LUDWIG VAN BEETHOVEN: Symphonie Nr. 4 B-Dur, op. 60
JANI CHRISTOU: Enantiodromia (1965/68)
LUDWIG VAN BEETHOVEN: Symphonie Nr. 5 c-moll, op. 67
Orchester der Ludwigsburger Schlossfestspiele (auf Originalklang-Instrumenten)
Michael Hofstetter (Musikalische Leitung)
Das Schlusskonzert der Ludwigsburger Schlossfestspiele greift noch einmal den Gedanken der Festspielzeit 2011 auf: die Begegnung mit dem Anderen, das Reagieren auf das Gegenüber. Michael Hofstetter und das Orchester der Schlossfestspiele setzen sich mit Ludwig van Beethovens 4. und 5. Symphonie auseinander – zwei Werken, die in zeitlicher Nähe zueinander entstanden sind, unterschiedlicher aber nicht sein könnten. Die Musik der 4. Symphonie etabliert sich als ein erfindungsreiches Spiel mit verschiedenen Tonfällen. Robert Schumann nannte sie neben der 3. und 5. Symphonie eine »griechisch schlanke Maid zwischen zwei Nordlandriesen«. Ausgestattet mit opulenter Melodik ist sie ein Paradestück klanglichen Raffinements. Ganz anders hingegen die 5. Symphonie; nie hat sich Beethovens Symphonik zwingender und direkter artikuliert. Die dramatischen Dialoge fügen sich zu einer musikalischen Rhetorik Beethovens, die in reinster, formvollendeter Strenge Energieausbrüche und Klangfluten konstituiert. »Das ist sehr groß, ganz toll, man möchte fürchten, das Haus fiele ein.« sprach darüber Goethe. Dieser Ausruf ließe sich auch vollkommen auf die gewaltigen Klangmassen in »Enantiodromia« von Jani Christou (1926–1970) anwenden, das sich zwischen den beiden Beethoven-Symphonien positioniert. Der griechische Komponist wurde in Heliopolis bei Kairo als Sohn eines Schokoladefabrikanten geboren. Er nahm in jungen Jahren Klavierunterricht bei bedeutenden Lehrern, als Komponist hielt sich Christou hingegen für einen Autodidakten. Nach dem 2. Weltkrieg studierte er Philosophie in Cambridge bei Bertrand Russell und Ludwig Wittgenstein. Christous Komponieren ist durchdrungen von philosophischem Denken, das seinen Ausdruck in höchst unterschiedlichen Werken findet. Den Titel seines späten Werkes »Enantiodromia« formulierte er nach Heraklit: dem stetigen Gegeneinanderwirken der Kräfte »Alles fließt, wandelt und verwandelt sich in sein Gegenteil.« Vorherrschendes Charakteristikum von Christous Komposition ist die strukturelle Entwicklung von einem sanften Beginn zu einem großangelegten Crescendo, das auf seinem Höhepunkt das »Chaos« artikuliert. Auf höchst fantasievolle Weise arbeitet Christou mit mythischen, rituellen und improvisatorischen Elementen. »Enantiodromia« formt sich dabei mit kreativer Flexibilität zu einem kraftvoll überschäumenden Musik-Kosmos. In der Gegenüberstellung Beethoven – Christou gewinnen diese drei gewaltigen Kompositionen des Abends ein äußerstes Quantum an Kontur und Schärfe.