Wer erinnert sich nicht gern an die Mobiles von Alexander Calder? Diese spielerischen Objekte nicht nur für das Kinderzimmer hat der amerikanische Künstler in den 30er-Jahren entwickelt. Bei den frühen Arbeiten ruht ein mobiles mehrteiliges Element, mit einem Gegengewicht austariert, auf der Spitze und dem Drehpunkt eines aus Draht gebogenen Dreifußes, sodass ein leiser Lufthauch oder zufälliges Antippen das Element in Bewegung versetzt. In Zusammenarbeit mit Architekten werden Mobiles später dann direkt an der Decke befestigt.
Jeppe Hein, der junge, aus Dänemark stammende Shootingstar der Kunst, greift nun diese Idee der klassischen Moderne auf: Anlässlich eines Stipendiums im Atelier Calder im französischen Saché entwirft er allerdings nicht nur eigene Mobiles, sondern er entwickelt, um es seinem Vorbild gleichzutun, wie Calder auch einen Zirkus. Zu seinem Circus Hein lädt er dann befreundete Künstler, aber auch Designer, Musiker, Fotografen oder Architekten ein, um Objekte und Aktionen zu entwickeln, die an klassisches Zirkusrepertoire angelehnt sind. Schon Picassos Harlekine zeigten, dass Kunst und Zirkus sich von Zeit zu Zeit gegenseitig befruchten.
Ganz im Zentrum seiner Ausstellung für das Neue Museum in Nürnberg ist nun ein Mobile von Jeppe Hein zu sehen. Doch der junge Künstler nimmt daran entscheidende Veränderungen vor: Statt farbiger Scheiben wählt er Spiegel aus und verwandelt so das schön anzuschauende, beruhigende Objekt in ein Medium von irritierender Kraft. Kaleidoskopartig wird der umliegende Raum mit den sich darin befindenden Personen immerwährend gegeneinander verschoben und aufgefächert. Mit der neuen Kombination löst Hein die Objektform seines Vorbilds auf und stellt den Betrachter ins Zentrum dieser verwirrenden Situation.
Klare Würfel aus weißem Karton stapeln sich auf. Verspiegelte Winkel erzeugen Räume. Exakte Kugeln formen sich aus Neon oder aus poliertem Metall. Nüchtern und minimalistisch, sachlich und klar wirken die Werke von Jeppe Hein und bestimmen den ersten Eindruck. Doch anders als bei den Werken der Minimal Art aus den 60er-Jahren entfaltet die Kunst des in Berlin lebenden Künstlers ihre Anziehungskraft erst mit dem Publikum. Denn das Markenzeichen seiner Arbeiten ist die Interaktivität, und das macht sie so attraktiv. Nähert man sich etwa den Neonkugeln, so schalten sie sich einfach ab. Ein Sensor verhindert, dass das leuchtende Werk aus der Nähe zu betrachten ist. Erst bei einem bestimmten Abstand der Personen gehen dann die Lampen wieder an. Durch diese Konstruktion entsteht unmittelbar und unausweichlich ein physischer Dialog mit dem Werk, bei dem angesichts des Kunstwerks – als eben eines visuellen Objekts – der Widerspruch einer gewollten Nähe und nötigen Distanz entsteht.
Die Ausstellung des Neuen Museums in Nürnberg trägt den additiven Titel 1 x Museum, 10 x Room, 11 x Works und fasst insgesamt elf aktuelle Arbeiten zusammen. Aufregend ist vor allem die virtuelle Architektur, die der Künstler für seine Show entwickelt hat. Nicht Wände, sondern ein auf dem Boden markiertes Lineament kennzeichnet seine Räume. Doch daraus entsteht ein ernster Konflikt, wirken diese Linien doch wie Abstandhalter zu den Werken. Mit seiner Neonarbeit, die speziell für Nürnberg entstanden ist, geht Hein auf diese Doppeldeutigkeit ein: Please Cross the Line heißt diese Arbeit und fordert auf, die Markierungen auf dem Boden zu übertreten. Erst wenn man dies auch tut, lässt sich schließlich diese neue Schriftarbeit von Hein verstehen. Es steht zu lesen, was man von seiner Kunst insgesamt zu erwarten hat: Enjoy!
bis 6. Februar 2011
Die WWS Strube GmbH unterstützt das Neue Museum mit professionellen Serviceleistungen und trägt so zu einem unvergesslichen Museumsbesuch bei.
Informationen
Neues Museum – Staatliches Museum für Kunst und Design in Nürnberg
Klarissenplatz, D-90402 Nürnberg
Tel. (+49-911) 240 20-0, Di–Fr 10–20 Uhr,
Sa und So 10–18 Uhr, Mo geschlossen
www.nmn.de
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