Neuinszenierung - Koproduktion mit dem Thalia Theater Hamburg.
Marathon-Vorstellungen Faust I & II.
LEADING TEAM:
Nicolas Stemann, Regie
Thomas Dreißigacker, Bühne
Marysol del Castillo, Kostüme
Thomas Kürstner, Sebastian Vogel, Musik
Claudia Lehmann, Video
Benjamin von Blomberg, Dramaturgie
BESETZUNG:
Mit Philipp Hochmair, Barbara Nüsse, Josef Ostendorf, Sebastian Rudolph, Birte Schnöink, Patrycia Ziolkowska u.a.
Begleitprogramm: Auf eigene Faust
Auf eigene Faust
Friedrich Wilhelm Murnau • Faust/Klang
ZUR PRODUKTION:
Am Ende wird nichts gewonnen sein. Seinsgewissheit nicht, keine Welt. Auch wenn die Erde sich dienstfertig hatte kolonisieren lassen – eines Tages wird die Natur sich zurückholen, was ihr der teuflische Faust gewaltsam entriss, und der Mensch erkennen, dass Zerstörung schuf, was Freiheit verhieß. Das diesseitige Ende des Faust II könnte apokalyptischer nicht sein: Nach dem Abgesang auf die Liebe folgt jener auf die Vision des neu schöpfenden Menschen bzw. das Projekt der (kapitalistischen) Moderne. Und tatsächlich: was sind schon drei Tote und eine verrückt gewordene Geliebte als tragische Bilanz eines an der Unergründlichkeit des Lebens leidenden, durch einen Teufelspakt aber auf Augenhöhe mit seinen Allmachtsfantasien erhobenen Gelehrten, gegen die große, durchrationalisierte Gewimmel-Welt, die der Prothesengott Faust schließlich hinterlässt?
Dass Faust uns heute als unseresgleichen anmutet, ist verstörend. Von unserer Welt und ihrer Werdung erzählt Goethe: Er zeigt anhand einer exemplarischen Figur die mentalen und gemütshaften Wurzeln einer Gesellschaft von Radikalindividualisten, unfähig zur ideellen Gemeinschaft und Hervorbringung kollektiven Sinns. Löse dich von allen äußeren, das Ich einschnürenden Einflüsterungen, ruft Mephisto diesem Faust zu und meint die zweifelnden, skrupulösen, gedankenschweren Stimmen des Vergangenen und Ideellen. Des Teufels Lied geht so: Sei dein eigener Maßstab! Wir ahnen, wie sehr dieses Lied jenem von der Ohnmacht des allein auf sich selbst zurückgeworfenen Menschen, seiner Liebesunfähigkeit, Rastlosigkeit, gar Depression ähnelt. Wir, die unseligerweise vielleicht idealen Leser Goethes. In unserem Stammbuch funkeln seine Gedanken hell.
Benjamin von Blomberg