000 Wiener Künstler(inne)n umfasst.
Im dritten Jahrzehnt des Sammlungsaufbaus (1970–1979) konnte die Kulturabteilung 2200 Kunstwerke von etwa 731 Künstler(inne)n erwerben.
Parallel dazu wurden im Rahmen von „Kunst am Bau“ (KAB) 243 Skulpturen, Mosaike und Wandmalereien realisiert. Obwohl dafür, wie schon in den vorangegangenen beiden Jahrzehnten, ein deutlich höheres Budget aufgewendet wurde als für den Kunstankauf, ging die Zahl der Errichtungen im öffentlichen Raum um die Hälfte zurück. Hier zeichnet sich ein Trend ab, der bereits das Ausklingen dieser ehemals so erfolgreichen Initiative im Folgejahrzehnt ankündigt.
Ein weiterer Teil der Sammlung verdankt sich großzügigen Schenkungen, die auch das Konvolut der 1970er-Jahre mit aussagekräftigen Werken ergänzen.
Aus diesen drei Elementen resultiert der Gesamtbestand des MUSA an Werken aus den 1970er-Jahren, der sich auf 3500 Arbeiten von 800 Künstler(in-ne)n beläuft.
Die 1970er-Jahre sind durch den politischen Wechsel unter Bruno Kreisky geprägt. Dieser brachte eine tiefgreifende Modernisierung der Gesellschaft mit einem Ausbau des Wohlfahrtsstaats und Reformen unter anderem in der Justiz, der Bildung, beim Bundesheer und im Sozialwesen. Österreich öffnete sich verstärkt dem internationalen Geschehen und wurde mit der Errichtung der UNO-City wieder Teil der Weltbühne. Fernsehen und allgemeine Mobilität veränderten den Alltag. Der gestiegene Wohlstand bewirkte einerseits lebhaften Konsum, brachte andererseits aber auch schwerwiegende Folgen für die Umwelt mit sich. Dies führte wiederum zu einem verstärkten ökologischen Bewusstsein. Ölschock und darauffolgende Krisen der Wirtschaft trugen zur Intensivierung eines Zeitgeistgefühls bei, in das sich nach dem ungebremsten Fortschrittsglauben der 1960er-Jahre zunehmend Zweifel und Ängste mischten. Nachdem alles möglich geworden war, wurde nun klar, dass dies seine Gültigkeit ebenso in negativer Hinsicht hat.
All die technologischen Fortschritte und sozialen Veränderungen spiegeln sich in der bildenden Kunst. Neue Themen und Haltungen kommen ins Spiel und überlagern die seit der Ausstellung Wirklichkeiten (Secession, 1968) dominierenden malerischen Ausdrucksformen. So treten in den verschiedenen Medien bald abstrakt geometrische und konzeptuelle Tendenzen hervor. In vielen Werken findet die investigative Neugier vieler Künstler(in-nen) in Konstruktion und Dekonstruktion von Mensch, Natur und Technik medienübergreifend ihren Ausdruck. Es ist dies eine Kunst, die sich an den politischen und sozialen Vorgängen beteiligt und danach strebt, mit ihren Kräften und Mitteln wirksam zu werden.
Für die Ankaufspolitik der Stadt Wien spielt der zuvor dominierende fantastische Realismus kaum noch eine Rolle, wenngleich dessen Protagonist(inn)en nach wie vor international in Ausstellungen gezeigt werden. Auch der Wiener Aktionismus verliert an Wirkkraft. Stattdessen rückt eine feministisch orientierte Kunst verstärkt in den Fokus des Interesses. Das Fernsehen sowie damals allgemein in Gebrauch kommende Tonbänder und Videotechnologie, die „Neuen Medien“ dieses Jahrzehnts, werden besonders prominent von Künstlerinnen eingesetzt, in deren Werkprozess der performative Aspekt oftmals wesentlich ist.
Erst in diesem Jahrzehnt erreicht die Fotografie den Status der Kunstwürdigkeit für die Sammlung des MUSA.
Gegen Ende des Dezenniums erleben Figuration und genialischer Gestus mit den „neuen wilden“ Malern ein Revival.
Die Kuratoren befragen die Kunst der „70er-Jahre“ aus der Sammlung des MUSA auf neue Spielmöglichkeiten und alte Konventionen in inhaltlicher wie formaler Hinsicht und verlassen sich nicht ausschließlich auf den kunsthistorischen Kanon. Neue Phänomene und innovative Strömungen finden besondere Beachtung, die Sammlungspolitik wird mit der heutigen, rückblickenden Gewichtungen konfrontiert.
2. Juli 2013 bis 4. Januar 2014
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