Von den Pionieren der Land-Art der 1960er-Jahre bis hin zu aktuellen Positionen.
Nach den verheerenden Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs und dem danach erfolgten Neubeginn der Künste, die sich vor allem im abstrakten Gestus der New York School und des in Europa beheimateten Informel Ausdruck verschafften, waren es in den 1960er-Jahren dann vor allem amerikanische Künstler, die sich ganz auf die Spuren der Natur begaben. Es war nicht mehr die Anschauung der Natur (im Sinne eines nahezu kontemplativen Akts), die sie interessierte, sondern umgekehrt lieferte diese das Material, das zum künstlerischen Instrument wurde und zum Objekt forschungsorientierter Versuchsreihen mutierte. Als ein wesentlicher Faktor kam hinzu, dass sich der künstlerische Prozess nicht mehr auf den Atelierraum reduzierte oder – wie bei den Impressionisten – „vor der Natur“ stattfand, sondern die Künstler sich selbst in zumeist entlegene Gegenden begaben und diese zum Teil großflächig transformierten. Eine der Fragen, die sich bereits zu Anfang stellt, ist die nach dem Ursprung dieses Paradigmenwechsels und zugleich die sich daraus ableitende Klärung, inwieweit Naturbeobachtung im Akt der Transformation nicht nur sichtbar, sondern gegebenenfalls zugleich konterkariert wird.
In diesem Zusammenhang soll in einem ersten Schritt recherchiert werden, was die historischen Grundlagen für diesen auf Erforschung ausgerichteten Ansatz der Künstler waren. Robert Smithson, aber auch Richard Long, Dennis Oppenheim, Mario Merz und einige andere bereiteten ihre Land-Art-Projekte zuweilen wie Expeditionen von Geologen vor. Dem wissenschaftlichen Charakter ihres Ansatzes geschuldet, besorgten sie sich Landkarten mit entsprechenden Höhengraden und den exakten geologischen Formationen, oder sie versorgten sich mit Informationen seitens der Biologen, um die einzelnen Spezies, die dort lebten, zu examinieren.
Sie erkundeten umfassend alle Eventualitäten, die sich aus ihren geplanten In-terventionen ergeben könnten. So begab sich beispielsweise Richard Smithson auf eine Forschungsreise zum Terrain der großen Salzseen von Utah, bevor er mit seiner spirale die Landschaft großflächig veränderte.
Es bleibt unter anderem auch zu klären, was der historische, gesellschaftliche und politische Hintergrund dieser Aktionen war. Im Zeichen von Hiroshima, Pearl Harbour und der in den 1960er-Jahren einsetzenden Mondlandungen durch die Amerikaner und die UdSSR nehmen sich die Land-Art-Projekte vergleichsweise archaisch aus – bewusst auf minimale Formen reduziert – und zugleich als gewählter Gegenort zur immer mehr sich verdichtenden Situation menschlicher Ballungszentren, vornehmlich in den Metropolen dieser Welt.
In den Anfangsjahren, so scheint es, wird vor allem der freie, teils noch unberührte oder zumindest wenig besiedelte Naturraum durch die Künstler aufgesucht. Sie intervenieren mit ebenso großflächigen Maßnahmen, die nur durch eigenes physisches Durchwandern oder aus der Luftperspektive erlebbar werden. Ihre Großflächigkeit versteht sich als adäquates Pendant zur Landschaft. Die Natur wird nicht als Objekt der Besinnung oder gar als Rückzugsgebiet verstanden, sondern zunächst als Basis wissenschaftlich orientierter Studien und schließlich als ebenbürtiger Dialogpartner.
Nur wenig später wandelt sich das Verhältnis zwischen Natur, Künstler und Intervention. Der Umgang mit der Natur und damit auch die Befragung ihrer Möglichkeiten verändert sich zuungunsten des wissenschaftlichen Ansatzes und tendiert nun mehr zur ästhetischen Geste. Gleichwohl gibt es bedeutsame Ausnahmen: Agnes Denes Kornfeld, das diese Ende der 1970er-Jahre inmitten von Manhattan, unmittelbar an der Grenze zur Wall Street, implantierte, versteht sich durchaus als ein politisches Statement. In einer rein materialistischen, vornehmlich kapitalistisch orientierten Welt (des Westens!) nehmen sich solche künstlerischen Interventionen als Protest aus, als mahnende und beschwörende Geste, die Natur nicht vollkommen zu verdrängen. Sie ist zugleich aber auch kraftvolles, selbstbewusstes Statement, das die Überlebenskunst von Natur in den öffentlichen Raum stellt. Dennoch bleiben diese Gesten zu dieser Zeit vergleichsweise vereinzelt.
Die Land-Art, wie sie sich in den 1960er- und frühen 1970er-Jahren entwickelte, existiert in den 1980er- und 1990er-Jahren in nur wenigen, dafür meist spektakulären Projekten weiter. Hiezu zählen insbesondere die Arbeiten von Christo und Jeanne-Claude (so etwa der Fence, das Umbrella Project in Japan, die Wrapped Islands vor Miami etc.). Hier ist jedoch sogleich festzuhalten, dass es sich nun um Interventionen im Naturraum handelt, nicht aber um Land-Art im ursprünglichen Sinn. Es ist nun nicht mehr die Natur, die durch Natur selbst transformiert wird (so werden auch keine Naturmaterialien verwendet), sondern die Intervention wird als inszenierte Störung angelegt, die ihrerseits nach ästhetischen Kriterien ausgerichtet ist.
Vor allem in den 1980er-Jahren verschwindet – bis auf Christos und Jeanne-Claudes Projekte – die Idee der Land-Art weitgehend. An ihre Stelle treten jedoch sensible, gänzlich durch die Natur inspirierte Kompositionen. Dabei spielt das Material eine ebenso große Rolle wie der jeweilige Ort, der als Genius Loci begriffen wird. Insbesondere britische Künstler, allen voran Andy Goldsworthy und David Nash, haben die Maßstäbe hier neu definiert.
Idee der Ausstellung ist es, diese historischen Positionen anhand von Skizzen, Artefakten, Dokumenten, Modellen, Fotografien und filmischen Aufzeichnungen nachzuvollziehen. Die Entwicklungen umfassen die letzten nahezu 50 Jahre, in denen mehrfach ein Wechsel der Positionen, der Zielsetzungen und der Materialausbeutung stattgefunden hat. Dabei werden auch die neuesten Ansätze, die künstliche Welt des Cyberspace – Natur in der Retorte – als letzter Ausblick mit involviert. Dergestalt zeigen sich die Beziehungen zwischen der amerikanischen Kunstszene und jener, die sich in Europa (sowie mit einigen wenigen Experimenten auch im asiatischen Raum vertreten) weitgehend an den amerikanischen Tendenzen orientierte. Viele Werke von Smithson, Oppenheim, Long etc. befinden sich heute in bedeutenden Sammlungen (so unter anderem im Museo Reina Sofía in Madrid, im Museum of Modern Art in New York, im Guggenheim Museum in New York, im Museum Ludwig in Köln, im Ludwig Forum in Aachen, in internationalen Galerien und Privatsammlungen) sowie in den Archiven der Künstler. Erstmals soll deshalb dieser inhaltliche Kontext aufgezeigt und exemplarisch belegt werden.
15. April bis 16. Oktober 2011
Informationen
Ludwig Museum im Deutschherrenhaus
Danziger Freiheit 1, D-56068 Koblenz
Tel. (+49-261) 30 40 40
Di–Sa 10.30–17 Uhr, So und Fei 11–18 Uhr
www.ludwigmuseum.org
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