Für die Zeit vor dem ersten Dokument hat sie von der Adoptionsvermittlungsstelle nur die mythische Information: „Du wurdest in Südkorea 1977 in einer Schachtel gefunden, umhüllt von Zeitungspapier.“ Für Black Tie spuckt Miriam Yung Min Stein in ein Röhrchen der Firma 23andMe, macht einen Backenabstrich mit dem „genom-collector“ der Firma DeCODE me und wartet auf die Teilsequenzierungen ihres Genoms durch die beiden Marktführer. Einer der beiden empfängt sie auf der Webseite, die ihre genetischen Daten preisgeben, mit dem Slogan „welcome to you“. Der eigene Bauplan, eine Biografie? – Wie erzählt man die eigene Geschichte, wenn wie im Fall Steins ihre Aufzeichnung erst mit der Ankunft auf einem deutschen Flughafen beginnen kann?
Black Tie kreist um das schwarze Loch der Herkunft, um die befremdlich-beredte Hilfsindustrie der jungen Humangenetik und das Befremden zwischen Umwelt und mir – in Osnabrück hineinzuwachsen in einen Körper, der koreanisch wirkt, der ein ganzes Land, einen Krieg, eine andere Kultur wie in einer verschlossenen Kapsel mit sich herumträgt, unbekannt, sprachlos – ein potentieller Ort, Fluchtpunkt, Traumfabrik. Und was stand in der Zeitung, in die das Baby gewickelt war, 1977 in Südkorea?