Eine neue Sonderausstellung des Museumsdorfs Cloppenburg zeigt die bäuerliche Möbelkultur aus fünf Jahrhunderten.
Ob vielfarbig gefasste Weichholzmöbel aus Ostfriesland, reich gegliederte und geschnitzte Eichenmöbel aus dem Ammerland, aus dem Osnabrücker Land oder
aus dem Emsland: Die Möbelkultur
im deutschen Nordwesten zeigt sich äußerst vielseitig.
Über eine reiche Sammlung außerordentlicher Möbel aus dieser Region verfügt nach 90 Jahren intensiven Sammelns das Museumsdorf Cloppenburg, das niedersächsische Freilichtmuseum. So alt ist das Museum in diesem Jahr, und
die Möbelkultur des ländlichen Raums gehörte von Beginn an zu den Schwerpunkten der Sammlungs- und Forschungstätigkeit. Die Sammlung repräsentiert heute die bäuerliche Wohnkultur aus der Zeit vom 17. bis zum 20. Jahrhundert in Nordwestdeutschland.
In einer Schausammlung zeigt das Museum jetzt unter dem Titel Prachtstücke einen breiten Querschnitt dieser Sammlung. Sie ist als Dauerausstellung in der Münchhausenscheune zu sehen, dem zentralen Ausstellungsgebäude des Freilichtmuseums.
Die Ausstellung zeigt nicht nur die Möbelvielfalt der Region, sondern spiegelt auch die jahrzehntelange Forschungsarbeit des Hauses, die für fast ein Jahrhundert mit den Namen Heinrich und Helmut Ottenjann verbunden war. Umfangreiche, flächendeckende Erhebungen zum erhaltenen Gesamtbestand historischer Möbel der Re-
gion sind dank ihrer Arbeit die Grundlage für die wissenschaftliche Einordnung der im Cloppenburger Museum erhaltenen Sammlung. Außer Truhen, Wirtschaftsschränken, Anrichten und Kleiderschränken werden auch Schreibmöbel und vollständige Wohnraumensembles gezeigt.
Besonderes Interesse ist neben den häu-
fig überreich beschnitzten Möbeln den farbig gefassten Schränken, Truhen und Tischen sicher.
Mit diesen farbig bemalten Möbeln ist oft die Vorstellung verbunden, diese seien typische „Bauernmöbel“. Auch gibt es landläufig die Meinung, dass nur Weichholzmöbel bemalt seien, Eichenmöbel dagegen nicht. Die Möbelforschung im Museumsdorf Cloppenburg, für die bis heute der Name seines früheren Direktors Helmut Ottenjann steht, hat jedoch ergeben, dass beide Vorstellungen so nicht haltbar sind.
Die farbige Fassung geschnitzter oder ungeschnitzter Hartholzmöbel Nordwestdeutschlands hat eine alte, weit ins Mittelalter zurückgreifende Tradition. Eine große Anzahl erhaltener hochwertiger Schränke und Truhen des Mittelalters, deren Schnitzerei farblich gefasst oder deren Ornamente durch farbliches Abheben von Grund und Muster gestaltet wurden, belegt dies umfassend.
Um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert ist in dieser norddeutschen Region eine umfassende Modernisierungswelle in der Ausgestaltung farbiger Hart- und Weichholzmöbel zu beobachten, die deutlich an zahlreichen der zweitürigen Dielenschränke in dieser Ausstellung ablesbar ist. Die aufwendigeren Ausführungen dieses nach dem Vorbild des „Hamburger Schapps“ gearbeiteten Möbeltyps wurden in Furnier- und Intarsienarbeit mit zusätzlichen Schnitzereien ausgeführt. Dass diese Tischlerarbeiten in der preisgünstigeren Variante häufig auch vom Maler mit dem Pinsel nachempfunden wurden, zeigen zahlreiche der ausgestellten Sammlungsstücke eindrücklich – und vermitteln auch gleich einen Eindruck von der praktischen Arbeit in den Werkstätten.
Die ebenfalls gezeigten vielfarbigen Weichholzmöbel Ostfrieslands aus dem 18. Jahrhundert wirken auf den ersten Blick malerischer. Tatsächlich aber orientierten sich die Möbelmaler auch hier am oberschichtigen Vorbild, an der Intarsienkunst des 16. und 17. Jahrhunderts. Dies gilt auch für die Vasen und Blumengehänge, die ihr Vorbild in der Renaissance haben.
Eindrucksvoll belegt die Ausstellung die Eingebundenheit der norddeutschen Möbelproduktion in die mitteleuropäischen Kulturströmungen. Genauso deutlich werden aber auch die eigenen regionalen Interpretationen, die sich oft schon von einem Dorf zum nächsten in ganz eigener Weise ablesen lassen.
Informationen
Museumsdorf Cloppenburg
Niedersächsisches Freilichtmuseum
Bether Straße 6, D-49661 Cloppenburg
Tel. +49 (0) 44 71/94 8 40
März bis Oktober: 9–18 Uhr
November bis Februar: 9–16.30 Uhr
www.museumsdorf.de
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