Die von der Stiftung Moritzburg gemeinsam mit der Künstlerin konzipierte Ausstellung ist die erste monografische Ausstellung von Berlinde de Bruyckere in einem deutschen Museum und geht danach in das Kunstmuseum Bern. Sie präsentiert die in der Auseinandersetzung mit dem Thema entstehenden neuen Werke der Künstlerin in einem epochen- und medienübegreifenden Dialog mit Werken von Cranach und Pasolini.
De Bruyckeres Werke zum Thema „Schmerzensmann“ und „Pietá“ sind von Lukas Cranach, von der Eindringlichkeit und Schönheit seiner Gestalten inspiriert. Vor dem Hintergrund der Theologie Martin Luthers reflektierte Cranach die Frage des Lebens „im Fleisch“. Der Schmerzensmann ist das Andachtsbild des Mensch gewordenen Gottessohnes, dessen blutende Wunden von Gottes Liebe zu den Menschen und von seiner Gnade zeugen. Die Pietá, die um den Gekreuzigten trauernde Gottesmutter Maria, beweint den auf ihrem Schoß liegenden Leichnam ihres toten, vom Kreuz genommenen Sohnes.
Die Plastiken von de Bruyckere transformieren die religiösen Motive und den selbst im Schmerz erotischen, hoch kultivierten sinnlichen Ausdruck Cranachscher Darstellungen in Figuren, die aus Wachsabformungen realer Körper zusammengefügt werden. Der Realismus und die künstlerische Verdichtung der Figuren schockieren in ihrer emotionalen Direktheit. Sie fordern die Auseinandersetzung mit unserer Auffassung von des Menschen leiblicher Konstitution, seinem Umgang mit seiner eigenen und der Natur überhaupt und damit verbundenen ethischen Fragestellungen heraus. Dem hemmungslosen Gebrauch der Bilder vom Körper im Voyeurismus der Medien oder den Mechanismen der Werbebilder setzen sie ihre ästhetische und emotionale Distanz entgegen. Zu diesem Aspekt von de Bruyckeres Werk treten ausgewählte Filme von Pier Paolo Pasolini in einen künstlerischen Diskurs über die archaische Dimension der Sprache des Leibes und den Leib als Projektionsfeld von Macht- und Konsuminteressen.