Günter Brus beginnt seinen Wiener Spaziergang am 6. Juli 1965 auf dem Heldenplatz als bewegliches Mahnmal – als ein Untoter, der mit diesem Auftritt gegen das autoritäre Klima der Zeit protestiert. Schon nach kurzer Zeit wird er festgenommen und wegen Störung der öffentlichen Ordnung mit einer Geldstrafe belegt. Die Festnahme spiegelt die konservative Grundstimmung Nachkriegsösterreichs. Es kommt zu weiteren Aktionen, Selbstbemalung I + II, sowie zu den noch radikaleren Selbstverstümmelungen. Brus erprobt die Kunst am eigenen Körper, seine in einem öffentlichen Akt vollzogenen Bewegungen und Gesten führen zur Entgrenzung der Malerei. Die Überschreitung von Schmerzgrenzen löst ein Gefühl der Beklemmung aus und verleiht dem Geschehen eine drastische Ernsthaftigkeit. Brus wird zum Pionier der Body Art und Vorreiter der performativen Kunst.
Bereits 1964 bemalt er sich im Zuge seiner ersten Performance Ana, einer mehrteiligen und mehrstündigen Aktion, erstmals weiß. Mit der rechten Hand führt er einen Pinsel mit schwarzer Farbe über seinen kahl geschorenen Kopf. Die Augen sind geschlossen, ebenso der Mund. Brus steht vor einer weißen Leinwand. Bild und Malakt, Motiv und Maler werden eins, zugleich findet eine gespenstische Entfremdung und Zerteilung statt. Die Spaltung ist das Kennzeichen einer Kunst, die in der Vereinsamung das Symptom der Beschädigung des gesellschaftlichen Lebens erkennt. „Selbstbemalung“, notiert Brus 1965, „ist eine Weiterentwicklung der Malerei. Die Bildfläche hat ihre Funktion als alleiniger Ausdrucksträger verloren. (...) Durch die Einbeziehung meines Körpers als Ausdrucksträger entsteht als Ergebnis ein Geschehen, dessen Ablauf die Kamera festhält und der Zuschauer miterleben kann.“
Das Kunsthaus Bregenz präsentiert mit Günter Brus erstmals das Œuvre eines Wiener Aktionisten. Den Schwerpunkt bilden die fotografischen Aufzeichnungen seiner epochalen Aktionen und Performances sowie die informellen Malereien. Diese oft großformatigen Arbeiten zeichnen sich durch fahrige, wild gewordene Gesten aus. Die Malerei wird als aggressiver Akt wahrnehmbar, sie zeugt von Enthemmung, zuckender Zerrissenheit und einem Todestrieb, der an die Oberfläche drängt.