Festival 4020.mehr als Musik: ZU GLEICHER ZEIT

4. Mai 2011
Sonderkonzert - Armenien, Armenien...

Sabine Reiter - Violine
Suyang Kim - Klavier
Susanne von Gutzeit - Viola
Andreas Pötzlberger - Violoncello

A. Zohrabyan: Novelette (ÖEA)
V. Sharafyan: The Adumbration of the Peacock (ÖEA)
T. Mansurjan: 4 Hayren für Viola und Klavier
G. Kancheli: In l’istesso Tempo

Randständigkeit, Archaik, eine wechselvolle und traumatisch besetzte Geschichte, unsichere Grenzverläufe und prekäre Nachbarschaften kennzeichnen Armenien – jenes alte und erst so junge Land im Kaukasus – nicht nur geografisch. All diese Charakteristika gelten zweifellos auch dann, wenn man versucht, die zeitgenössische armenische Kultur und insbesondere ihre Musiker- und Komponistenszene zu beschreiben.

Da ist zum einen eine altehrwürdige Musiktradition festzumachen, die sich von Dichtermönchen der Spätantike und des frühesten Mittelalters herleiten lässt. Ein komplexes Alphabet von nicht weniger als 36 Buchstaben samt dazugehöriger Minderheitensprache legt nahe, dass man sich hier sehr früh mit den Sprachen der umgebenden Mehrheiten auseinandergesetzt hat. Man findet sich so sicht- wie hörbar mitten im Orient, in einer frühchristlichen Inselkultur im Ozean muslimischer Nachbarschaften – mit allen damit verbundenen Konfliktpotenzialen, Unwägbarkeiten und Bedrohungen, aber auch mit all jenen befruchtenden Impulsen, die sich aus den komplexen, jahrhundertelang gewachsenen Beziehungen ergaben.

Der Genozid von 1915 markiert eine traumatische Zäsur im kollektiven Bewusstsein der Armenier, einen Nullpunkt der Geschichte, der unüberbrückbar scheint und sprachlos macht. Nur wenige armenische Familiengeschichten lassen sich ohne diesen Bruch über mehr als drei Generationen zurück rekonstruieren. Und dennoch: Die Diaspora der Überlebenden steht auch für die ungebrochene Vitalität dieser Kultur. Sie ist das weit geöffnete Fenster des Landes zur Welt und jene Quelle, die seine Künste – über alle Abgründe und immer noch willkürlich ge-schlossenen Grenzen hinaus – welthaltig macht.

Diese Einflüsse und Befindlichkeiten klingen auch in der zeitgenössischen Musik Armeniens durch: Sie ist vielsprachig und künstlerisch auf der Höhe der Zeit, buchstabiert sich aber nach dem alten Alphabet des Mystikers Mesrop Ashtots aus dem fünften nachchristlichen Jahrhundert. Sie hat ebenso Teil an der Olfaktorik, den Farben, der Emotionalität und Sinnlichkeit des Orients wie an der unstillbaren Trauer über millionenfachen Tod und Untergang. Auf eine rätselhafte Weise vermittelt sie einen Schwebezustand außerhalb der Zeit, unverdrossen Schritt haltend mit dem, was im Jetzt zu hören ist.

Details zur Spielstätte:
Untere Donaulände 7, A-4010 Linz

Veranstaltungsvorschau: Festival 4020.mehr als Musik: ZU GLEICHER ZEIT - Brucknerhaus Linz

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