Die Ausstellung Dopo de Chirico präsentiert 76 signifikante Beispiele metaphysischer Werke von Künstlern aus drei Generationen nach de Chirico, deren Schaffen aus dem Geist der Tradition als spezifisch italienische Leistung zeitgenössischer Kunst längst europäische Bedeutung in Anspruch nimmt. Was sie eint, ist ganz im Sinn de Chiricos „[eine] Metaphysik, die im Diesseits wurzelt“ (Wieland Schmied), „eine seltsame und profunde Poesie, unendlich geheimnisvoll und unvergleichlich“ (Giorgio de Chirico). Dennoch bilden sie keine Gruppe, noch nicht einmal eine in sich geschlossene Strömung, sondern eine Phalanx von einzelnen, herausragenden Meistern, deren Werke von einer „immanenten Transzendenz“ erfüllt sind, die nicht jenseits des Sichtbaren, sondern in der Tiefe der Erscheinungen, im Urgrund von Ich und Welt, liegt. Vorgestellt werden in der Folge der Jahre: Gianfilippo Usellini, Stanislao Lepri, Fabrizio Clerici, Carlo Guarienti, Leonardo Cremonini, Gianfranco Ferroni, Domenico Gnoli, Armodio, Sergio Albano, Gian Paolo Dulbecco, Claudio Bonichi, Roberto Rampinelli, Bernardino Luino, Giuseppe Modica, Luca Crocicchi, Alberto Andreis und Ana Kapor.
Das Verbindende in den Bildern dieser Maler äußert sich nicht zuletzt in einer gemeinsamen melancholischen Grundstimmung, die wesentlich getragen wird von einem Gefühl der Sehnsucht, Stille und Verlorenheit, der Einsamkeit und des Ausgeliefertseins an eine Zeit und Wirklichkeit, die sich jedem einfachen rationalen Verständnis entziehen, was in der Erkenntnis gründet, dass es eine letzte, allumfassende Erklärung der Existenz nicht gibt. Was bleibt, ist die Erfahrung einer abgrundtiefen Verunsicherung, einer Undeutbarkeit, welche die Bilder beherrscht und ihnen die Würde und Magie eines Geheimnisses verleiht, ohne in einen konstruiert rätselhaften literarischen Symbolismus zu münden. Eine neue Welt der Symbole, wie Nietzsche sie noch gefordert und de Chirico sie geschaffen hat, ist den hier Versammelten nicht nötig.
Ihrem Bilderkosmos genügen vollkommen die Anschauung des Sichtbaren und das Arsenal tradierter Motivik in der ganzen Spannweite von der figürlichen Allegorie über das stilllebenhafte Arrangement bis zur metaphorischen Landschaft. Alle scheinen in ihren Bildern mehr oder weniger der Wirklichkeit verpflichtet oder doch zumindest einer Vorstellung von Wirklichkeit, die in ihren „letzten Gründen“ dem Menschen indes ein ewiges Geheimnis scheint. Die Welt als Ganzes wie in ihren Teilen hat demnach zwei Seiten: eine reale, sichtbare und eine metaphysische, jede Erfahrung, jedes gesicherte Wissen, jede eindeutige Fassbarkeit übersteigende.
bis 3. Februar 2013
Text: Gerd Lindner
Informationen
Panorama Museum
Am Schlachtberg 9,D-06567 Bad Frankenhausen in Thüringen
Tel. +49 (0) 346 71/61 90
Di–So 10–17 Uhr
www.panorama-museum.de
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