Was haben ein riesiges, quietschebuntes Korallenriff, ein Reh im Kornfeld und das schönste physikalische Experiment der Menschheit gemeinsam? Sie dokumentieren komplexe Bezüge von Ästhetik und Forschung. Das ist der nicht geringe Anspruch der Ausstellung Wie Schönes Wissen schafft im Rittersaal des Schlosses Hohentübingen, die bis 15. September gezeigt wird, und bildet gleichzeitig den Kern des Jahresthemas 2013 des Museums der Universität Tübingen MUT.
Die präsentierten Objekte führen verblüffend vor Augen, welche Aspekte der Ästhetik in der wissenschaftlichen Arbeit sichtbar und für die Forschung entscheidend werden. Dabei verdeutlicht die Ausstellung auf beeindruckende Weise, wie etwa Formen der Naturbeobachtung ästhetisch gelesen wurden, welche Bedeutung diese Ästhetik im Kontext der Forschung einnimmt, wie sehr bildgebende Verfahren die Forschung – und deren Ergebnisse – verändern, aber auch, wie umgekehrt wissenschaftliche Erkenntnisse
auf die Produktion von Kunst Einfluss nehmen.
Unter den rund 130 Exponaten aus den reichen Sammlungen der Universität Tübingen befinden sich spektakuläre Objekte und Superlative, so etwa das schönste physikalische Experiment der Menschheit von Claus Jönsson aus Tübingen. Die reduzierte Ästhetik entstand vor 50 Jahren während wissenschaftlicher Experimente zur Elektroneninterferenz. Ein anderes Highlight bildet der weltweit erste paläontologische Stammbaum nach Darwins Theorie. Er fand sich ebenfalls in den über 40 Sammlungen der Universität und wurde erst vor Kurzem im Keller der Tübinger Paläontologie wiederentdeckt. Das riesige bunte Korallenriff The Föhr Reef ist dagegen eine Leihgabe von der Insel Föhr: Sage und schreibe über 700 Helferinnen häkelten (!) die überwältigende Installation einer immensen Koralle. Das Schauerlebnis veranschaulicht den hyperbolischen mathematischen Raum. Doch schon ganz ohne das theoretische Vorwissen lohnt sich allein wegen dieser Farborgie die Reise nach Tübingen.
Zu den nicht immer „schönen“ Exponaten der Schau zählen aber auch zoologische Präparate, mineralogische Gesteine, paläontologische Fossilien oder anatomische Studien. Die Abteilungen der Ausstellung tragen Titel wie „Schafft Schönes Wissen?“, „Alltag Wissenschaft“, „Blick aufs Äußere“, „Blick ins Innere“, „Ideale Natur“, „Bild schön“, „Schöne Theorie“, „Prinzip Darstellen“, „Wissen schafft Schönes“ und „Wissensobjekt schönes Tier“. Sie alle führen anschaulich die unterschiedlichsten Perspektiven auf die komplexe Beziehung zwischen Ästhetik und menschlicher Wahrnehmung einerseits und dem Bereich scheinbar rein rational gesteuerter Wissenschaft vor Augen.
Zur Ausstellung „Wie Schönes Wissen schafft“ ist ein ausführliches Programmheft sowie ein gelungener, durchgehend farbiger Katalog um 19,90 Euro mit vertiefenden Beiträgen erschienen.
bis 15. September 2013, Schloss Hohentübingen
Mi–So 10–17 Uhr, Do 10–19 Uhr
Informationen und Kataloge
Tel. +49 (0) 70 71/297 73 84
[email protected]
http://https://www.unimuseum.de
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