Die Klassik Stiftung nimmt den 150. Geburtstag des belgisch-flämischen Architekten und Designers Henry van de Velde zum Anlass, die bahnbrechenden Leistungen des „Alleskünstlers“ und seine Wirkungsstätten in Weimar vorzustellen.
Van de Velde kam 1902 als künstlerischer Berater des Großherzogs Wilhelm Ernst nach Weimar, wo er die Kunstgewerbeschule gründete und bis zu seiner Abreise 1917 viele der wichtigsten Werke seines umfassenden Œuvres schuf.
In Überwindung aller Traditionen ignorierte van de Velde die Grenzen zwischen „Kunst“ und „Kunsthandwerk“ und gestaltete alle Lebensbereiche: den Bau des Hauses, die Gestaltung des Raums, die Form von Kleidung und Schmuck, aber auch das Design von Alltagsgegenständen, vom Leuchtkörper über das Möbelstück bis zum Brieföffner. Dabei blieb er seiner Überzeugung treu, die Gestaltung eines Gegenstands sei desto vollkommener, je exakter sie dessen Zweck entspreche.
Die Ausstellung Leidenschaft, Funktion und Schönheit. Henry van de Velde und sein Beitrag zur europäischen Moderne zeigt den agilen Flamen als einflussreichen Gestalter der Moderne. Anhand von Meisterwerken aus zahlreichen öffentlichen und bislang nie gezeigten privaten Sammlungen vermittelt sie seinen eminenten Stellenwert in der Kunstgeschichte. Entlang den einzelnen Lebensstationen und den vielseitigen Schaffensphasen des Künstlers wird das Spektrum seines Wirkens von 1890 bis Ende der 1930er-Jahre präsentiert.
Im Fokus steht die Idee des Gesamtkunstwerks, in dem jedes künstlerische Detail mit seinem Umfeld harmoniert. Im steten Kampf gegen die als Verfall empfundene Epoche des Historismus folgte der ursprünglich in der Malerei ausgebildete Künstler und Theoretiker einer fortschrittlichen, „vernunftgemäßen“ Formgebung. Diese Idee setzte er als Designer, als Architekt und Buchkünstler um und propagierte sie als begnadeter Redner und wortmächtiger Publizist. Der Vergleich mit herausragenden Exponaten zeitgleicher Designer wie Peter Behrens, Josef Hoffmann, Victor Horta oder Charles Rennie Mackintosh führt dabei den „neuen Stil“ des in Deutschland früh erfolgreichen Flamen vor Augen.
Die Ausstellung der Klassik Stiftung Weimar entstand in Kooperation mit den Musées royaux d’Art et d’Histoire in Brüssel im Rahmen des Van-de-Velde-Jahrs 2013. Sie steht unter der gemeinsamen Schirmherrschaft Seiner Majestät König Alberts II. und des Bundespräsidenten Joachim Gauck.
24. März bis 23. Juni 2013
Di–So 10–18 Uhr, Neues Museum Weimar, Weimarplatz 5
Haus Hohe Pappeln & Nietzsche-Archiv
Ergänzend zur Ausstellung können die beiden Van-de-Velde-Gebäude Haus Hohe Pappeln und Nietzsche-Archiv besichtigt werden.
Das Haus Hohe Pappeln ließ Henry van de Velde 1907/08 nach eigenen Plänen errichten und bewohnte es bis 1917 zusammen mit seiner Frau Maria und den fünf Kindern. Dabei verzichtete er auf ornamenta-len Zierrat, stattdessen orientierte er sich
an den modernen Prinzipien der Zweckmäßigkeit. Das Haus ist ein einzigartiges Gesamtkunstwerk, in dem van de Veldes Handschrift in jedem Detail zu finden ist. Neben der Architektur, den Einbauten und den Möbeln entwarf er auch den Garten.
Im Mai 1897 bezog die Schwester Nietzsches die Villa des heutigen Archivs, um hier ihren kranken Bruder aufzunehmen und zu pflegen. Friedrich Nietzsche starb am 25. August 1900 in diesem Haus. 1902 beauftragte Elisabeth Förster-Nietzsche van de Velde mit der Umgestaltung und Neueinrichtung der Erdgeschossräume. Das Raumensemble ist fast vollständig erhalten und gehört zu van de Veldes gelungensten Schöpfungen.
Haus Hohe Pappeln, Belvederer Allee 58
D-99423 Weimar, Di–So 11–17 Uhr
Nietzsche-Archiv, Humboldtstraße 36
D-99423 Weimar, Di–So 11–17 Uhr
Informationen
Klassik Stiftung Weimar in der Tourist-Information
Markt 10, D-99423 Weimar
Tel. +49 (0) 36 43/54 54 00
www.klassik-stiftung.de/vandevelde
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