Der Weltenflaneur und poetische Wolkentrinker Raoul Schrott wandte sich nach dem Schlachtgetümmel der „Ilias“ dem Singsang der Liebe zu. Er schöpfte aus den Quellen des Nils die erotischen Zwiegesänge der alten Ägypter. In ihnen erwacht vor fast 4000 Jahren die Liebe, wie wir sie verstehen: Als Spiel zwischen zwei ebenbürtigen Subjekten. Nun schöpft er noch tiefer: In jedem Gedicht erwacht nämlich – unser Hirn.
Zusammen mit Arthur Jacobs und seinem Team an der FU Berlin wird er demnächst eine 500-Seiten schwere Studie vorlegen, die die Neurologie von dem Geschehen beim Lesen und Entziffern von Gedichten erkundet, bei denen die Felder Musik/Bild/Semantik zusammenspielen.
An Probant Stefan Zweifel wird er zeigen, wie man mit Hieroglyphen die Elemente eines Gedichts erforscht und als Grabräuber nebst den Fragmenten einer uralten Sprache der Liebe unsere neurologischen Schächte ausleuchtet. Eine Anatomie-Stunde, in der unser eigenes Hirn zerlegt wird. So eröffnet Schrott die zweite Saison der „Reflektorien“ mit einem Hirnriss, durch den wir unser eigenes Denken erspähen.