Spoerri in Flensburg, Foto Barabara RäderscheidtSpoerri in Flensburg, Foto Barabara RäderscheidtSpoerri in Flensburg, Foto Barabara RäderscheidtSpoerri in Flensburg, Foto Barabara RäderscheidtSpoerri in Flensburg, Foto Barabara Räderscheidt

Daniel Spoerri. Historia Rerum Rariorum

Der Museumsberg Flensburg wird zur Wunderkammer.

Daniel Spoerri kann man zu Recht einen Meister des Staunens nennen. Seit Jahrzehnten erschafft er in seinen Kunstwerken einen eigenen Kosmos, der Alltagsdinge aus ihrem gewohnten Zusammenhang, ja sogar aus ihrer Zeit holt und ihnen einen neuen Sinn gibt. Daniel Spoerri hat als Erfinder der Eat-Art und Meister der Assemblage längst seinen Platz in der Kunstgeschichte sicher. In Italien befindet sich der „Giardino“, sein eigener Skulpturenpark, in Hadersdorf bei Wien steht sein eigenes Museum, seine Kunstwerke sind vom Centre Pompidou bis zum MoMa in den wichtigsten Sammlungen vertreten. Warum also kommt solch ein „Weltstar“ ausgerechnet nach Flensburg? Die Antwort ist relativ einfach: Noch nie hat ihm jemand angeboten, ein ganzes Museum umzukrempeln, aus einem wohlgeordneten Ausstellungshaus eine Wunderkammer nach spoerrischer Art zu machen. Und das hat ihn gereizt. Uns übrigens auch. Das Ergebnis lässt sich jetzt im Heinrich-Sauermann-Haus auf dem Flensburger Museumsberg bewundern – nein, besser: bestaunen!
In allen Abteilungen des Museums, auf allen Etagen, vom Naturwissenschaftlichen Museum im Erdgeschoss bis zur Schatzkammer im zweiten Stock, unterbrechen Daniel Spoerris Assemblagen, Skulpturen und Sammlungen die gewohnte Ordnung. Doch was dabei auf den ersten Blick nach „Unordnung“ aussehen mag, hat seine ganz eigene Logik. Überall nimmt Daniel Spoerri Bezug auf die vorhandene Sammlung, kein Ding steht zufällig an seinem Ort. So findet sich Darwin’s Nudlradl Collection selbstverständlich im Natur­wissenschaftlichen Museum wieder, auch wenn „Nudlradln“ eigentlich nichts anderes als Haushaltsgeräte sind. Das Haifischmaul mit segnender Hand, von Spoerri mit dem wunderbaren Titel Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch versehen, steht zwischen den Heiligenfiguren in der Abteilung „Mittelalter und Kirchenkunst“. Zwischen den Kinderstühlchen und Totenschädeln der Serie Alpha und Omega befinden sich auch Kinderstühle aus der hauseigenen Sammlung. An zwei Stellen wird aber die Durchmischung der Sammlungen besonders schön erlebbar: In einer der alten Peselstuben hängen 120 hölzerne Spazierstöcke unter der Decke, sichtbarer Beweis deutscher Spießigkeit, übersät mit den kleinen Metallplaketten, die eifrige Wanderer über Jahrzehnte gesammelt haben. Und diese glitzern im spärlichen Licht der Bauernstube und lassen eine ganz eigentümliche Stimmung entstehen. Viel plakativer, aber nicht weniger beeindruckend mischen sich im großen Saal im ersten Stock die Sammlungen: Eine riesige Welle aus etwa 150 Mangelbrettern der Museumskollektion bedeckt eine ganze Wand von mehr als 12 Meter Länge. Die-se Welle durchschneidet die gerade Linie der Herbarien, einer weiteren Sammlung Spoerris. Und das ist noch eine Besonderheit: Daniel Spoerri sammelt nicht nur Kunst, er sammelt Sammlungen – Herd­öpfelschälerli, Jadim, Koprolithen, Mas­tikatoren, Pansenstecher, Penisknochen und andere Dinge, deren Existenz den Meisten unter uns gar nicht bewusst sein mag. Doch er lässt es nicht beim Sammeln, er gibt den Dingen eine neue Ordnung, eine eigene Bedeutung. Er macht sie zur Kunst, fantasievoll und augenzwinkernd. Und ganz nebenbei verwandelt er so ein wohlgeordnetes Museum in eine barocke „Wunderkammer“.
bis 22. September 2013

Informationen

Museumsberg Flensburg

Museumsberg 1, D-24937 Flensburg

Tel. +49 (0) 461/85 29 56

Di–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr

[email protected]

http://https://www.museumsberg.flensburg.de

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