700 Jahre gutes und schlechtes Benehmen stehen im Mittelpunkt der Ausstellung Manieren, die ausschließlich im Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte zu sehen ist. Über 200 hochwertige Exponate erzählen auf 800 Quadratmetern Geschichten von den Ursprüngen und Erscheinungsformen gesellschaftlicher Regeln und Tabus, vom Streben nach gefälliger Selbstdarstellung, von Rücksichtnahme und Distanzverlust, von Feinsinn und Rüpelei, von Peinlichkeitsschwellen und deren lustvoller Überschreitung, aber auch von Mechanismen gesellschaftlicher Ausgrenzung. Dabei macht das Zusammenspiel von historischen Exponaten und vertrauten Gegenständen aus dem Alltag den besonderen Reiz der Ausstellung aus. Feines Rokokoporzellan neben Loriot-Sketchen, historische Gemälde gegenüber aktuellen Fotoserien – die Reise durch die Vergangenheit führt immer wieder in die Gegenwart zurück.
In 13 Kapiteln folgt die Ausstellung der Kulturgeschichte unserer Umgangsformen durch die Jahrhunderte. Den Auftakt bildet eine „Benimm-Bibliothek“. Rund um das Porträt des Aufklärers Adolph Freiherr Knigge stimmen Zitate aus 800 Jahren europäischer Etiketteliteratur auf das Thema ein. Neben Knigges Werk Vom Umgang mit Menschen aus dem Jahr 1788 zeugen Erstausgaben der wichtigsten Anstandsbücher seit dem Mittelalter von der langen Tradition der Gattung. In den anschließenden Bereichen wird ein Bogen von der Tischkultur über Themen wie Hygiene und Scham, das Verhalten im öffentlichen Raum, die Kultivierung schlechter Manieren, Galanterie, Haltung und Kommunikation bis hin zu Hierarchien und Abhängigkeiten gespannt. In einem kleinen Kino werden Filmausschnitte zum Thema Benimmunterricht gezeigt. Ob Loriot oder Pippi Langstrumpf, hier findet sich allerhand Unterhaltsames. Am Ende des Gangs durch die „anständige Kulturgeschichte“ fordert der letzte Ausstellungsbereich zur Würde des Menschen den Besucher auf, selbst Stellung zu beziehen. Hier schließt sich der Kreis, der mit Knigge begann. Obwohl Knigges Name heute viele Benimmratgeber ziert, ging es dem vermeintlichen Verkünder goldener Lebensregeln nicht um Tischsitten oder Stilfragen, sondern um einen anständigen Umgang der Menschen miteinander. Dabei bezog er erstmals alle gesellschaftlichen Schichten in seine Betrachtungen ein. So möchte auch die Ausstellung im Focke-Museum keine Benimmregeln vermitteln, sondern zum Nachdenken über Rücksicht und Toleranz als innere Notwendigkeit anregen.
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Prinz Asfa-Wossen Asserate, Autor des 2003 erschienenen Bestsellers Manieren. Ein umfangreiches Rahmenprogramm wird die Ausstellung begleiten.
Informationen
29. November 2009 bis 30. Mai 2010
Katalog Manieren. Geschichten von Anstand und Sitte aus sieben Jahrhunderten, Edition Braus, 2009. 208 Seiten mit farbigen Abbildungen aller gezeigten Objekte, 28 Euro
Focke-Museum | Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
Schwachhauser Heerstraße 240, D-28213 Bremen
Tel. (+49-421) 69 96 00-0
Di 10–21 Uhr, Mi–So 10–17 Uhr,
Fei: Sonderregelung
Öffentliche Führungen: Sa 15 Uhr,
So und Fei 11.30 und 15 Uhr
[email protected]
www.focke-museum.de
Leserkommentare
Zum Kommentieren kostenfrei registrieren oder anmelden.