Vom Luther-Choral bis zum Sacro-Pop führt die Jahresausstellung im Historischen Waisenhaus der Franckeschen Stiftungen durch fünf Jahrhunderte protestantischer Musikkultur.
„Da gibt es die Geschichte vom Magdeburger Tuchmachergesellen, der 1524 inhaftiert wurde, weil er auf dem Alten Markt Luther-Lieder verkaufte und die erbaulichsten davon vorsang. 800 aufgebrachte Bürger stürmten daraufhin das Gefängnis.“ Cordula Timm-Hartmann, Musikwissenschaftlerin und Kuratorin der Jahresausstellung der Franckeschen Stiftungen, ist überzeugt: „Die Reformation war eine singende Revolution!“ Diesen Beginn einer neuen musikhistorischen Epoche und deren Weg durch fünf Jahrhunderte bis in die Gegenwart setzt die Ausstellung Weil sie die Seelen fröhlich macht. Protestantische Musikkultur seit Martin Luther mit modernen Hörinstallationen und herausragenden Werken der Musikgeschichte in Szene.
Luther schätzte die Musik „nächst der Theologia“ als Schöpfungsgabe Gottes an den Menschen, als Sprache des Glaubens und des Evangeliums. Seine Lieder haben dazu beigetragen, die Reformation zu einer Singbewegung werden zu lassen. Sie waren mit anderen reformatorischen Liedschöpfungen das Markenzeichen der jungen evangelischen Kirche. Mit der Gründung der ersten Kantoreien, von denen aus das gemeinschaftliche Singen zu einer Volksbewegung wurde, und der Weiterentwicklung des geistlichen Lieds entstand eine ganz neue Gesangs- und Musikkultur, die gerade im mitteldeutschen Raum, dem Kernland der Reformation, von namhaften Komponisten wie Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach fortgesetzt wurde. Ausgehend von Martin Luthers eigener musikalischer Biografie, wird die Entwicklung der protestantischen Musikkultur von der Reformation bis heute in Schlaglichtern anschaulich nachgezeichnet. Gesangbücher und weltweit bekannte Kirchenlieder, wegweisende Komponisten und ihre Werke sowie Gattungen und Zentren der protestantischen Kirchenmusik werden in sicht- und hörbaren Beispielen ein Panorama des kirchenmusikalischen Lebens in Deutschland entfalten.
Das gemeinsame Singen spielte auch in der Schulstadt August Hermann Franckes, im 18. Jahrhundert die bedeutendste protestantische Bildungseinrichtung Europas, eine entscheidende Rolle. Denn hier wird seit 300 Jahren nicht nur viel gesungen, sondern Lieder wie „Stille Nacht“ oder „Macht hoch die Tür“ wurden durch die in zahlreichen Auflagen in den Franckeschen Stiftungen herausgegebenen Liedersammlungen erst populär. So zählt das 1704 erstmals erschienene Geistreiche Gesangbuch von Johann Anastasius Freylinghausen mit seinen mehr als 1500 Liedtexten und rund 600 Liedkompositionen zu den Schlüsselwerken frühneuzeitlicher Gesangbuchliteratur. Nicht zuletzt ist das Historische Waisenhaus mit dem beeindruckenden Freylinghausen-Saal, dem ehemaligen Sing- und Betsaal der Schulstadt, selbst ein begehbares Exponat.
Ausstellungen
Weil sie die Seelen fröhlich macht
Protestantische Musikkultur seit Martin Luther
21. April bis 23. September 2012,
Historisches Waisenhaus
Yeah & Halle-Lujah
Lindenblütenmusikfest mit über 50 Angeboten, Theater, Tanz und Musik, so weit das Ohr und Auge reicht. Eintritt frei.
17. Juni 2012, 10–19 Uhr, Lindenhof
Informationen
Franckesche Stiftungen zu Halle
Öffnungszeiten von Waisenhaus, Wunderkammer, Kulissenbibliothek und Francke-Wohnhaus Di–So und Fei 10–17 Uhr
Infozentrum im Francke-Wohnhaus
Franckeplatz 1, D-06110 Halle
Tel. +49 (0) 345/212 74 50
www.francke-halle.de
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