Nach Ausstellungen mit Werken der Bildhauer Alberto Giacometti (2001), Aristide Maillol (2005), Camille Claudel (2006) und Max Klinger (2010) im Kunsthaus Apolda Avantgarde ist es ein kunstgeschichtliches Muss, nun auch den bereits seit 1910 international anerkannten Bildhauer Wilhelm Lehmbruck (Meiderich bei Duisburg 1881–1919 Berlin) in den neuen Bundesländern erstmals zu präsentieren. Denn: Neben Ernst Barlach ist er der wichtigste deutsche Bildhauer der klassischen Moderne, bildet das stilistische Bindeglied zwischen Maillol und Giacometti und weist auf die „soziale Plastik“ von Joseph Beuys voraus, der Lehmbruck als seinen eigentlichen „Lehrer“ bezeichnete.
Weil der Absolvent der Düsseldorfer Kunstakademie (1901–1906) es während seines Aufenthalts in Paris (1910–1914) vermochte, aus seinem „Material den geistigen Gehalt präzis herauszuziehen“, gelang Lehmbruck mit seinen ab 1910/11 entstandenen expressiv abstrahierten Aktfiguren – mit extrem gelängten Gliedmaßen, mit Betonung der Vertikalen und mit verhaltenem, introvertiertem und melancholischem Ausdruck – eine fundamentale stilistische und spirituelle Erneuerung des Menschenbilds. Auf diese Weise hat er die europäische Bildhauerei wesentlich bereichert und weiterentwickelt.
Dieser stille, bescheidene, aber geniale Ausnahmekünstler, dem bis zu seinem Freitod im Jahr 1919 nur knapp ein Jahrzehnt „Reifezeit“ blieb, wird in dieser Retrospektive nicht nur mit 51 Skulpturen der Jahre 1898 bis 1918 präsentiert, darunter alle Hauptwerke, sondern auch mit 60 höchst individuellen, sensiblen und poetischen Gemälden, Zeichnungen, Radierungen und Lithografien der Jahre 1904 bis 1918. Diese stellen ein künstlerisch vollkommen eigenständiges Œuvre des meist nur als Bildhauer bekannten Künstlers Wilhelm Lehmbruck dar.
Dank der großzügigen Unterstützung des Nachlasses und vor allem des LehmbruckMuseums Duisburg – das seit 2010 den weltweit umfangreichsten und wertvollsten Bestand an Werken Lehmbrucks besitzt – kann die künstlerische Entwicklung Lehmbrucks vom Neoklassizisten über den Sucher einer eigenen Formensprache bis hin zum Hauptvertreter der Skulptur des Expressionismus in fünf Werkgruppen eindrucksvoll demonstriert werden: Selbstporträt/Porträt, Jugend/Alter, Mutter und Kind/Pietà, Ganzfigur/Torso, Denkmal der Arbeit/Denkmal des Todes.
Text: Gottlieb Leinz, Hans-Dieter Mück
bis 16. Dezember 2012
Informationen
Kunsthaus Apolda Avantgarde
Bahnhofstraße 42, D-99510 Apolda/Thüringen
Tel. +49 (0) 36 44751 53 64
Di–So 10–18 Uhr (auch an Fei)
Mo nach Vereinbarung
www.kunsthausapolda.de
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