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Kampf um die Stadt

Das Wien Museum zeigt ab 19. November eine Großausstellung zu Politik, Kunst und Alltag um 1930.
Karlsplatz, A-1040 Wien

Ein umfassendes Zeitgeschichte- und Kul­turpanorama Österreichs der 1920er- und 1930er-Jahre, eine der größten historischen Ausstellungen der vergangenen Jahre: Das Wien Museum zeigt ab 19. No­vember im Künstlerhaus auf beiden Geschossen Kampf um die Stadt. Politik, Kunst und Alltag um 1930.

In einer interdisziplinären Ausstellung wird die Zeit zwischen den mittleren 1920er- und den mittleren 1930er-Jahren in Österreich dargestellt – mit Fokus auf Wien: Es geht um jene entscheidenden Jahre, als die Zukunft der jungen Republik auf der Kippe stand, zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Aufbruch und Reaktion. Es gab keine nationale Identität, die politischen, sozialen, weltanschaulichen und kulturellen Gegensätze waren schroff und unversöhnlich, die Feindbilder zwischen Schwarz, Rot und Braun starr, die Lebensverhältnisse instabil. Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit führten zur sozialen Deklassierung und Verunsicherung breiter Schichten. Faschistoide und antisemitische Tendenzen bekamen Rückenwind, Gewaltbereitschaft und aggressive Agitation bestimmten das Klima.

Der Titel „Kampf um die Stadt“ bezieht sich auf einander überlagernde Konfliktlinien: Einerseits wurden die Straße und der öffentliche Raum zur politischen Kampf- und Aufmarschzone. Andererseits durchzog ein tiefer ideologischer Riss alle gesellschaftlichen Bereiche, nämlich der Antagonismus zwischen modernen Fortschrittskonzepten und traditionsgebundenem Verwurzelungsmythos: Asphalt gegen Scholle, Bubikopf gegen Gretelfrisur, Großstadtkultur gegen antiurbane Ressentiments, das „rote Wien“ mit seinem europaweit beachteten sozialistischen Reformmodell gegen das „schwarze“ konservative Alpenösterreich.

Von den Roaring Twenties zum ­konservativen Kulturbruch
Der urbane Alltag erfuhr in den 1920er-Jahren einen tief greifenden Modernisierungsschub und wurde dynamischer, schneller und greller. Das Bild der Stadt veränderte sich: Der Verkehr nahm zu, Leuchtreklamen, Filmpaläste und eine amerikanisch geprägte Populärkultur vermittelten ein neues großstädtisches Lebensgefühl. Zumindest abgeschwächt gab es auch in Wien die „Roaring Twenties“, mit einem Schuss Frivolität in Mode, Styling und geschlechtlichen Rollenmustern – zumindest bis zum um 1930 spürbaren konservativen Kulturbruch.

Kunst und neue Massenmedien
Neben zeit-, kultur- und alltagsgeschichtlichem Material bildet die bildende Kunst einen Schwerpunkt der Ausstellung, zu ­sehen sind rund 250 Werke, unter anderem von Oskar Kokoschka, Max Oppenheimer, Alfons Walde oder Otto Rudolf Schatz. In Gebrauchsgrafik, Architektur, Fotografie, angewandter Kunst oder Tanz kam es zu einer Blüte, auch die neuen Massenmedien dieser Zeit spielen in der Ausstellung eine besondere Rolle: Ein wichtiges Gestaltungsmittel sind Filmgroßprojektionen, dazu kommen Repor­tagefotos und die Plakatkunst, die als Spiegel eines völlig neuen Lebensstils das Bild der Stadt entscheidend geprägt hat.

Erstmals seit langer Zeit bespielt das Wien Museum wieder beide Geschosse des Künstlerhauses: Auf etwa 2000 Quad­ratmeter Ausstellungsfläche werden rund 1800 Objekte gezeigt.

Informationen
19. November 2009 bis 28. März 2010
Wien Museum im Künstlerhaus
Karlsplatz 5, A-1010 Wien
Di–So und Fei 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr,
24. und 31. Dezember 2009: 10–14 Uhr,
25. Dezember 2009 und 1. Januar 2010 ­geschlossen
www.wienmuseum.at

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