Die Ausstellung Kleist: Krise und Experiment inszeniert Leben, Werk und Persönlichkeit des Literaten zeitgleich an zwei Standorten, die für das Leben des Dichters bedeutungsvoll waren – in Frankfurt (Oder) und in Berlin als Geburts- und Sterbeort.
Zwischen diesen beiden Polen von Anfang und Ende war das wechselvolle Leben Kleists von zahlreichen Krisen und Katastrophen geprägt, denen er mit verschiedenen Experimenten in Form ständig wechselnder Lebensentwürfe und Projekte begegnet. Dabei war er schonungslos gegen sich und seine Mitmenschen und radikal in seinem Formwillen. Die Protagonisten seiner literarischen Werke sind frei von deutscher Innerlichkeit und melancholischer Grübelei, sie handeln und scheitern in der Realität. Das macht Kleists Werke bis heute in aller Welt so attraktiv.
Bei Heinrich von Kleist muss von „Identität“ im Plural gesprochen werden. Seine komplexe Person scheint oft rätselhaft und auch widersprüchlich, gleichzeitig werden seine Modernität und Aktualität den Besucher überraschen. Die Ausstellung gibt keine Sichtweise auf den Dichter vor, sondern schafft durch starke Bild- und Klangwelten Freiraum für Interpretation und Assoziation. So kann der Besucher den Dichter in seiner Komplexität und Ambivalenz individuell kennenlernen und eine persönliche Position zwischen Identifikation und Fremdheit finden.
Als Persönlichkeit, Dramatiker und Erzähler mit extremen Positionen, von seinen Zeitgenossen unverstanden, erscheint Kleist heute als moderner Charakter, der an der Jahrhundertwende 1800 in die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche in Deutschland geriet und, obwohl aus einer märkischen Adelsfamilie stammend, zeitlebens instabile Lebensverhältnisse hatte. Aus der permanenten Krisenerfahrung heraus entwickelte er seine Ideen und Projekte. Ständig erneuerte er nach seiner Zeit beim Militär seinen Lebensplan, entwarf sich immer wieder
neu als Gelehrter, Beamter, Familienvater, Bauer, Buchhändler oder Redakteur und schließlich als erfolgreicher Schriftsteller, was ihm zu Lebzeiten versagt blieb.
Kleists 200. Todestag am 21. November 2011 ist der Anlass, den Zusammenhang von Krise, Kritik und Reformideen damals und heute zu diskutieren. Im Zentrum dieser Auseinandersetzung steht die Doppelausstellung Kleist: Krise und Experiment, die zeitgleich im Berliner Ephraim-Palais | Stadtmuseum Berlin und im Kleist-Museum in Frankfurt an der Oder zu sehen ist. Ein umfangreiches Rahmenprogramm ergänzt die Themenräume der Ausstellung mit wissenschaftlichen und künstlerischen Beiträgen und verspricht lebhafte Diskussionen zwischen den Zeiten.
Kuratorische Leitung der Ausstellung: Prof. Dr. Günter Blamberger, Köln, und Stefan Iglhaut, Berlin.
Ein Gemeinschaftsprojekt der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft, des Kleist-Museums, des Stadtmuseums Berlin; gefördert von der Kulturstiftung des Bundes.
Informationen
Ephraim-Palais | Stadtmuseum Berlin
bis 29. Januar 2011
Di, Do–So 10–18 Uhr
Mi 12–20 Uhr
Kleist-Museum, Frankfurt (Oder)
bis 29. Januar 2011
Di–So 10–18 Uhr
Leserkommentare
Zum Kommentieren kostenfrei registrieren oder anmelden.