Doch so konstruktivistisch das Verfahren auch erscheinen mag, so viel Sinnlichkeit, Klangfülle und musikalischen Formenreichtum bietet die »Lulu«-Partitur. Als Berg im Dezember 1935 stirbt, ist die Arbeit daran nicht beendigt, und so gelangt im Juni 1937 in Zürich der zweiaktige Torso (unter Einbeziehung der »Lulu«-Suite) zur Uraufführung. Die Grazer Neuinszenierung nutzt das Fragment der zweiaktigen Fassung der Uraufführung mit ergänzendem Material aus Bergs Kompositionen und versucht dennoch, Lulus Aufstieg und Fall vollständig zu erzählen: Ist »Lulu« als Lebensgeschichte einer jungen Frau psychologisch ernst zu nehmen, die immer nur als Objekt ihrer Männer gesehen wird und doch starke eigene Gefühle haben muss? Die Inszenierung von Johannes Erath geht davon aus, dass hinter der reinen Kunstfigur, als die Lulu seit Wedekinds Erfindung am Ende des 19. Jahrhunderts bisher meistens verstanden wurde, eine Frau mit menschlichen Zügen zu entdecken ist – eine Frau, die auf scheinbar naive Art auch ihren eigenen Tod vorhersieht, als resignative Todessehnsucht oder als Vision einer Befreiung: »Mir träumte alle paar Nächte einmal«, sagt Lulu »im Märchenton« in Wedekinds »Büchse der Pandora« zu Alwa, »ich sei einem Lustmörder unter die Hände geraten. Komm gib mir einen Kuss!«
Musikalische Leitung: Johannes Fritzsch
Inszenierung: Johannes Ulrich Erath
Bühnenbild: Katrin Connan
Kostüme: Birgit Wentsch
Licht: Helmut WEIDINGER
Dramaturgie: Francis Hüsers, Bernd Krispin
Lulu: Margareta Klobučar
Gräfin Geschwitz: Iris Vermillion
Maler: Taylan Memioglu
Dr. Schön: Ashley Holland
Alwa: Herbert Lippert
Schigolch: Konstantin Sfiris
Tierbändiger/Athlet: Wilfried Zelinka
Theatergarderobiere/Gymnasiast: Dshamilja Kaiser
Medizinalrat: David McShane
Prinz/Kammerdiener: Manuel von Senden