Wäschermädel, 1886, aus der Fotoserie Wiener Typen von Otto Schmidt © Wien MuseumMaronibrater, 1881, Foto von Emanuel Wähner © Wien MuseumMoriz Jung / Wiener Werkstätte, „Sänger und Geiger in einem Hinterhof“, um 1910, Bildpostkarte © Wien MuseumPülcher, 1886, Foto von Otto Schmidt © Wien Museum

Wiener Typen – Klischees und Wirklichkeit

Als „Wiener Typen“ bezeichnete man Straßenhändler, ambulante Kleinhandwerker und andere als stadttypisch geltende Figuren, die zumeist der Unterschicht angehörten. In populären Bildserien wurden sie „typisiert“ und oft klischeehaft dargestellt.
Karlsplatz, A-1040 Wien

Ob Scherenschleifer oder Wäschermädel, Schusterbub oder Werkelmann, Lumpensammler oder Lavendelfrau – die urbane Folklore machte aus ihnen im ausgehenden 19. Jahrhundert Relikte einer vertrauten, jedoch verschwindenden Welt, im Schatten der Modernisierung personifizierten die „Wiener Typen“ das „urtümlich“ Wienerische. Zwischen Klischee und Wirklichkeit gab es einen ständigen Transfer: Die „Typen“ waren Kunstprodukte, die der Wirklichkeit entnommen wurden. Drei sind selbst heute noch imagebildend für die Stadt: Fiaker, Kellner und Heurigenmusiker.

Vorläufer „Kaufrufe“
Vorläufer des „Typen“-Genres waren die „Kaufrufe“, druckgrafische Serien mit Protagonisten des „einfachen Volks“, die in vielen europäischen Metropolen ab dem 16. Jahrhundert populär waren und in Wien im 18. Jahrhundert aufkamen. Ihr Name bezieht sich auf die eindringlichen Rufe, mit denen Straßenhändler und Hausierer im Lärm der Stadt auf sich aufmerksam machten und ihre Waren anpriesen. Das Wien Museum verfügt über einen großen Bestand sowohl an „Kaufruf“-­Se­rien als auch an den späteren Darstellungen von „Wiener Typen“ und präsentiert diese kulturhistorischen Highlights nun erstmals umfassend in einer Ausstellung.
Egal, welches Medium: Fast immer bleiben die realen Lebensumstände der Dar­gestellten ausgeblendet. In Schlaglichtern konfrontiert die Ausstellung den taxierenden „Blick von oben“ auf die Unterschicht mit deren hartem Arbeitsalltag, der von bitterer Armut und extremer körperlicher Belastung geprägt war. Die Ausstellung bietet nicht nur einen sozialhistorischen Blick auf die Unterprivilegierten, sondern erzählt zugleich eine aufschlussreiche Geschichte von „verschwundenen Berufen“.

Die Atmosphäre der Stadt spüren
Die Ausstellung spannt thematisch einen weiten Bogen – von den idealisierten und romantisierten Darstellungen des 18. Jahrhunderts bis zu heutigen Tourismusimages, von mediengeschichtlich bemerkenswerten Phänomenen bis zur Sozialgeschichte von jenen, die „ganz unten“ lebten, von verges­senen Berufen bis zur Sehnsucht nach Alt-Wien. Eine wichtige Rolle kommt den Hörbeispielen zu, die erahnen lassen, wie die Atmosphäre in der Stadt einst war: Kaufrufe wurden von den Wanderhändlern ähnlich wie „Jingles“ im Radio eingesetzt, von jedem sofort erkennbar. Auch einige Klassiker der Wien-Nostalgie gibt es zu hören, unter ihnen das „Fiakerlied“ und das „Schusterbubenlied“, aber auch Helmut Qualtingers „Halbwilden“, gleichsam die amerikanisierte Variante des Wiener Pülchers. Literarische Zitate – unter anderem von Felix Salten und Eduard Pötzl – begleiten die Besu­cher(innen) ebenfalls durch die Ausstellung.
bis 6. Oktober 2013

Informationen
http://www.wienmuseum.at

Leserkommentare

Zum Kommentieren kostenfrei registrieren oder anmelden.