Der Musikfanatiker entlieh sich sogar seinen Bühnennamen im geliebten Jazzgenre. "Woody" heißt er wegen seiner Leidenschaft für die Musik des Herman Woodrow Charles, besser bekannt als Woody Herman. In den gleichermaßen Gemüts aufhellenden wie niederschmetternden Filmen des dreifachen Grammy Gewinners lodern die Flammen des frühen Jazz. Tommy Dorsey und Erroll Garner, Al Jolson und Frank Sinatra sind da zu hören, aber auch obskure Künstler wie Bunny Berigan oder Carmen Cavallaro. Allen ist ein musikalischer Connaisseur, der gar nicht so versteckt missionieren will. Seine beliebten Filme sind perfekte Kommunikationswerkzeuge hierfür. Mal entzücken sie mit Carmen Mirandas unvergleichlicher Stimme, dann verzaubern sie wieder dem "Flight Of The Bumblebee" des Harry James Orchestra.
Entschleunigung des zeitgenössischen Geistes ist Woody Allen zu wenig, er möchte den Pfeil der Zeit vollends umkehren. Unvergessen sein berührendes Portrait des von Sean Penn gespielten Jazzmusikers Emmet Ray, des ewig zweitbesten Gitarristen hinter Django Reinhardt in "Sweet and Lowdown", das auch filmisch der Improvisationsformel des Jazz huldigt. Das alles genügt dem umtriebigen Brooklyner nicht. Er ist seit vielen Jahren auffällig unauffälliges Mitglied von The Eddy Davis New Orleans Band, geigt mit ihr jeden Montag im New Yorker Carlyle auf. Manchmal geht er auch auf Europa-Tournee um eine Musik zu zelebrieren, "die einst auf Paraden, in Bordellen und auf Picknicks" (Allen in einer seiner Bühnenansagen) gespielt wurde.
"Wild Man Blues" nannte sich nicht nur ein von Barbara Kopple gedrehter Dokumentarfilm über Woody Allens eine Europatour, die ihn von seinen fixen Gewohnheiten separierte, sondern auch ein aufwühlendes CD-Opus, das klingt wie aus der goldenen Zeit des Jazz. Es dominieren Emotion, Simplizität und fast rein philosophisch gemeinte Ansinnen wie "Tie Me To Your Apron Strings Again". Im Sinne der saftig-erotischen Konnotationen des frühen Jazz weiß der verschmitzte Klarinettist, dass Jazz nur dann authentisch ist, wenn er mit dem rechten Schmuddelfaktor gespielt wird. In diesem Sinne lässt er Jazz-Akademismus und Notengeprotze sein und geht vollends in melodiensatter Sinnlichkeit auf. Ein bisschen Schmutz ist da schon dabei.