Der Scherenschnitt findet sich in den verschiedensten Kulturen und kann auf eine mehr als 1000-jährige Entwicklung verweisen, deren Wurzeln in China liegen. In der europäischen Kulturgeschichte, seit zirka 1600 nach Christus nachweisbar, erfährt er seine Blüte in den Schattenrissen und Silhouetten des 18. und 19. Jahrhunderts. Danach hat dieses Genre neben seiner untergeordneten Rolle als Experimentierfeld künstlerischer Ideen kaum Bedeutung und wird allenfalls im Kunsthandwerk tradiert. Erst in den letzten Jahren hat es wieder an Relevanz gewonnen und rückt zusehends in den Fokus der Aufmerksamkeit des Kunstbetriebs – interessant hinsichtlich seiner immensen gestalterischen Möglichkeiten, deren sich die Künstler(innen) heute in vielfältiger Weise ohne Berührungsängste bedienen und die sie neu interpretieren.
Das historische Mittel hat sich von seiner herkömmlichen Erscheinungsart – als kleines, zweidimensionales Schattenbild, aus Papier geschnitten – weitestgehend gelöst und den Raum erobert, in dem es in einer großen Bandbreite in unterschiedlichsten modernen Materialien, Techniken und Formen, häufig großformatig, realisiert wird: vom klassischen Papierschnitt über Acrylglas-, diverse Kunststoff- und Metallschnitte bis hin zu textilen Tableaus. Es erscheint entweder als Bildwerk, als skulpturales Objekt oder Installation, raffiniert belichtet und inszeniert, als Schattentheater räumlich projiziert oder als dynamisiertes Bild in Film und Video.
Der Scherenschnitt ist im zeitgenössischen Kontext zu einem faszinierenden, eigenständigen Medium avanciert, das die ihm ursprünglich zugeschriebenen Aufgaben der mimetischen bzw. idyllischen Wiedergabe der Gegenstandswelt oder des bloßen ornamentalen Dekorums bei Weitem überschreitet und sich nun, jenseits aller romantischen und traditionsbehafteten Vorstellungen, mit neuen Inhalten aufgeladen, als tragfähiges Mittel der kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen Fragestellungen von Kunst und Gesellschaft erweist.
Die Ausstellung wurde in Kooperation mit der Hamburger Kunsthalle realisiert.
Teilnehmende Künstler(innen):
Gabriele Basch, Christian Boltanski, Ulla von Brandenburg, Felix Droese, Jeanne Faust, Katharina Hinsberg, Werner Hofmeister, Julia Horstmann, Lisa Huber, Gudrun Kampl, William Kentridge, Birgit Knoechl, Philip Loersch, Rupprecht Matthies, Charlotte McGowan-Griffin, Melitta Moschik, Olaf Nicolai, Annette Schröter, Stefan Thiel, Kara Walker.
bis 22. Mai 2011
Vorschau 2011
Ansichtssachen
fokus sammlung 02. Menschenbilder
Burgkapelle: Lisa Huber
9. Juni bis 4. September 2011
streng geometrisch
Burgkapelle: true fiction
Eva Paulitsch & Uta Weyrich
22. September bis 27. November 2011
Reality Shapes
Melitta Moschik
15. Dezember 2011 bis 4. März 2012
After Work – Das Museum am Abend
Jeden Donnerstag (außer feiertags) von 18 bis 20 Uhr bei freiem Eintritt, inklusive einer Führung durch die aktuelle Ausstellung um 18.30 Uhr!
Informationen
Museum Moderner Kunst Kärnten
Burggasse 8, A-9021 Klagenfurt
Tel. (+43) 050 536-30542
Di–So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr, Fei bis 18 Uhr
[email protected]
www.mmkk.at
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