Cornelius Obonya  © Anjeza CikopanoBrigitte Hobmeier  © Janine Guldener

Jedermanns Verwandlung

Salzburg bekommt einen neuen Jedermann. Mit Hörbiger-Enkel Cornelius Obonya ist die Titelrolle aus altem österreichischem Theateradel prominent besetzt; seine Buhlschaft ist die gefeierte Münchner Schauspielerin Brigitte Hobmeier. Die größte Überraschung sind die Regisseure: Der Engländer Julian Crouch und der Amerikaner Brian Mertes inszenieren heuer das Herzstück und die „ökonomische Lebensader“ (Sven-Eric Bechtolf) der Festspiele.
Herbert-von-Karajan-Platz 11, A-5010 Salzburg

„Ausgerechnet der Jedermann!“, mag mancher Festspielfreund insgeheim denken: Das „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ ist der Grundstein der Salzburger Festspiele, das Werk, das am engsten mit Hofmanns­thals und Reinhardts Festspielvision verknüpft ist und damit auch für viele eine Art Vermächtnis. Und es ist, wie es auch sonst bei Erbschaften gelegentlich vorkommt, für die Erben nicht unbedingt die reine Freude. Soll man das gute Stück rauswerfen? Oder behutsam aufpolieren? Oder was Neues damit beginnen? Diese Fragen haben sich viele Salzburger Schauspieldirektoren und Regisseure gestellt. Gottfried von Einem wünschte sich einen neuen, zeitgemäßeren Jedermann von Brecht, Peter Stein versuchte Peter Handke und Botho Strauß für die Idee zu gewinnen – vergeblich. Und eine Bestandsaufnahme der Inszenierungsgeschichte offenbart, jenseits von Christian Stückls erfolgreicher Produktion, einen zögerlichen Umgang mit dem Erbstück, befand Schauspieldirektor Sven-Eric Bechtolf; der Jedermann wurde „inhaltlich, sprachlich und ästhetisch immer mehr zu einem antiquierten Sonder- und Ausnahmefall“.

Immer schon unzeitgemäß
Doch das Unzeitgemäße, das dem Stück schon bei der Uraufführung eigen war, macht auch seinen Reiz aus: Das Unzeitgemäße seiner Themen ist zu jeder Zeit eine Provokation, meint Bechtolf, denn es er­innert uns „an einen immer noch unbewältigten Sachverhalt: unseren Tod und unsere Gottesvorstellung“.
Und dafür holte Bechtolf zwei Regisseure nach Salzburg, die hierzulande den Meisten lediglich dem Namen nach bekannt sein dürften: den Engländer Julian Crouch und den Amerikaner Brian Mertes. Mag die Entscheidung auch manchen Traditionalisten erschrecken, so spricht weit mehr für diese Wahl als Bechtolfs erklärte Absicht, mehr internationale Künstler in Salzburg zu präsentieren. Denn die beiden Regisseure, die erstmals miteinander arbeiten, erscheinen geradezu prädestiniert für die Aufgabe, aus dem alten Klotz neue Funken zu schlagen. Beide haben in ihrer Theaterlaufbahn eigenwillige und unkonventionelle Produktionsformen erprobt, bei denen die herkömmliche Aufteilung in Theatermacher und Rezipienten ins Schwimmen gerät und Zuseher zu Beteiligten werden.

Mysterienspiel und Jahrmarktsspektakel
Ihre Arbeit an der Neuinszenierung des Jedermann begannen die beiden Theater­macher mit dem Blick zurück: Sie beschäftigten sich mit Max Reinhardts Regie und dem Kontext der Entstehungszeit, mit der Idee des Werks („Verwandlung“) und mit Hofmannsthals Vorlage, dem englischen Morality Play The Somonyng of Everyman (in etwa: die Vorladung des Jedermann) aus dem späten 15. Jahrhundert. Mysterienspiel und Jahrmarkts spektakel sind untrennbar miteinander verwoben. Ein paar Details haben die beiden verraten: Wie einst wird es eine von der Domfassade abgerückte Holzbühne mit zwei Etagen und Variationen der Originalmusik, ergänzt um Volkslieder und Musik der 20er-Jahre, geben. Und: „Es ist uns sehr wichtig, den Marktplatzcharakter des Stücks nicht zu vergessen und uns davon inspirieren zu lassen. Jedermanns Leben muss reich sein, freudvoll, überströmend – auch für das Publikum. Auf dem Weg zu seiner Bekehrung begegnet ihm eine Reihe von sehr kraftvollen theatralischen Figuren. Wir wollen – einer mittelalterlichen Schauspieltruppe gleich – unsere Zuseher mithilfe von Spektakel und Humor in den Bann ziehen, sie mitreißen und sie einladen, Jedermanns Weg mitzugehen und ihn auch als den eigenen zu begreifen – zumindest für die Spieldauer von zwei Stunden.“ 
Text: Barbara Maria Zollner

Informationen
http://www.salzburgerfestspiele.at

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