ÜBER DIE REGIE
Die weltweit erste szenische Realisierung dieses spätbarocken Juwels ist in der multimedialen Inszenierung des Münchners Sebastian Hirn und der Schweizer Animationsfilmerin Nicole Aebersold unter der musikalischen Leitung von Luca de Marchi zu erleben.
ÜBER DIE MUSIK
Leonardo Leo (1701 – 1744) ist ein Hauptvertreter der „Neapolitanischen Schule“, die im ausgehenden Barock die europäische Musiktheaterlandschaft revolutioniert. Zusammen mit seinem Zeitgenossen Johann Adolph Hasse (seine „Pilger“ waren 2018 in Retz zu erleben) läutet er ein neues Zeitalter der Gesangskunst ein. Im Unterschied zu anderen musikdramatischen Deutungen des biblischen Stoffes verzichtet Leonardo Leo auf allegorisches Beiwerk (Einbeziehung von Gott und Satan in die Handlung). Im dramatischen Fokus steht der Konflikt der Brüder vor dem Hintergrund der elterlichen Schuld. Ungewöhnlich für die Zeit: die knappe und kontrastreiche Dialogführung in den Rezitativen, die einen packenden szenischen Zugriff und lebendige Personenführung ermöglichen. Die Gestaltung der Arien zeugt von Leonardo Leos dramatischem Fingerspitzengefühl. Hier wird die statische Dramaturgie des Oratoriums zugunsten mitreißenden Musiktheaters gesprengt.
HINTERGRUND
„La Morte di Abele“, 1738 in Bologna uraufgeführt, ist nur dem Untertitel nach ein Oratorium. Seine Entstehungszeit duldete keine biblischen Figuren auf der Opernbühne. In Wahrheit ist es ein musikalischer Psychothriller, der mit allen stilistischen Konventionen bricht. Zwischenmenschliche Konflikte eskalieren in messerscharfen Dialogen, brachiale Affekte brechen sich Bahn in virtuos atemlosen Arien.
Das Stück basiert auf der Textvorlage von Pietro Metastasio für den Wiener Hofkomponisten Antonio Caldara. Der erste Mord der Menschheitsgeschichte wird Anfang des 18. Jahrhunderts für den Wiener Hofdichter Pietro Metastasio zur Folie für einen tiefenscharfen Diskurs über Trauma, Schuld und Sühne. Zweihundert Jahre vor der Entwicklung der Psychoanalyse formt er aus alttestamentarischen Archetypen Menschen aus Fleisch und Blut und leuchtet ihnen mit der Fackel der Poesie in die dämmrigen Winkel und dunklen Nischen ihrer Seelen. – Wir verdammen das Laster und tragen es dabei tief in uns.
Leonardo Leo war der zweite von insgesamt 39 Komponisten, die sich des Werkes bedienten. Sechs Jahre nach dem Tod des Komponisten kam es in Modena zu einer Wiederaufführung. Ein Umstand, der sowohl das Ansehen von Leonardo Leo belegt als vom hohen Stellenwert des Werkes im Repertoire des 18. Jahrhunderts zeugt.
BESETZUNG
Musikalische Leitung
Luca De Marchi
Orchester
Ensemble Continuum Wien
Regie
Sebastian Hirn
Visualisierung
Nicole Aebersold
Abele / Angelo
Eldrid Gorset
Eva
Cornelia Sonnleithner
Cain
Markus Bjørlykke
Adamo
Nikita Ivasechko