Die befreundeten Künstler, die bei wichtigen Aktionen und Ausstellungen in den 1960er-Jahren gemeinsam aufgetreten sind, entwickelten aus der Erfahrung des Kriegs ihre eigenen stilbildenden Standpunkte und verfolgten dabei die radikale Emanzipation des Individuums und die Reform beziehungsweise Revolution des Lebens. Durch die gemeinsame Präsentation der drei verschiedenen Positionen der Performativität wird eine neue Perspektive auf die heute in allen Museen der Welt hofierten performativen Künste erarbeitet. Bisher hat die Kunstgeschichte die Werke von Joseph Beuys, Bazon Brock und Wolf Vostell nur jeweils singulär behandelt, ohne den jeweiligen nationalen und internationalen Kontext. Damit sind nicht nur individuell wichtige Aspekte und Leistungen der einzelnen Künstlerpersönlichkeiten vernachlässigt worden. Durch den Mangel einer kontextuellen Zusammenschau ist auch die Bedeutung dieser drei Künstler für die performative Wende verloren gegangen. Die Künstler waren befreundet und sind Mitte der 1960er-Jahre bei wichtigen Veranstaltungen wie dem Festival der Neuen Kunst am 20. Juli 1964 in Aachen, der Livesendung des Zweiten Deutschen Fernsehens für die Sendereihe Die Drehscheibe (1964) und dem sogenannten „24-Stunden-Happening“ in der Galerie Parnass in Wuppertal (1965) gemeinsam aufgetreten. Indem ihre Zusammenarbeit nun erstmals recherchiert und umfassend ausgestellt wird, eröffnen sich neue Blickwinkel auf das künstlerische Schaffen der drei Künstler und die Kunst der Nachkriegszeit.
Die Ausstellung zeigt, dass die drei Aktionskünstler auf ihre Weise einflussreiche wie stilbildende Positionen der Performativität geschaffen haben und an der Bildung eines erweiterten Werkbegriffs beteiligt waren – etwa der Skulptur als Handlung und der Einbeziehung des Publikums. Darüber hinaus wird sichtbar, dass alle drei Künstler in der Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen einen gemeinsamen, thematischen Schwerpunkt aufweisen. Eine weitere Parallele zwischen Joseph Beuys, Bazon Brock und Wolf Vostell, die in der Ausstellung nachvollziehbar wird, besteht in der Neudefinition der Lehre. Die drei Künstler erfanden die Lehre als Aufführungskunst, in deren Mittelpunkt das Vermitteln und Aufklären, das Agieren und Agitieren sowie die Diskussion und die Demonstration stehen. Ausgelöst durch Aktionen, Bilder und Reden, sollte eine Bewusstseinsveränderung des Betrachters erreicht werden, die zum übergeordneten Ziel der radikalen Emanzipation des Individuums führt. Im Mittelpunkt der Aktionen und Demonstrationen von Beuys, Brock und Vostell stehen demnach die Zivilgesellschaft und die Demokratie. Nachdem sich die Künstler in den 1950er-Jahren verstärkt auf die Vergangenheit, insbesondere den Holocaust, bezogen haben, war in den 1960er-Jahren der Entwurf sozialer Utopien ihr gemeinsames Anliegen.
Mit der Ausstellung Beuys Brock Vostell vertieft das ZKM Karlsruhe seine thematischen Schwerpunkte Performativität und Partizipation. Nach der Präsentation der Arbeiten der Pionierinnen der Performancekunst in der Ausstellung Moments (2012) und der Auseinandersetzung mit dem erweiterten Werkbegriff in der Ausstellung Franz Erhard Walther. Raum durch Handlung (2012) werden jetzt erstmals drei bedeutende deutsche Aktionskünstler der Nachkriegsmoderne, Joseph Beuys, Bazon Brock und Wolf Vostell, gemeinsam in einer groß angelegten Schau präsentiert. Diese Künstler haben bereits in den 1950er-Jahren die neue Tendenz, die Kunst aus den Ateliers in den öffentlichen Raum zu führen, erkannt und in künstlerische Praktiken umgesetzt.
bis 9. November 2014
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