Alexander Lonquich  © Cadenza ConcertIngo Metzmacher  © Kai BienertJewgenij Kissin © Salzburger Festspiele ArchivRiccardo Muti © Silvia LelliSimon Rattle © EMI Classics / Sheila RockWiener Philharmoniker © Salzburger Festspiele Archiv

90 Jahre Salzburger Festspiele: Musik muss voller Emotion sein …

„Musik muss voller Emotion sein, die Emotion voller Komplexität“, schrieb Wolfgang Rihm 1974: ein Satz, der dem Konzertprogramm 2010 als Motto vorangestellt werden könnte.
Herbert-von-Karajan-Platz 11, A-5010 Salzburg

Die Reihe „Kontinente“, sponsored by Roche, widmet sich in der Saison 2010 dem 1952 geborenen Wolfgang Rihm, einem der profiliertesten deutschen Komponisten der Gegenwart. Neben seiner Uraufführungsoper Dionysos porträtiert ihn das Konzertprogramm im Rahmen von „Kontinent Rihm“ mit zehn Konzerten.
Dabei werden verschiedene Phasen seines umfangreichen Schaffens beleuchtet, von seiner „wilden“ Periode der 1970er- und frühen 80er-Jahre bis hin zu neuesten Werken wie Et Lux (2009), das in der Uraufführungsbesetzung mit dem Arditti Quartet und dem Hilliard Ensemble zu hören ist. Zudem stehen auf dem Programm der „Kontinente“-Reihe auch Komponisten, zu denen Rihm eine große Affinität besitzt und die seinen künstlerischen Weg begleitet haben, darunter Johannes Brahms, Anton Bruckner, Gustav Mahler, Robert Schumann, Arnold Schönberg und Karlheinz Stockhausen. Der „Kontinent Rihm“ spürt aber auch Wahlverwandtschaften zwischen Rihms Œuvre und Werken unterschiedlichster Epochen nach: Das Spektrum reicht hiebei von John Dowland und Carlo Gesualdo bis zu Morton Feldman.
Auch manche Neuentdeckung wird geboten: So steht am Beginn der Reihe die 1915/16 entstandene kraftvolle Bühnenmusik zu Aischylos’ Choephoren von Darius Milhaud. Kombiniert wird das Werk mit Rihms monumentalem „Poème dansé“ Tutuguri mit Martin Wuttke als Sprecher, Martin Grubinger & The Percussive Planet Ensemble und dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter Ingo Metzmacher – ein starker Auftakt.
Einen szenischen Abend auf der Pernerinsel in Hallein bestreiten Sasha Waltz & Guests und das Ensemble Modern mit Rihms Jagden und Formen, einem musikalisch-choreografischen Projekt. Den Abschluss der Reihe bilden zwei Matineen der Wiener Philharmoniker mit Christoph Eschenbach und dem Pianisten Tzimon Barto im Großen Festspielhaus: Wolfgang Rihms Ernster Gesang für Orchester (1996) wird umrahmt von Werken Schumanns. Und bereits im zweiten philharmonischen Konzert ist unter der Leitung von Riccardo Chailly die Geigerin Anne-Sophie Mutter mit dem ihr gewidmeten Violinkonzert Gesungene Zeit von Wolfgang Rihm zu erleben.

Brahms-Szenen
Nach Robert Schumann, Franz Schubert und Franz Liszt steht Johannes Brahms 2010 im Zentrum einer siebenteiligen Konzertreihe. In den „Brahms-Szenen“ werden Querverbindungen zwischen Brahms’ Schaffen und Werken von Alexander Zemlinsky und Arnold Schönberg, aber auch Heinrich Isaac, Heinrich Ignaz Franz Biber, Johann Sebastian Bach, Max Reger, Alban Berg, Anton Webern, Leoˇs Janácˇek, Dmitri Schostakowitsch, György Ligeti und György Kurtág hergestellt.
Zum Auftakt der „Brahms-Szenen“ gestaltet der russische Ausnahmepianist Valery Afanassiev einen Abend mit der verinnerlichten Musik von Brahms’ späten Fantasien, Intermezzi und Klavierstücken. Als eine Art Hommage an Brahms schreibt der 1973 in München geborene Komponist und Klarinettist Jörg Widmann für die Salzburger Festspiele Intermezzi für Klavier, die András Schiff am 10. August zur Uraufführung bringen wird.
Neben zahlreichen Kammermusikwerken, die von weltweit führenden Instrumentalisten und Ensembles interpretiert werden, kommt auch eine wenig bekannte Fassung von Brahms’ Deutschem Requiem für Soli, Chor und Klavier zu vier Händen zur Aufführung: Unter der Leitung von Thomas Hengelbrock singen und spielen Diana Damrau, Michael Nagy, der Balthasar-Neumann-Chor, Valery Afanassiev und Markus Hinterhäuser. Den zweiten Teil des Abends bestreitet das Zehetmair-Quartett mit Schostakowitschs letztem Streichquartett (Nr. 15).
Ein Wiedersehen gibt es im Rahmen der „Brahms-Szenen“ mit der international gefeierten Salzburger Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager, die außerdem in einem Liederabend gemeinsam mit Ian Bostridge Hugo Wolfs Spanisches Liederbuch singt.

Frédéric Chopin & Robert Schumann
Weitere Schwerpunkte im Konzertprogramm gelten Robert Schumann (1810 bis 1856) und Frédéric Chopin (1810–1849), die beide vor 200 Jahren geboren wurden.
Werke von Chopin finden sich naturgemäß vor allem in der Sparte der Solistenkonzerte, die wieder die herausragendsten Pianisten der Gegenwart, wie Krystian Zimerman, Evgeny Kissin und Maurizio Pollini, in Salzburg versammeln. Grigory Sokolov nimmt sich des Jahresregenten Schumann an. Evgeny Kissin stellt in zwei Programmen Werke von Chopin und Schumann einander gegenüber.
In einem zweiteiligen Zyklus der Camerata Salzburg dirigiert Philippe Herreweghe die vier Symphonien Schumanns in kleiner, transparenter Besetzung. Der in Belgrad geborene Ivo Pogorelich übernimmt den Solopart in den beiden Klavierkonzerten von Frédéric Chopin.

Kammerkonzerte, Solistenkonzerte & Liederabende
Zwar orientiert sich das Konzertprogramm mit seinen über 70 Veranstaltungen äußerlich an der traditionellen Struktur von Orchester-, Solisten- und Kammermusikabenden, belebt diese jedoch durch Schwerpunktsetzungen und die Unverwechselbarkeit der Programmauswahl, immer wieder auch durch ungewöhnliche, neue Hörperspektiven öffnende Werkkombinationen. Fern von jeglicher Routine finden sich Musikerinnen und Musiker in Salzburg zu einmaligen Konstellationen zusammen.
Die ersten beiden Kammerkonzerte etwa gestaltet die unvergleichliche Martha Argerich mit Musikerfreunden, die sie regelmäßig im „Progetto Martha Argerich“ um sich versammelt. Der polnische Meisterpianist Krystian Zimerman konnte gleich für zwei Auftritte in Salzburg gewonnen werden. Gidon Kremer, einer der unkonventionellsten Geiger, ist diesen Sommer zweimal zu hören: als kongenialer Partner von Valery Afanassiev und im kammermusikalischen Trilog in Klaviertrios von Peter Iljitsch Tschaikowsky, dem 1953 geborenen Victor Kissine und Robert Schumann.
Die Gelegenheit einer Begegnung mit Franz Schuberts drei großen Liedzyklen in maßstabsetzenden Interpretationen bieten drei Abende mit dem Bariton Matthias Goerne und Christoph Eschenbach. Dem deutschen Lied gewidmete Abende gestalten auch die Sopranistin Anja Harteros und der Tenor Jonas Kaufmann. Der gefeierte Countertenor Philippe Jaroussky hat sich in jüngerer Zeit ein ungewöhnliches Repertoire erobert, das er am
27. August präsentiert: französische Lieder, sogenannte Mélodies, aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ein besonderes Zusammentreffen verspricht das Konzert der beiden Weltstars Rolando Villazón und Hélène Grimaud am 15. August im Großen Festspielhaus.

Wiener Philharmoniker
Die Wiener Philharmoniker – ein Fixpunkt der Salzburger Festspiele seit deren Gründung – sind wieder mit fünf Programmen in elf Konzerten zu hören. Am Pult der Wiener stehen 2010 Daniel Barenboim, Riccardo Chailly, Riccardo Muti, Christoph Eschenbach und Bernard Haitink.
2010 wird nicht nur das 90-jährige Bestehen der Salzburger Festspiele gefeiert, sondern auch der Einweihung des von Clemens Holzmeister erbauten Großen Festspielhauses vor 50 Jahren gedacht. Am 26. Juli 1960 stand Herbert von Karajan hier am Pult der Wiener Philharmoniker. Genau 50 Jahre später dirigiert Daniel Barenboim die Wiener Philharmoniker im Eröffnungskonzert: Barenboim ist zugleich der Solist in Beethovens Klavierkonzert Nr. 4. Auf dem Programm stehen außerdem ein Meilenstein der Musik nach 1945, Pierre Boulez’ Notations, sowie zum Abschluss Anton Bruckners grandioses Te Deum.
Zwei außergewöhnliche Werke der Oratorienliteratur führen die französischen Schauspielstars Gérard Depardieu und Fanny Ardant nach Salzburg: Die Wiener Philharmoniker und Riccardo Muti nehmen sich der Partitur von Sergej Prokofjews Iwan der Schreckliche an. Gérard Depardieu fungiert als Sprecher, die Mezzosopranistin Olga Borodina und der Bass Ildar Abdrazakov sind die Solisten.

Gastorchester
Arthur Honeggers dramatisches Oratorium über die heilige Johanna von Orléans, Jeanne d’Arc au bûcher, dirigiert Bertrand de Billy am Pult seines ORF-Radio-Symphonieorchesters Wien. Die Rolle der Titelheldin rezitiert die französische Schauspielerin Fanny Ardant.
Der Gründung vor 90 Jahren als Friedenswerk nach den Gräueln des Ersten Weltkriegs gedenken die Salzburger Festspiele heuer auch mit der Einladung des World Orchestra for Peace, das von Sir Georg Solti ins Leben gerufen wurde. Valery Gergiev wird die 4. und die 5. Symphonie von Gustav Mahler dirigieren.
Das Gustav-Mahler-Jugendorchester wird neben seinem Auftritt unter dem ersten Preisträger des „Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award“ auch ein Konzert unter der Leitung von Herbert Blomstedt bestreiten. Auf dem Programm stehen Paul Hindemiths Symphonie Mathis der Maler und Brahms’ Violinkonzert mit der großartigen jungen Geigerin Hilary Hahn.
Das Koninklijk Concertgebouworkest Amsterdam ist unter seinem Chefdirigenten Mariss Jansons in Salzburg zu Gast. Hauptwerke von Béla Bartók und Igor Strawinsky umrahmen Modest Mussorgskis eindrucksvolle Lieder und Tänze des Todes mit dem großen Bass Ferruccio Furlanetto.
Zwei der bedeutendsten Orchesterliederzyklen des 19. Jahrhunderts wird auch die Weltklassesopranistin Nina Stemme mit dem Swedish Chamber Orchestra unter Thomas Dausgaard darbieten: Hector Berlioz’ Les nuits d’été und Richard Wagners Wesendonck-Lieder.

BerlinerBerliner Philharmoniker Philharmoniker
Den Reigen der großen Gastorchester beschließen traditionell die Berliner Philharmoniker. Sir Simon Rattle dirigiert das Parsifal-Vorspiel und epochemachende Orchesterstücke der drei wichtigsten Vertreter der Zweiten Wiener Schule, Schönberg, Berg und Webern. Karita Mattila ist die Solistin in Richard Strauss’ betörenden Vier letzten Liedern.

www.salzburgerfestspiele.at

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