Wie Ernst Ludwig Kirchner empfanden es im Verlauf der 1930er-Jahre immer mehr Künstlerinnen und Künstler als Ehrentitel, den existenzvernichtenden Stempel der „Entartung“ (aus der Art geschlagen, krankhaft, dekadent) aufgedrückt zu erhalten. Der Sammler Dr. Gerhard Schneider hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, bekannte, meist aber übersehene oder bewusst ausgegrenzte künstlerische Leistungen ans Licht zu holen und sie dabei vor allem in ihrem historischen Kontext lebendig werden zu lassen. Idee und Struktur dieser Sammlung sind unvergleichlich.
Von den mehr als 400 dort vertretenen Künstlerinnen und Künstlern werden für die Ausstellung im Ephraim-Palais vorzugsweise Arbeiten mit Bezug zur Metropole Berlin ausgewählt, die entsprechend der Kunstauffassung der Nazis zu ihrer Zeit als „entartet“ gebrandmarkt wurden oder unter entsprechende Kriterien fielen.
Um die Zeit der Ausgrenzung und Verfolgung lebendig werden zu lassen, werden die Ausstellungsbesucher aber auch mit einer Fülle widerständiger Kunst vertraut gemacht, etwa mit zeitanalytischen, gelegentlich visionären Bilddokumenten wie Georg Netzbands Der Sieger vom Mai 1939. Der Tod in Generalsuniform schaut über verwüstetes Land auf das zerstörte Berlin, das nur durch den abgebrochenen Funkturm, Zeichen für das Ende der Nazipropaganda, zu identifizieren ist.
Erstmalig wird hier versucht, anlässlich des 80. Jahrestages der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 und der 75. Wiederkehr der Berliner Station der Nazi-Femeschau Entartete Kunst (26. Februar bis 8. Mai 1938) an die systematische Diffamierung der modernen Kunst der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts zu erinnern. Die Ausstellung zeigt über die Vergegenwärtigung des fundamentalen Angriffs auf die Kunst hinaus, wie diese sich im Widerstand als unvergleichliche Form der Freiheit behauptet hat. Dabei offenbart sich ein großer stilistischer
wie thematischer Facettenreichtum. Die Schau ist allen Künstlerinnen und Künstlern gewidmet, die verfemt, verfolgt oder gar ermordet wurden und deren Namen aufgrund der Zeitumstände fast vergessen worden wären.
16. März bis 28. Juli 2013
Das Berliner Themenjahr 2013 ist eine Initiative des Landes Berlin, in Koordination durch die landeseigene Gesellschaft Kulturprojekte Berlin und in Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin. Dieses Jahr des Gedenkens, der Mahnung, Erinnerung und der aktiven Auseinander-setzung wird aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin und des Hauptstadtkulturfonds unterstützt und wird in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern und Förderern realisiert.
Infos aufwww.berlin.de/2013
Informationen
Ephraim-Palais | Stadtmuseum Berlin
Poststraße 16, D-10178 Berlin
Di, Do–So 10–18 Uhr, Mi 12–20 Uhr
Tel. +49 (0) 30/24 0 02-162
www.stadtmuseum.de
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