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Der Zauber. Das Flair. Die Nostalgie …

Die Arena in Baden gehört zu den traditionsreichsten Spielstätten in Niederösterreich – und zu den erfolgreichsten. Mit Operette, Schauspiel und Musical bietet die Kurstadt bei Wien auch in diesem Sommer Kulturgenuss vom Feinsten.

Theaterplatz 7, A-2500 Baden bei Wien

Franz Lehár, der populärste Operettenkomponist seiner Zeit, musste auf die Frage, ob er überhaupt Konkurrenz habe, antworten: Ja, das sei der Fall; Leo Fall, schillernde Komponistenpersönlichkeit und Genussmensch mit gefährlicher Neigung zur Verschwendungssucht. Seit seinem Durchbruch 1908 war Fall einer der erfolgreichsten Komponisten der „Silber-nen Operettenära“. Von seinen mehr als 20 Operetten bescherte Der fidele Bauer, Madame Pompadour, Der liebe Augustin oder Die geschiedene Frau regelmäßig volle Häuser. Heute gelten seine Werke als Raritäten, und weil ebendiese an der Bühne Baden bekanntermaßen Tradition haben, eröffnet Intendant und bekennender Fall-Fan Robert Herzl den diesjährigen Kultursommer mit Falls Dollarprinzessin, unter anderem mit Ingrid Habermann, Katja Reichert und KS Sebastian Reinthaller. Regie führt Wolfgang Dosch, selbst ein ausgewiesener Fall-Spezialist. „Großartig, wie es Fall gelingt, Amerika und seine Musik darzustellen“, erzählt Robert Herzl. „Und das in einer Zeit, in der man in Europa keine Ahnung von amerikanischer Musik hatte, weil es keine Tonaufnahmen gab.“

Die Geschichte der Dollarprinzessin ist rasch erzählt: Dem millionenschweren amerikanischen Industriemagnaten Couder fehlt nur eines zu seinem Glück: ein europäischer Adelstitel, mit dem er seinen Namen schmücken kann. Und so begibt er sich auf Brautschau, schließlich gilt es, Tochter und Nichte zu verheiraten. Schon dreht sich das Karussell der Missverständnisse und Verwirrungen, der Liebe und des lieben Geldes – gepaart mit großer musikalischer Virtuosität und einigen weltberühmten Melodien.

Robert Herzl selbst widmet sich in diesem Sommer dem Meisterwerk Franz von Suppés: Boccaccio. In seinem Band Decamerone erzählt Giovanni Boccaccio (1313–1375) zehn Damen und Herren an zehn Tagen zehn amouröse Geschichten, um von der schrecklichen Pest abzulenken, die gerade in Florenz wütet. Dabei verursacht der berühmte Dichter nicht nur mit seinen Novellen große Aufregung, sondern gerät selbst ins Kreuzfeuer hitziger Liebeswirren. Sein Credo dabei ist: Liebesgeschichten, die nur erdichtet sind, taugen nichts. Man muss die Abenteuer selbst erlebt oder erlauscht haben. Franz von Suppé fand Gefallen an dem Stoff und griff einige Erzäh­lungen auf, um daraus eine Operette zu schmieden. Meisterhaft komponiert, verstand er es, die Klangreize des italienischen Belcantos und das Temperament der italienischen Opera buffa geschickt mit der Wiener Walzerseligkeit zu verbinden. Details zu seiner Inszenierung lässt sich Robert Herzl keine entlocken, doch so viel steht fest: Wenn Herzl Regie führt, dann verspricht der Abend spannend zu werden und vor allem unterhaltsam. Schließlich gehe es in der Operette in erster Linie um Unterhaltung und nicht um irgendwelche gesellschafts­politischen Belehrungen: „Die Operette ist Unterhaltungstheater, sie lebt von der Erzeugung einer Illusion. Man kann sie neu deuten, aber die Geschichte muss trotzdem klar erzählt werden.“ Natürlich soll Musiktheater der zeitgemäßen Ästhetik Rechnung tragen, aber „lassen wir doch dem Auge, was dem Auge gebührt“. Seinen Qualitätsanspruch formuliert Herzl so: „Es muss dem Publikum und mir gefallen.“ Die He­rausforderung sei heute, große Persönlichkeiten, die Musikalität und Charisma miteinander verbinden, auf die Operettenbühne zu holen. „Früher hat die Operette von der Popularität der Künstler gelebt, heute gibt es längst keine Grandes Dames und Primadonnen mehr.“ Robert Herzls Erfolgsrezept gegen den Persönlichkeitsmangel: eigene Publikumslieblinge schaffen. In Baden ist ihm das gelungen; mit KS Sebastian Reinthaller etwa, dem künftigen Intendanten, oder Heinz Zuber. So ist über die Jahre ein Ensemble entstanden, das immer wieder gern nach Baden kommt.

In Baden wird eben der Operettentradition gefrönt, wen kümmert es da, dass das sogenannte „leichte Genre“ für manche ein ­wenig altmodisch daherkommt? „Ach, die Operette wird schon so lange totgesagt, Karl Kraus hat sie schon 1905 für tot erklärt, aber sie lebt immer noch“, sagt Robert Herzl. „Das wird sich auch nicht ändern. Zum einen wegen der unsterblichen Melodien natürlich. Davon lebt die Operette. Zum anderen, und das ist noch viel wichtiger, haben Operetten etwas Zauberhaftes, sie machen die Menschen glücklich. Vielleicht ist ja gerade das ihr Erfolgsgeheimnis.“ Nicht zu vergessen das Flair und die Nostalgie, welche die Sommerarena mit ihrem offenen Plafond umgeben, das ewig währende Gefühl der Sommerfrische, die Kaffeehäuser, der Kurpark, die Weinberge.

In diesem beschaulichen Ambiente wird seit zwei Jahren auch Sprechtheater gespielt, und das höchst erfolgreich. Nach dem fulminanten Erfolg des Alpenkönigs im vergangenen Jahr kommt der französische Regisseur Jérôme Savary auch heuer wieder an die Bühne Baden. Er inszeniert Ferdinand Raimunds Stück Der Verschwender, mit ­einer Besetzung, die sich bis in die Nebenrollen sehen lassen kann. Unter anderem spielen Rainer Doppler, Boris Eder, Antje Hochholdinger und Dolores Schmidinger. Das humorvolle und tragische „original Zaubermärchen“ war Raimunds letztes dramatisches Werk: Bei der Uraufführung 1834 in Wien stand der Dichter selbst in der Rolle des Valentin auf der Bühne. Üb­rigens scheint es die Bühne im Kurpark Jérôme Savary angetan zu haben. Im nächsten Jahr wird er wiederkommen, um seinen Raimund-Zyklus zu beenden.

Der Erfolg der Bühne Baden liegt nicht zuletzt in der Vielfalt des Angebots begründet. Neben der Pflege der Operette hat auch das klassische Musical längst einen festen Platz im Stadttheater gefunden. Höhepunkt dieser Saison: Les Misérables. Das Musical nach dem gleichnamigen Roman Victor Hugos ist mittlerweile Kult. Für die musikalische Neueinstudierung im Stadttheater kehrt fast das komplette Team auf die Bühne zurück, freut sich Robert Herzl, darunter Musicalstars wie Gernot Kranner, Aris Sas, Chris Murray, Darius Merstein oder Patricia Nessy. Am 27. August werden Solisten dieser Produktion in der „Late Night Show“ der Bühne Baden Highlights aus verschiedenen Musicals singen.

Die beste Neuigkeit zum Schluss: Theatermacher Robert Herzl bleibt der Bühne Baden auch in den nächsten zwei Jahren als künstlerischer Leiter erhalten. 2014 folgt ihm Publikumsliebling KS Sebastian Rein­thal­ler in dieser Funktion. Pläne für die Zeit danach? Robert Herzl schmunzelt: „Mit 74 muss ich keine langfristigen Pläne mehr schmieden.“

Text: Miriam Damev

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