Der Erzherzogshut ist nicht nur die Krönung der Schatzkammer, sondern auch die „heilige Krone“ Österreichs. Im Mai wurde sie enthüllt und kann nun erstmals besichtigt werden.
Der österreichische Erzherzogshut, die „heilige Krone Österreichs“, wird seit 1616 in der Schatzkammer des Stifts Klosterneuburg „beim Grab des heiligen Leopold“ – wie in der Stiftungsurkunde verlangt – aufbewahrt. Außer zur „Erbhuldigung“ – der Bestätigung eines Herrschers zum Erzherzog von Österreich – durfte und darf diese Krone auch weiterhin nicht weggebracht werden. Gezeigt wurde die Krone bisher nur ganz selten, denn die Schatzkammer war für eine allgemeine Besichtigung nicht geeignet. Doch nun wurde die Schatzkammer verlegt und vergrößert, und seit Mai 2011 ist die „heilige Krone Österreichs“ allen Besuchern zugänglich.
Schatzkammer neu
Die neuen Räumlichkeiten befinden sich auf der Ebene der Sala terrena und entsprechen den modernsten Sicherheitskriterien und konservatorischen Anforderungen mit Vitrinen aus Stahl und Glas – und trotzdem bleibt das Ambiente der alten geschnitzten Sakristeischränke auch erhalten. „Eine Modernisierung ist notwendig. Einerseits, um die Sicherheit zu erhöhen, und andererseits, um diese einzigartigen Kunstgegenstände in einem würdigen Rahmen erscheinen zu lassen. Der Gedanke der Öffnung der Schatzkammer für alle Besucher ist uns sehr wichtig. Wir freuen uns, den Besuchern im kommenden Jahr diese neue Attraktion präsentieren zu dürfen“, erklärt Wirtschaftsdirektor Mag. Andreas Gahleitner.
Schätze von europäischem Rang
Tatsächlich verbinden die in der neuen Schatzkammer ausgestellten Gegenstände höchstes künstlerisches Niveau, historische Bedeutung und materiellen Wert und stellen so Attraktionen erster Güte dar: Der Bogen reicht dabei historisch von den Gründungsjahren des Stifts bis in das beginnende 20. Jahrhundert, vom sagenumwobenen Schleier der Agnes und einer Kassette aus Elfenbein, die als „Schreibzeug des heiligen Leopold“ bezeichnet wird, bis zum Jugendstilornat, der von Anton Hofer, einem Schüler der Klasse Kolo Mosers, entworfen wurde.
Die Geschichte des „Agnesschleiers“ im „Reisealtar des heiligen Leopold“ bietet Stoff für eine eigene Geschichte und ergibt gleichzeitig auch eine Erklärung für die Schleierlegende: Der sogenannte Reisealtar wurde 1733 aus älteren Stücken hergestellt und enthält in einem Kästchen im Sockel, sichtbar durch ein Bergkristallfenster, einen weißen, mit Goldgewebe durchsetzten Schleier, der in den ältesten Reliquienverzeichnissen des Stifts als Marienschleier bezeichnet wird. Wissenschaftliche Forschungen datieren den Schleier in das 12. Jahrhundert und zeigen eine komplette Übereinstimmung mit Geweben, die in den Saliergräbern in Deutschland gefunden wurden. Agnes stammte aus dem Kaisergeschlecht der Salier, und die Zuordnung an die Gottesmutter könnte sich daraus ergeben, dass Agnes ihren wertvollen Hochzeitsschleier der heiligen Maria als Kirchenpatronin gestiftet hat. So wäre auch die Verbindung vom historischen Schleier und der Gründungslegende gegeben.
Gold und Elfenbein
Um fast jeden Gegenstand der Schatzkammer ranken sich Geschichten und
gibt es Erklärungen: Das elfenbeinerne „Schreibzeug des heiligen Leopold“ diente in Wirklichkeit der Aufbewahrung einer Goldwaage mit Schalen und Gewichten und stammt aus dem islamischen Spanien des 11. Jahrhunderts. Das älteste Stück überhaupt ist eine Darstellung des Marientods und entstand vor dem Jahr 1000 in Byzanz.
In jeder Schatzkammer gibt es Gold und Silber: in der des Stifts Klosterneuburg unter anderem zwei Reliquienmonstranzen, die Höhepunkte der Goldschmiedekunst im mittelalterlichen Wien darstellen, einen Kelch aus Donaugold oder die prächtige Schleiermonstranz, die das Stift zum Jubiläumsjahr 1714 beim führenden Goldschmied Wiens, Johann Baptist Känischbauer, in Auftrag gab.
Bedeutende liturgische Gewänder
Stifte und Klöster verfügen meist auch über Sammlungen von liturgischen Gewändern. Auch auf diesem Sektor ist die Schatzkammer des Stifts Klosterneuburg außerordentlich gut mit wertvollen und seltenen Exemplaren bestückt. So gibt es etwa eine Kasel aus Leder und eine besonders umfangreiche Sammlung barocker Paramente. Präsentiert wird auch der Markgrafenornat, ein Messgewand, das angeblich aus Teilen der Kleidung des heiligen Leopold geschaffen wurde (tatsächlich aber erst aus dem 14. Jahrhundert stammt) und von dem sich das niederösterreichische Landeswappen ableitet. Dazu kommen noch weitere liturgische Gewänder aus einer der bedeutendsten Paramentensammlungen Österreichs, die bisher relativ unbeachtet vom Stift beherbergt wird.
Der Erzherzog und seine Krone
Der Titel eines Erzherzogs geht auf Herzog Rudolf IV., „den Stifter“, zurück: Schwer beleidigt, weil ihn sein Schwiegervater, Kaiser Karl IV. von Luxemburg, nicht in die Gruppe der Kurfürsten (die den Kaiser wählten) aufnahm, fälschte er ein Dokument, dem zufolge die Habsburger schon von den alten römischen Kaisern nicht zu normalen Herzögen sondern zu „Erz“herzögen ernannt worden waren – so wie ein Erzengel den normalen Engel an Bedeutung noch überragt oder ein Erzbischof dem Bischof überstellt ist. Gleichzeitig erfand er auch ein Zeichen seiner neuen Würde – eine Zackenkrone, quasi ein königliches Machtsymbol. Auf Bildern, Siegeln und Statuen ließ er sich mit dieser Krone auf dem Kopf abbilden. Ein kaiserliches Verbot von Krone und Titel brachte nur wenig, denn auf Bildern, auf seinem Grabdenkmal und in und am Stephansdom ist uns Rudolf immer mit Krone überliefert. Und als 1439 der Habsburger Friedrich III. Kaiser wurde, bestätigte er das gefälschte „Privilegium maius“ – und machte damit alle Habsburger zu Erzherzögen. Die fehlende Krone lieferte dann die Stiftung von Erzherzog Maximilian III. 1616 nach: den Erzherzogshut. Dieser sollte nach dem Vorbild der „heiligen Kronen“ von Ungarn (Stephanskrone) und Böhmen (Wenzelskrone) gleichfalls eine „heilige Krone“ und damit absolutes Herrschaftszeichen sein. Wie die beiden anderen ist auch der Erzherzogshut einem Heiligen zugeordnet, dem 1485 heiliggesprochenen Leopold, wäre also auch mit „Leopoldskrone“ zu bezeichnen. Der Form nach besteht sie aus einer Zackenkrone, verbunden mit dem roten Hut der Kurfürsten mit Hermelin, verbindet also die beiden von Rudolf angestrebten Würden. Die Edelsteine sind „gemugelt“ – eine Technik, die im Mittelalter angewendet wurde –, was die Bedeutung unterstreichen sollte. Da keine vergleichbaren Stücke existieren, blieb der Künstler bis heute unbekannt.
Informationen
Stift Klosterneuburg
Stiftsplatz 1, A-3400 Klosterneuburg
Tel. +43 (0) 22 43/411-0
[email protected]
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