Kaum etwas anderes ist einem Festival so zuträglich wie der Genius Loci, sprich: die Besonderheit eines Orts. Das winzige Oberdürnbach bei Maissau belebt kein Geringerer als Gottfried von Einem, Weltbürger und genialer Tonschöpfer des 20. Jahrhunderts.
Dem berühmten Komponisten den gebührenden Platz einzuräumen war die Idee der ersten GottfriedVonEinemTage, die 1999 gegründet wurden. Schnell entwickelte sich der Ort im Weinviertel zu einem kleinen, feinen Musikfest, welches das außergewöhnliche Kulturerlebnis sucht: die Begegnung mit hervorragenden Künstlern inmitten einer reizvollen Landschaft. An drei Tagen im Juni findet sich hier Jahr für Jahr ein kunstsinniges Stammpublikum ein, um an das Schaffen des großen Komponisten erinnert zu werden.
Felder, Weingärten, Waldungen, Kellergassen, kleine Orte und Städte – einmal richtig eingetaucht, lässt es einen nicht mehr los, das Weinviertel. Es ist unaufdringlich und still. Gottfried von Einem schätzte eben diese Stille; fernab vom urbanen Treiben fand er hier jene „unverbrauchte Atmosphäre“, die ihm für die kreative Arbeit mit den kleinen, intimen Ausdrucksformen seines späten kompositorischen Schaffens so unerlässlich schien. „Er, der glänzend instrumentieren und mit dem großen Orchesterapparat umgehen konnte, komponierte hier überwiegend Lieder und Kammermusik und schuf immer öfter Miniaturen für nur ein Soloinstrument“, erzählt Gerda Fröhlich, langjährige Intendantin des Carinthischen Sommers und seit 2004 künstlerische Leiterin der GottfriedVonEinemTage.
Es war kein Zufall, dass ausgerechnet Gerda Fröhlich, kaum zur carinthischen Altintendantin geworden, mit der Gestaltung der EinemTage betraut wurde. Mit Gottfried von Einem verband sie eine lange, intensive Freundschaft – „herzlich, innig, aber auch spannend, manchmal spannungsgeladen“. In diesem Sinn sehe sie die Aufgabe als künstlerische Leiterin auch als postumes Geschenk an den Freund und Mentor.
Im malerischen Städtchen am Fuß des Manhartsbergs erinnert alles an den Komponisten und Menschen Gottfried von Einem. Hier steht das „wunderbare alte Haus“, wo er gemeinsam mit seiner Frau, der Schriftstellerin Lotte Ingrisch, seine letzten Jahre verbracht hat. Nur wenige Schritte vom ehemaligen Wohnhaus des Künstlers entfernt, in der mittelalterlichen Kirche von Oberdürnbach, finden die Konzerte statt. „Der Anblick des Turms begleitete den Komponisten Tag für Tag bis zu seinem Tod im Juli 1996“, sagt Gerda Fröhlich und erzählt von der besonderen Stimmung, die diesen Ort umgibt. „Die mystische Atmosphäre der winzigen Dorfkirche mit ihren dicken Steinmauern und prachtvollen Fresken zieht Künstler und Zuhörer gleichermaßen in ihren Bann. Wer einmal hier war, kommt immer wieder.“
Die Programme werden von Gerda Fröhlich mit Bedacht konzipiert, jedes Konzert stellt einen unmittelbaren Bezug zu Gottfried von Einem dar. Unbestechliche Richtlinie für das Musikfest ist höchster Qualitätsanspruch. „Das Wichtigste“, sagt Gerda Fröhlich, „ist eine gute Dramaturgie.“
Eröffnet werden die GottfriedVonEinemTage am 17. Juni, das erste Meisterkonzert steht unter dem Motto „Italianità & von Einem“. In Oberdürnbach spielt das Kodály-Quartett Giuseppe Verdis einziges Streichquartett sowie die Nummer 5 von Gottfried von Einem. Weitere Höhepunkte des Abends: Puccinis Crisantemi und Il tramonto (der Sonnenuntergang) von Ottorino Respighi für mittlere Stimme und Streichquartett. Solist ist der Bariton und Schauspieler Max Müller, der seit 2004 zu den Stammkünstlern der EinemTage gehört. Mit ihm wird Otto Biba, Direktor des Archivs im Wiener Musikverein und wissenschaftlicher Leiter des Festivals, tags darauf in der Pfarrkirche Maissau ein Künstlergespräch über dessen „Leben mit Thalia und Polyhymnia“ führen. „In meiner Brust schlagen zwei Herzen“, sagt Max Müller, und weil Singen für ihn ein Spielen mit der Stimme ist, fühlt sich der aus Kärnten stammende beidem zugehörig, Schauspiel und Gesang. „Diese zwei Musen“, schmunzelt er, „sind im Grund genommen eine.“ Ausklingen wird der 18. Juni mit einem Konzert des Prager Kammerchors unter der Leitung von Miriam Němcová, der neben Musik aus seiner Heimat auch Motetten von Anton Bruckner singen wird. Im Mittelpunkt steht Gottfried von Einems Choropus Die träumenden Knaben nach einem Text von Oskar Kokoschka.
Gerda Fröhlich ist es in Oberdürnbach
bei Maissau gelungen, anspruchsvolle Programme anzusetzen, ausgezeichnete Künstler zu engagieren und damit Jahr für Jahr Erfolg zu haben. „Wir haben es geschafft, mit unserem Publikum, aber auch mit den Menschen, die hier leben, eine langfristige Bindung aufzubauen. Es war mir wichtig, einen Bezug zum Lebensraum zu schaffen, in dem Gottfried gelebt und den er so geliebt hat. Die nachhaltig positive Akzeptanz im Ort selbst, bei unseren Zuhörern und den Künstlern ist ein wichtiger Aspekt der EinemTage. Genauso konsequent setzen wir uns auch für Kinder und junge Künstler ein.“
Seit 2004 steht unter der künstlerischen Leitung von Caroline Koczan und Ulrich Kaufmann ein Workshop für Kinder auf dem Programm. Heuer werden die jüngsten Festivalteilnehmer den Prinz von Schokoladien von Lotte Ingrisch und Gottfried von Einem erarbeiten (18. Juni), während das Schlusskonzert der EinemTage (19. Juni) der Jugend vorbehalten ist: Zum zweiten Mal wird das ensemble.KONSonanz.Wien in Oberdürnbach zu Gast sein und Bläserkammermusik spielen. Kleiner Höhepunkt der Matinee: von Einems Intime Töne für mittlere Stimme und Klarinette. „Gottfried von Einem hat diese drei zauberhaften Lieder nach Briefen von Gottfried Benn komponiert“, erzählt Solist Max Müller. „Ich habe mir schon lange gewünscht, sie zu singen, und freue mich, dass ich in diesem Jahr die Gelegenheit dazu haben werde.“ Auf die Frage, was für ihn den Reiz der EinemTage ausmache, antwortet Max Müller: „Klassikfestivals sind eine wunderbare Art, sich zu Kultur zu bekennen. Hier in Oberdürnbach passiert das auf eine sehr intensive und zugleich intime Art und Weise. Nur eine Autostunde von Wien entfernt, verbindet dieser Ort auf faszinierende Weise Kultur und Natur.“ Übrigens wird bei den GottfriedVonEinemTagen Genuss für alle Sinne zelebriert. So gehört eine Weinverkostung ebenso zum Programm wie ein geführter Spaziergang durch das schöne Eggenburg mit anschließender Einkehr. Kunst, Kultur und Kulinarium – im Waldviertel sind aller guten Dingen drei.
Text: Miriam Damev
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